Arctic Circle Trail vom Russels Gletscher nach Sisimiut


Publiziert von Mo6451 , 12. August 2023 um 14:56.

Region: Welt » Grönland
Tour Datum:26 Juli 2023
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Strecke:184 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Flug von Kopenhagen nach Kangerlussuaq
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Flug von Sisimiut über Kangerlussuaq nach Kopenhagen
Kartennummer:Wanderkarten Westgrönland: Kangerlussuaq, Pingu, Sisimiut

Arctic Circle Trail (ACT) 26.7. – 4.8.2023
vom Russels Gletscher nach Sisimiut

26.7.2023
Anreise von Kopenhagen nach Kangerlussuaq; Ausflug zum Russels Gletscher; Übernachtung dort.

27.7.2023
Zu Fuß vom Russels Gletscher zum Parkplatz, Transfer nach Kelly Ville; Wanderung zu
P 66968N,-511284W (7,7 km und 9 km)

Der zweite Tag hielt gleich zwei Wanderungen für uns bereit. Nach dem Abbau der Zelte machten wir uns auf den Rückweg zum „Parkplatz“, wo uns Kanga Mini Tours um 10 Uhr abholen wollte. Da es noch zu früh war, machte ich mich ein Stück weiter auf zum Eisschild. Dort konnte man erkennen, dass sich um den Berg zwei Gletscherzungen bewegen. Im Hintergrund ist das „ewige“ Eis zu erkennen.

Wieder zurück am Parkplatz machten wir uns auf den Weg, um unserem Transfer entgegen zu gehen. Das sollte sich später rächen. Nachdem uns das Taxi eingesammelt hatte, fuhren wir weiter nach Kelly Ville, dem Ausgangspunkt des Trails. Den Weg zu Fuß dorthin lohnt sich nicht, meistens breite Schotterstraße durchsetzt mit Asphalt.

Noch ein Stück folgen wir der Schotterstraße, dann weist ein unscheinbares Holzschild mit dem Hinweis ACT nach rechts. Die Markierung besteht aus einem roten Halbkreis. Die Markierungen auf dem ganzen Trail bestehen im Wesentlichen aus großen Steinmännern in noch größeren Abständen. Ohne Karte und gps ist eine Orientierung oftmals nicht möglich.

Am zweiten See haben wir uns denn auch gleich verlaufen, auf die falsche Seite des Sees. So mussten wir in einem großen Bogen zurück, was unseren Blick für den weiteren Trail gleich geschärft hat. Das Gelände ist extrem nass, immer wieder sinkt man ein. Das macht das Wandern anstrengend. Schuhe und Strümpfe sind den ganzen Tag nass, das sollte sich auf dem ganzen Trail nicht ändern.

Aufgrund der schon gewanderten Kilometer am Morgen und dem anstrengenden Gelände, sowie dem noch ungewohnten Gewicht auf dem Rücken, haben wir irgendwann einfach unser Zelt in der Natur aufgeschlagen, denn bis zu nächsten Hütte wären es noch 14 km.

Hinweis: Auf dem gesamten Track sind pro Stunde nur 2,5 – 3 km zu bewältigen, was zu extrem langen Wanderzeiten führt. Das sollte man immer im Hinterkopf haben.

28.7.2023
Von P 66968N,-511284W nach Kattifik (14 km)

Der ACT-Trail, das ist Natur pur. Kein Strommast, kein Flieger am Himmel, kein Wlan, kein Strom, kein Telefon und oftmals nur ein schwaches gps-Signal, das sind die Bedingungen, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Man hört nur ab und zu Vögel und sonst nur die Geräusche der eigenen Füße, die einen Schritt nach dem anderen verursachen. Das sollte man immer bedenken, wenn man sich auf diesen Weg begibt. Und eine durchgängige Spur ist auch nicht vorhanden, dafür aber Mücken, die ein Wandern ohne Mückennetz kaum ermöglichen.

Nachdem wir unsere Zelte abgebaut und verstaut hatten, ging es weiter Richtung Katiffik Hütte. Sie hat nur wenige Schlafplätze, ist sie besetzt, hilft nur das Zelt. Eine warme Mahlzeit drinnen zu kochen, ist immer möglich.

Der Weg zur Hütte ist ein ständiges Auf und Ab. Hinauf zur Höhe ist oft eine Spur vorhanden und hinab landet man gleich in nassem Gelände. Da wird die Orientierung schwieriger, es hilft, in der Ferne den nächsten Steinman zu suchen, so dass zumindest die Richtung vorgegeben ist.

