Zu Fuß auf die Insel Norderney


Publiziert von Bergmax , 16. Mai 2024 um 21:46.

Region: Welt » Deutschland » Norddeutsches Tiefland
Tour Datum: 4 Mai 2024
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 50 m
Abstieg: 50 m
Strecke:Nessmersiel - durchs Watt nach Norderney - Südweg - Schlopp - Ostheller - Leuchtturm - Bus in den Ort - Fußweg zum Hafen - Fähre nach Norddeich - Taxi nach Nessmersiel
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto nach Nessmersiel. Mittelviele Parkplätze für Tagestouristen (€7 bis Mitternacht).
Kartennummer:eine Seekarten-App (z. B. Navionics Boating) ist hilfreich; zusätzlich Kompass 729 Norderney

Anreisemöglichkeit für Individualisten...

Obwohl Norderney näher am Festland liegt als Baltrum, werden Wattwanderungen dorthin wesentlich seltener angeboten. Ein Blick auf Seekarte und Luftbild verrät, dass das Watt etwas weniger Raum für die Überquerung zulässt, aber vor allem ist es nicht damit getan, dass man drüben ankommt. Der Rückweg ergibt eine ganz hübsche Rundreise, die doch ein wenig Planung erfordert.

Wie schon bei der Baltrum-Tour parke ich meinen Wagen am Hafen von Nessmersiel. Der niedrigste Wasserstand wird am Nachmittag erwartet und ich werde etwas zwei Stunden vorher mit der Wattwanderung beginnen.
Direkt neben dem Parkplatz und dem Hafengebäude befindet sich ein beliebter Aussichtspunkt auf der Mole. Dort beginnt der Leitdamm, der das Fahrwasser nach Baltrum westlich begrenzt. Um ins Watt zu gelangen, gehe ich etwa einhundert Meter auf diesem Damm entlang und betrete dann das Watt links davon.
Gleich die ersten Meter bestehen aus fast knietiefen Schlick, aber zum Glück wird das sehr schnell besser, sonst wäre ich sicher umgekehrt und hätte einen sinnvolleren Einstieg gesucht. Wahrscheinlich ist der Damm daran schuld, dass sich dort so viel Schlick ablagert.
Zuerst laufe ich etwa parallel zum Strand von Nessmersiel nach Westen, korrigiere den Kurs aber bald in Richtung Nordwest. Je weiter man sich von der Küste entfernt, desto weniger sinkt man ein. Es ist kein reines Sandwatt, eher ein Mischwatt, aber ziemlich angenehm zu begehen. Nach etwa eineinhalb Kilometern befinde ich mich direkt südlich der Stelle, an der man das Wattfahrwasser laut Satellitenbild am einfachsten queren kann. Also richte ich meinen Kurs gen Norden und komme bald in einen Bereich mit vielen großen Muschelbänken, die von Schlick umgeben sind. Hier bin ich froh über die feste Sohle meiner Schuhe.

Das Wattfahrwasser ist der einizige wirklich große Priel der Route und gut an seiner Breite, der Strömung und natürlich den Priggen zu erkennen. Aber ich habe Glück, denn es weht ein deutlicher Ostwind, der das Wasser wegdrückt und so geht es mir nur bis etwas übers Knie.
Nach dem Wattfahrwasser muss ich wieder abwechselnd durch Schlick und über Muscheln. Das sind vorwiegend Pazifische Austern. Die wären durchaus essbar. Ich versuche, eine zu öffnen, habe aber nicht das richtige Werkzeug dabei und so wirklich lecker sehen die überwucherten Schalen auch nicht aus. Bei einer der nächsten Touren nehme ich vielleicht mal einen Austernöffner, Handschuhe, eine Gabel und eine Büste mit - mal sehen. Übrigens könnten theoretisch auch Perlen in den Austern sein. Die zu finden ist sicher unwahrscheinlicher als Nordseebernstein, den ich bisher auch nur einmal auf Juist gefunden habe, aber es ist eine zusätzliche Motivation...

Naja, jedenfalls wandere ich weiter, vorübergehend mehr nach Westen, bis ich einen zweiten, unscheinbaren Priel überquert habe. Dann ist der Weg nach Norderney (nochmals etwa 1,5 km) frei. Allerdings ist die Frage berechtigt, wo man eigentlich die Insel betreten sollte. Ausgerechnet in der Kompass-Karte ist ein Pfad verzeichnet, der von der Möwendüne bis ans Watt heranführt. Auf diese Stelle halte ich zu. Die Küste ist ein recht fließender Übergang vom Watt in die Salzwiesen und alles andere als übersichtlich. Doch kaum hundert Meter neben meinem anvisierten Zielpunkt steckt ein Pfahl im Boden. Und tatsächlich - hier beginnt ein schwacher, aber mit einzelnen Pflöcken gekennzeichneter Pfad, auf dem ich durch die Salzwiesen bis zu den eigentlichen Wanderwegen gehe. Da hat die altmodische Papierkarte tatsächlich mal einen Vorteil gegenüber allen verfügbaren digitalen Infos gebracht.

