"Kermesse Folk" am Mont Rouge du Triolet


Publiziert von Matthias Pilz , 26. September 2021 um 08:55.

Region: Welt » Italien » Aostatal
Tour Datum:14 August 2021
Klettern Schwierigkeit: 5c (Französische Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 

Der Mont Rouge du Triolet bietet neben seiner extrem steilen SO-Wand auf seiner SW-Seite einen Plaisier-Genuss sondergleichen: Die Kermesse Folk, 5c. So zumindest steht es im Kletterführer. Dem wollten wir auf den Grund gehen und uns selbst ein Bild machen.

Die Dalmazzi Hütte, welche direkt am Fuß des Gipfels liegt, bietet aktuell leider nicht den erwünschten Komfort - wegen einem technischen Defekt ist die Hütte 2021 ganzjährig geschlossen. Ob dies nun der Wirklichkeit entspricht oder nur ein Vorwand für die unrentable Bewirtschaftung ist, wissen wir nicht. Jedenfalls waren wir vorgewarnt, machten die Tour nicht am Wochenende und neben Schlafsack war auch der Kocher und etwas Proviant mit in Gepäck. Der Aufstieg entlang der alten Fixseile offenbarte, dass der Weg und die Versicherungen jedenfalls schon längere Zeit nicht mehr gewartet werden. Man überprüfe also die Seile kritisch, bevor man sich an ihnen, ohnehin sinnlos, hochwuchtet.

 

Der Winterraum der Hütte liegt etwas versteckt an deren Rückseite, er ist aber schön gepflegt und bietet bis zu 18 Personen Platz. Eine Seilschaft aus Tschechien und eine aus Deutschland leisteten uns Gesellschaft. Erstere jedoch erst spät abends, denn die brauchten für die Kermesse Folk deutlich länger als eingeplant. Der Abstieg durch die Ostwand bereitete "Lot's of, very lot's of troubles". Wir waren also vorgewarnt.

Im Kletterführer wurde ebenfalls vom Abseilen über die Tour abgeraten und die Ostwand empfohlen, wir planten also auch den Tschechen auf ihrem Weg zu folgen. Allerdings dank vorhandenem Erfahrungsschatz ohne Schwierigkeiten.

 

Tags darauf stiegen wir früh morgens hinüber zum Einstieg, dieser ist mit einem gelben Strich markiert und etwa 50m links des ebenfalls mit einem gelben Strich markierten und offensichtlichen Abstiegsweges, ein Fixseil ist ebenfalls sichtbar.

 

Es folgen nun 18 Seillängen bis 5c, ein Satz Friends und Keile sowie Zackenschlingen sind sehr sinnvoll um die vorhandene, jedoch nicht üppige Absicherung zu verbessern. Mit einem entsprechenden mittelgroßen Sortiment klappt das auch wunderbar. In der zweiten Seillänge darf erstmals ordentlich zugepackt werden, eine selbst abzusichernde Schuppe wird nach links oben gepiazt. Es folgt eine sehr elegante Platten mit Leisten und am Ende der Länge ein paar große Schuppen. Bald ist also der erste steile Aufschwung hinter uns gebracht und hier trennt sich dann schön langsam auch Spreu vom Weizen: Um in dieser Tour Spaß zu haben sollte eine gewisse Mindestklettergeschwindigkeit keinesfalls unterschritten werden, sonst sind die 5-7h Kletterzeit unmöglich. Im Mittelteil zieht die Tour nun stets nach rechts, die grauen Laschen sind oft wirklich schwer zu erkennen und lieber schaut man einmal mehr als in einen Verhauer zu klettern - fast immer ist der nächste Haken sichtbar! Nach einem Gehgelände folgt die Headwall, eigentlich ein breiter Kessel. Hier werden die Abstände zwischen den Haken noch etwas weiter, dafür ist aber der nächste Stand oft schon früh sichtbar und die Tour zieht schnurgerade hinauf. Hier warten, etwas unerwartet, die schönsten Längen der Tour. Sie zählen wirklich zu den besten im Bereich 5a/5b die ich gesehen habe. Ein paar leichtere Ausstiegslängen führen zum spektakulären schuttbedeckten Gipfel.

 