Dort, wo die beiden Seen zusammenstoßen muss man zurzeit durchs Wasser waten. Nach den vielen Regenfällen ist der Trail in diesem Jahr sehr nass. Das wird uns im weiteren Verlauf noch oft passieren, einschließlich der Querung von vier reißenden Flüssen.

29.7.2023
Katiffik – Canoe Center (21 km)

Heute wartet eine lange Etappe auf uns, ca. 20 km. Da kein Kanu vorhanden war, mit dem wir die Strecke über den See hätten zurücklegen können, wartet auf uns eine Wanderung entlang des Ufers. Schon kurz nach Beginn die erste Schwierigkeit. Zuerst sind hohe Blocksteine zu überwinden, die oftmals einen Tritt ins Wasser erfordern. Für die 20km haben wir neun Stunden benötigt.

Dann weiter entlang des Ufers und wegen des hohen Wasserstandes immer auch wieder durch das Nass. Es ist ein ständiges Auf und Ab. Fast bis zum Ende des großen Sees Amitsorsuaq müssen wir wandern, bevor wir das Kanucenter erreichen.

Der Sonnenschein der letzten Tage hat sich leider verzogen. Es kommen mehr Wolken. Da lädt auch der Sandstrand nicht mehr zu einer längeren Rast ein. Erst spät kommt das Canoe Center ins Blickfeld. Das ist eine große Hütte mit vielen Übernachtungsplätzen und einem Solarpanel. Hier kann man seine Akkus aufladen, leider gibt es nur zwei Steckdosen.

30.7.2023
Canoe Center –  Ikkattoq (23 km)

Eine erste Monsteretappe von über 20 km wofür wir fast 10 Stunden benötigten. Der Weg ab Canoe Center begann ziemlich nass. Da keine Spuren vorhanden sind, orientiert man sich in die Richtung, in der man in der Ferne einen Steinmann erkennen kann.

Nachdem wir die Sumpffläche überwunden hatten, begann ein relativ trockener Abschnitt, auf dem nur ein paar Bäche zu überqueren waren. Und immer wieder das ständige Auf und Ab, wobei der Abstieg meist in einer nächsten nassen Fläche endete.

Zum Schluss warteten noch ein paar steile Aufstiege, bevor die Hütte ins Blickfeld kam. Ikkattoq ist wieder eine kleine Hütte, so dass einige wieder in ihren Zelten schlafen mussten.

Was immer wieder begeistert ist die einsame Natur ohne menschliche Eingriffe. Selbst bei den steilsten Aufstiegen gibt es nirgendwo eine Sicherung. Häufig kommt einem bei den Aufstiegen gleich das Wasser entgegen, was die Sache nicht einfacher macht.

31.7.2023
Ikkattoq – Eqalugaarniafik (12 km)

In der kleinen Hütte von Ikkatooq konnte ich noch einen Schlafplatz ergattern. Am anderen Morgen bin ich dann kurz einmal „aus dem Bett gefallen“. Meine Schlafmatte rutschte auf dem Holz und schon war es geschehen.

Zu Beginn der Wanderung war es noch nebelig, die Sonne kämpfte sich aber immer wieder durch. Der Trail begann mit einem steilen Aufstieg über die Felswand, dann nach einer kurzen Ebene weitere steile Aufstiege. Alles recht rutschig, immer wieder Wasser auf den Pfaden.

Da der Fluss Itinneg auf der Nordroute wegen Hochwasser nicht gequert werden kann, ist ein Ausweichen auf die Südroute erforderlich. Diese hat keinerlei Markierungen und auch noch keine eindeutige Spur.

Nachdem wir den Abzweig verpasst hatten, sind wir mühsam über nassen Untergrund zur Felswand gequert. Entgegenkommende Wanderer erzählten uns, dass man auf das blaue Zelt zu halten sollte, in der Nähe findet sich die Brücke. In den Zelten sind Jäger, die auch den Wanderern helfen.

Es dauert lange, bis man den Punkt erreicht und dann: die Brücke ist an einer Seite eingestürzt. Aber man kann den Fluss queren und muss auf der anderen Seite eine Sandwand heraufklettern. Hier hilft ein Seil. Mittlerweile ist die Brücke wieder repariert.