Dieser Bereich von Norderney ist gar nicht überlaufen. Kein Wunder, denn der Hafen und die Stadt sind zwölf bis 14 Kilometer entfernt. Dafür ist die Natur ziemlich reizvoll: kleine Dünen, Salzwiesen, einzelne Kiefern und eine gewaltige Anzahl wilder Kaninchen, die überall herumrasen.

Weil es die kürzeste Route ist, benutze ich den sogenannten Südweg, der genau im Grenzbereich zwischen Dünen und Salzwiesen verläuft. Der Weg ist ab und zu mit grünen Pflöcken gekennzeichnet, aber so unscheinbar, dass es fast schon etwas merkwürdig erscheint. Geht hier denn nie einer lang?
Nach zwanzig Minuten auf dem Südweg stehe ich vor einer Art Strom, der sich aus dem Watt bis weit in die Dünen hereinzieht. Auf der Karte wird er als "Schlopp" bezeichnet. Komisches Wort. Jedenfalls wurmt mich etwas, dass ich ich schon umgezogen habe. In meinen  Wattschuhen würde ich einfach durchwaten, aber nicht in den normalen Wanderschuhen. Also suche ich etwas herum, bis ich "Schlopp" ohne nasse Füße überqueren kann. Eigentlich hatte ich vor, einfach weiter auf dem Südweg gen Westen zu wandern. Doch da steht ein Schild, dass dieser Wegbereich wegen brütender Vögelchen nicht betreten werden sollte. Aha - jetzt ist klar, warum auf dem östlichen Abschnitt des Südwegs kaum einer langgeht, wo doch der westliche gesperrt ist.
Für mich bedeutet das einen Umweg. Ich muss einige hundert Meter am Schlopp entlang nach Norden gehen, ehe ich auf den Hauptweg treffe, der mitten in der Dünenkette in Ost-West Richtung verläuft. Hier sind auch ein paar wenige andere Wanderer unterwegs.
Nach weiteren zweieinhalb Kilometern in angenehmer, wenn auch recht unspektakulärer Dünenlandschaft erreiche ich den Parkplatz Ostheller. Notfalls könnte man von hier aus ein Taxi zum Hafen nehmen. Von Ausgang aus dem Watt bis hierher habe ich inklusive Umziehen etwas mehr als eineinhalb Stunden gebraucht.

Ich hatte im Voraus einen Platz auf einer Schnellfähre reserviert, um auf jeden Fall genügend Zeit für den Marsch zum Hafen zu haben. Und tatsächlich scheint es so zu sein, dass ich die letzte reguläre Fähre nur mit Mühe würde erreichen können. So aber ist reichlich Zeit übrig, um die restlichen acht Kilometer zum Hafen zu bummeln und noch irgendwo eine Kleinigkeit zu essen.
Was mir weniger gefällt: die Wetterentwicklung - in Nessmersiel wolkenlos, am Ende der Wattstrecke bewölkt, jetzt bedeckt. Und tatsächlich beginnt es nach ein paar Minuten, noch bevor ich am Leuchtturm von Norderney vorbeikomme, zu regnen.So macht das Wandern gleich viel weniger Spaß.

Aber die Insel hat noch eine Überraschung für mich. Ich sehe einen Bus, der nach Nordosten fährt, zum FKK-Strand. Hmmm. Wenn der dorthin fährt, wird er wohl am Ende der Straße umkehren und wieder zurück ins Zentrum fahren. Wusste gar nicht, dass es so eine Linie gibt. Das war mir bei der Planung völlig entgangen.
Direkt beim Leuchtturm befindet sich dann wirklich eine Bushaltestelle, wo auch schon eine Menge Leute herumstehen. Kaum fünf Minuten später kommt dann der Bus. Zum Hafen fährt er nicht, aber ins Ortszentrum. Das erspart mir sechs Kilometer Marsch im pissenden Regen.

Nur was mache ich jetzt mit der dem Ticket für die Schnellfähre, die erst in zweieinhalb Stunden ablegen wird? Also nutze ich die Busfahrt, um mir die Buchung masl näher anzusehen. Stornieren - Gebühr € 0 - Klasse! - Hätte nicht gedacht, dass das so kurzfristig noch geht!