Nach einer kurzen Rast, wir sind knapp mehr als 5h geklettert, machen wir uns an den Abstieg. Denn tatsächlich lädt die Tour nicht wirklich zum Abseilen ein, Seilverklemmer sind denkbar und es müssen eigentlich alle 18 Längen einzeln abgeseilt werden. Daher entscheiden auch wir uns für die Ostwand. Über einen blockigen Grat, und hier sind die Blöcke nicht unbedingt stabil, geht es zum nahen Ostgipfel. Hier nun über den nicht weniger brüchigen Grat hinab zu einem großen Block mit Schlinge und Maillon. Obwohl in dem darunter liegenden gestuften Gelände eindeutig Trittspuren zu sehen sind, endet die 50m Abseilfahrt im Nichts der lotrechten bis leicht überhängenden Ostwand. Sch... Also bleibt nichts anderes übrig, als am Seil wieder aufzusteigen. Ein Versuch, am Grat weiter abzuklettern endet in brüchigem Gelände, obgleich es hier fixe Schlingen gibt die auch noch weiter unten sichtbar sind - dennoch glauben wir, das kann nicht stimmen. Also entweder beschließen wir, doch zurück zu klettern und über die Tour abzuseilen. Ein letzter Versuch: Google "Abseil Rouge du Triolet", und tatsächlich liefert das Internet den entscheidenden Hinweis: Ein Bericht aus dem Jahr 2014 beschreibt, dass man den Grat bis zu einer blauen Zackenschlinge abklettern muss, dort darunter sei der Abseilstand. Diese blaue, zugegeben mittlerweile sehr hellblaue Schlinge sah ich bei meinem Versuch zuvor. Also wieder am Grat hinab, brüchig, exponiert und alles andere als zur Plaisier-Tour passend. Aber tatsächlich, knapp unter der blauen Schlinge sehe ich einen Bohrhaken mit Maillon, der Stand ist tatsächlich gefunden! Die folgende Abseilfahrt ist äußerst luftig, teils überhängend und es muss stets die Route beachtet werden. Denn die Haken haben oft weite Abstände und die Tour verläuft meist schräg (von oben gesehen in Richtung oder Hütte). Stände sollte man nicht auslassen, zahlreiche Maillons in den Zwischenhaken zeugen von missglückten Manövern. Schlussendlich erreichen wir den Wandfuß und bald die Hütte.

Diese hat sich jetzt wegen dem Wochenende bis aufs letzte Bett gefüllt und wir beschließen daher, noch heute abzusteigen und unser Bett freizugeben. Immer wieder schweift unser Blick hinauf zum Gipfel und spät nachmittags sehen wir auch die deutsche Seilschaft am Gipfel. Der folgende Abstieg über die gleiche Route wie wir würde noch einige Stunden dauern, da waren wir schon wieder im Tal - genau richtig zur Dämmung.

 

Die Tour stellt wirklich eine sehr lohnende Bergfahrt in hochalpiner und zugleich doch lieblicher Umgebung dar. Die Kletterei ist genüsslich, nie schwer aber auch nie langweilig. Einige Längen sind ungewöhnlich schön. Der Abstieg erfordert dann jedoch deutlich mehr Erfahrung und Können als der Aufstieg - man sollte also entsprechende Reserven mitbringen!

 

ZUSTIEG: Am Wanderweg zur Dalmazzi Hütte. Tags darauf am waagrechten Weg taleinwärts, über einen felsigen Gräben und kurz danach entlang der Steinmänner gerade nach oben. Bei einem großen Block sieht man bereits die gelbe Markierung am Einstieg, 50m rechts davon eine weiter Markierung für den Abstiegsweg mit Fixseil. Im ersten Bolt hängt eine Schlinge, die Länge folgt einer rundlichen Verschneidung bzw. eigentlich der Platte rechts davon und erreicht so ein nach rechts oben führendes Wiesenband.

 

ROUTE: Siehe Topo.

 

ABSTIEG: Vom Hauptgipfel (10m ober letztem Stand) am Grat (Achtung, einige Blöcke wackeln) zum Ostgipfel. Hier dreht man nun rechts ab und klettert am Südgrat hinab. Nach wenigen Metern trifft man auf einen großen Block mit Schlinge und Maillon. Hier Abseilverhauer nach Osten. Stattdessen am Grat direkt an seiner Schneide weiter abwärts, schwere Schritte werden im Abstiegssinne rechts ein bis zwei Meter neben dem Grat umgangen. Eine weiße Schlinge wird passiert, nach einer guten halben Seillänge erreicht man eine alte blaue Zackenschlinge mit Maillon. Der oft beschriebene große Felsblock am Grat war für uns nicht ersichtlich. Wer aber direkt am unteren Ende der blauen Schlinge steht, sieht etwa 3m unter sich in der Ostwand einen Bohrhaken mit weißer Schlinge, zu diesem hinabklettern (luftig!). Hier nun viele Abseiler, stets der Route folgend, stets in Richtung Hütte, bis aufs große schräge Band. Wir seilten noch zwei Mal in der Verschneidung ab, man kann auch abklettern, und dann nach außen auf die Rippe queren. Steigspuren und Steinmänner leiten hinab zum Fixseil, wir haben wir noch 20m abgeseilt, es ist aber nicht schwer. Einfach zurück zur Hütte.

 

SCHWIERIGKEIT: 5c, 5a obl. Die Schwierigkeit liegt im alpinen Charakter des Abstiegs.

 

ABSICHERUNG: ++/++++: gut, Haken teilweise leicht korrodiert aber noch okay. Mit mobilen Sicherungen sehr gut absicherbar.

 

MIT WAR: Karin

Tour beschrieben von Matthias Pilz (mammut-extreme@gmx.at), ©Matthias Pilz


Tourengänger: Matthias Pilz


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