Nun folgt noch ein steiler Aufstieg über die Felswand und dann erreicht man wieder den nördlichen Trail. Jetzt ist es nicht mehr weit bis zur Hütte. Auch diese ist gut besetzt, aber wir finden noch einen Platz.

1.8.2023
Eqalugaarniarfik - Innajuattoq II (19 km)

Nebelig war es am Morgen, als wir die Hütte verließen. Aber am Horizont zeigten sich erste blaue Schimmer, die Hoffnung auf Besserung.

Es war eine kuriose Etappe. Von der Hütte aus erwartete uns ein steiler Aufstieg. Die Pfade nass und rutschig, was die Sache nicht einfach machte. Immer wieder aufpassen, dass man auf den glitschigen Steinen nicht ausrutschte.

Danach wurde der Grat erreicht, über den es in ständigem Auf und Ab an einem See weiterging. Am Ende wartete ein weiterer Aufstieg. Von oben konnten wir sehen, dass es zwei Pfade gibt, einen unten am See entlang und den, auf dem wir uns befanden.

Diesem folgten wir nun weiter. Dann gab es leichte Orientierungsschwierigkeiten. Parallel zum Trail wird ein Wirtschaftsweg angelegt (mit gelben Stangen markiert). Diesem folgten wir zu weit und standen plötzlich am See, wo es nicht weiterging. Also wieder zurück und den Abzweig gesucht. Der führt uns wieder bergauf. Der Weg zur Hütte ist noch weit und zieht sich endlos. In den Nassgebieten verliert man immer wieder die Spur.

2.8.2023
Innajuattoq II – Nerumaq (17 km)

Der Tag begann kurz hinter der Hütte mit einer Flussquerung. Nach der langen Regenzeit ist nicht nur der Trail sehr nass, sondern auch die Flüsse reißend. Da muss man schon eine Zeit am Ufer entlang gehen um eine adäquate Querung zu finden. Strümpfe und Schuhe sind sowieso nass, spielt also keine Rolle.

Nach der Querung kam ein langer und zehrender Aufstieg auf die nächste Höhe. Die Botanik ändert sich kaum, Büsche, so dicht, dass man kaum die Spur sehen kann, viele Steine und immer wieder moosiges und nasses Gelände.

Der Weg zieht sich in die Länge, aber nach sieben Stunden ist die kleine Hütte Nerumag erreicht. Die Schlafplätze sind wenig, es bleibt nur das Zelt.

3.8.2023
Nerumaq - Kangerluasuk Tulleq Nord (19 km)

Der vorletzte Tag hat es noch einmal in sich. Gleich nach Verlassen der Hütte muss ein Fluss gequert werden. Diesmal benötige ich etwas Hilfe, Jeremy nimmt meinen Rucksack. Ich steige weiter flussaufwärts um eine Stelle zu finden. Der Sprung vom hohen auf den niederen Felsen traue ich mir nicht zu, finde aber eine einigermaßen gute Stelle. Diesen Fluss müssen wir noch zwei weitere Male überqueren, bevor wir zur nächsten Hütte kommen.

Auch auf dieser Etappe ändert sich die Vegetation nicht. Hohe Büsche wechseln sich ab nassem Moos und einigen trockenen Stellen.

Als wir unserem Ziel näher kommen, sehen wir weit oben auf dem Berg eine Hütte, die wir weglos ansteuern. Angekommen stellen wir fest, das ist eine private Hütte und verschlossen. Unsere liegt weit unten am See, das heißt erneut weglos absteigen und zwar fast drei Kilometer. Jetzt haben wir uns das Abendessen aber verdient.

Auch heute waren wir knapp acht Stunden unterwegs.

4.8.2023
Kangerluasuk Tulleq Nord – Sisimiut (24 km)

Heute nun die letzte und auch längste Etappe nach Sisimiut. Von der schönen Hütte am See mussten wir erst einmal drei Kilometer weglos den Berg hinauf auf den Trail. Die nächsten fünf Kilometer verlaufen relativ flach über den Grat, dabei kommt man auch an der Hütte Kangerluasuk Tulleq Süd vorbei. Sie liegt leider etwas weiter von frischem Wasser entfernt, so dass die Meisten die Südhütte am Wasser vorziehen.