Vom Busbahnhof gehe ich gemütlich hinüber zum Hafen, was in einer halben Stunde locker zu schaffen ist. Dort kaufe ich ein einfaches Ticket, wobei mir sogar noch der Gästebeitrag erlassen wird. Zu Fuß scheinen nur wenige Gäste die Insel zu erreichen und dass der Kommentar darauf "cool" ist, freut micht wirklich.
Die normale Fähre nach Norddeich transportiert auch Autos und ist an sich keine sonderliche Schönheit, aber der Salon ist gemütlich und jeder, der möchte, wird am Platz bedient. Ich bekomme Bier und Essen, was bei 45 Minuten Überfahrt nicht selbverständlich ist. Prima!

In Norddeich angekommen bin ich freilich noch nicht am Ziel, sondern muss zurück nach Nessmersiel. Jetzt am Abend fährt da kein Bus mehr. Ich hatte schon im Voraus eingeplant, ein Taxi zu nehmen. Am Hafen steht keins parat, also rufe ich die Zentrale an. Keiner nimmt ab. Hey, so war das aber nicht gedacht!
Etwas missmutig gehe ich vom Hafen weg, denn am Deich gibt es Hotels. Nein, ich möchte nicht übernachten, aber man kann ja mal an der Rezeption nach einem Taxi fragen - und das klappt auch! Die Leute im "Fährhaus" sind hilfsbereit und schon nach zehm Minuten ist das Taxi da. Nach Nessmersiel sind es auf der Straße zwanzig Kilometer und die Fahrt kostet etwa so viel wie ein Deutschlandticket (das ich nicht habe und das mir auch nichts genutzt hätte). Für so eine schöne und individuelle Tour gebe ich das Geld gerne aus.

Diese Wattwanderung ist meiner Meinung nach "technisch" geringfügug schwerer als die Baltrum-Tour. Der Hauptpriel sollte nicht unterschätzt werden und Schuhe sind meiner Meinung nach ein Muss wegen der großflächigen Austernfelder. Außerdem gibt es etwas mehr und tieferen Schlick als nach Baltrum. Generell braucht es eine adäquate Vorbereitung (Gezeiten, Wetter, Zeitmanagement) und eine angemessene Ausrüstung (Karte, Kompass, Navi, sinnvolle Kleidung, Schuhe).

Gehzeiten
Nessmersiel - durchs Watt - Norderney Süpdost: 1 h 50 min
Norderney Südost - Südweg - Schlopp - Parkplatz Ostheller: 1 h 40 min
Parkplatz Ostheller - Leuchtturm: 30 min
(Busfahrt ins Zentrum: 20 min)
Busbahnhof - Hafen: 25 min

Fazit - vielseitige Runde zwischen einer Art Wildnis und einer bekannten Urlaubsdestination



Tourengänger: Bergmax


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Kommentare (5)


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georgb hat gesagt:
Gesendet am 17. Mai 2024 um 10:41
Coole Sache!

Bergmax hat gesagt: RE: Ach wo...
Gesendet am 17. Mai 2024 um 22:18
...so schlimm kühl war das Wasser doch gar nicht?!

Aber mal in Ernst - freut mich, dass sogar die Berichte aus dem ultimativen Flachland mit Interesse gelesen werden.

Viele Grüße aus Ostfriesland

Max

WolfgangM hat gesagt:
Gesendet am 18. Mai 2024 um 08:39
Gibt es für Wattwanderungen einen eigenen Schwierigkeitsgrad? Beispielsweise:

W1 (trocken),
W2 (nasse Füße),
W3 (nasse Beinel),
W4 (nasser Hintern),
W5 (nur Kopf guckt noch raus),
W6 (komplett unter Wasser)
:-)

Bergmax hat gesagt: RE:Skala
Gesendet am 18. Mai 2024 um 21:07
Hey, Wolfgang,
tatsächlich gibt es keine - soweit mir bekannt ist ;-).

Dein Entwurf ist schonmal nicht schlecht, wobei das W6 zu streichen wäre, denn ohne Bodenkontakt müsste man schwimmen und das gilt nicht nur als gefährlich, sondern ist auch verpönt, denn damit käme man (theoretisch) überall durch, sogar durch den Ärmelkanal.

Die Tiefe der Priele ist nicht alles, was die Schwierigkeit ausmacht. Ich werde beim nächsten Bericht noch etwas dazu schreiben...

Viele Grüße

Max

Westfale hat gesagt: Coole Aktion
Gesendet am 18. Mai 2024 um 21:40
Mal was anderes. Muss man sich auch erstmal ran trauen im Alleingang.
Beste Grüße
Sebastian


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