Bald erreicht man einen imposanten Wasserfall, den man überqueren muss. Danach beginnt ein steiler Aufstieg, bis man fast auf der Höhe am Beginn des Wasserfalls ist. Das ging ganz ordentlich in die Beine. Dann geht es wieder abwärts und natürlich wartete erneut nasses Gelände auf uns.

Immer wieder kreuzt der AVT Treck den Trail und zerstört die Spur. Aufmerksam muss man auf die Steinmänner achten und weit in der Ferne auf die Spur, die es wieder zu erreichen gilt. Und es folgt noch eine letzte Flussquerung, bevor der lange Abstieg nach Sisimiut beginnt.

Bevor sich der wunderbare Blick in die Ebene öffnet wartet noch eine steinige Landschaft, bevor man nach rechts in die Felsen wechseln kann. Diesen Abzweig darf man nicht verpassen, denn geradeaus fällt das Gelände steil ab.

Immer wieder das Ziel im Gedächtnis, zieht sich der Trail noch lange durch das Tal, wie gehabt, mal trocken, mal nass. Dann kommen die ersten Hütten von Sisimiut ins Blickfeld, aber es dauert noch zwei Stunden bis der Ort erreicht wird. Weit vor dem Ort haben die Huskys ihr zuhause, angeleint springen sie vor ihren Hütten hin und her.

Das Ende dann ist doch enttäuschend. Für den Bau der Straße wird das ganze Gelände bearbeitet, Bagger verlegen dicke Felsbrocken um einen Untergrund zu schaffen. So geht man zum Schluss über eine breite Schotterstraße und muss erstmals wieder aufpassen, um nicht mit einem Baugerät zu kollidieren.

Sisimiut ist zwar Grönlands zweitgrößte Stadt, aber für unsere Verhältnisse nur eine Ansammlung von Häusern. Die Bilder geben einen besseren Eindruck. Auch hier gibt es Wlan nur in Hotels und Geschäften, außerhalb nichts, außer der Blick über den Hafen auf das weite arktische Meer.

 

Fazit: Der Arctic Circle Trail (ACT) ist wohl einer der letzten wilden Trails in Europa. Man ist vollkommen allein in der Natur, keine Geräusche am Himmel, keine Stromleitungen, keine Infrastruktur, nur der eigene Schritt und die Tiere begleiten einen auf dieser „Reise“.

Der gpx file ist nachgezeichnet, eine Aufzeichnung der einzelnen Strecken mangels Strom nicht möglich.

Alle Bilder im Video:
https://www.youtube.com/watch?v=H1H0htolA2w&t=244s


Tourengänger: Mo6451


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 60856.gpx Track gezeichnet

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Kommentare (4)


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Nyn hat gesagt:
Gesendet am 13. August 2023 um 12:43
Wahnsinns Stimmungen. Und jeden Tag bis über 20km bei schwierig zu begendem Gelände. RESPEKT!
Frage: Angesichts der Dauer Nässe.. wären denn gut profilierte und sauber eingelaufene "Art Gummistiefel" eine Option? Denke mal wenn die Füße, Socken und Schuhe jeden Tag nass sind - das stresst die Haut der Füße schon extrem, oder?

Grüße
Nyn

Mo6451 hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. August 2023 um 13:00
Nein, Gummistiefel sind keine Option. Sie bieten in den bergigen Passagen und die gab es zum Schluss reichlich, keinen Halt. Dank meiner Bär Schuhe waren die Füße nicht gestresst, abends Schuhe und Strümpfe ausziehen und warme Socken anziehen.

Morgens leider wieder in die nassen Schhe rein, machte nix, denn nach kurzer Zeit stand man wieder im Wasser.

Mit meinen 72 Jahren war ich auch die Trail Oma, es stimmt , ganz schön anstrengend. Man muss davon ausgehen, dass pro Stunde nur 2,5 km möglich sind. Das bedeutet, wir waren zwischen sieben und 11 Stunden täglich unterwegs. In einer Natur, die sich kaum beschreiben lässt.

LG
Monika

Margit hat gesagt:
Gesendet am 16. August 2023 um 09:22
Ein dickes Kompliment an die "Trail Oma" ;-)
Dieses Erlebnis bleibt sicher für immer!

LG
Margit

Mo6451 hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. August 2023 um 11:24
Danke Margit,
ja, das bleibt im Gedächtnis tief verankert. Meine direkt anschlließende Planung für Norwegen war nicht nur kräftemäßig, sondern auch emotional nicht mehr möglich.

LG
Monika


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