Valeč (Waltsch)


Publiziert von lainari , 23. August 2021 um 18:04.

Region: Welt » Tschechien » Doupovské hory
Tour Datum:21 August 2021
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Zeitbedarf: 4:45
Aufstieg: 405 m
Abstieg: 405 m
Strecke:9,5 km + 2,5 km + 6,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto oder Bus nach Valeč und Podbořanský Rohozec
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 7 Žatecko

Burgen und Feste Häuser am Rande des Duppauer Gebirges
 
Schönes Wetter, interessante Ziele und eine entspannte Anreise, was also könnte Murphy in petto haben, um den perfekten Tag zu stören - er könnte eventuell ein Psy Kemp veranstalten lassen…
 
Teil I: Valeč
Ich fahre also ins schöne Barockstädtchen Valeč (Waltsch) am Südostrand der Doupovské hory (Duppauer Gebirge). Im Gegensatz zu meiner letzten Tour gibt es hier in der Umgebung am Rande des riesigen Truppenübungsplatzes keinerlei markierte Wanderwege. Nachdem ich mich wanderfertig gemacht habe, denke ich: Hier hat aber einer sein Autoradio laut an am frühen Morgen. Ich gehe entlang der Straße bergauf und vorbei an der 1710-1728 erbauten kostel Nejsvětější Trojice (Kirche der hl. Dreifaltigkeit) aus dem Ort heraus.

Die Musik oder besser gesagt der Krach wird immer lauter. Am Ortsausgang weist ein Schild zum Psy Kemp - einem Psytrance-Festival, das just an diesem Wochenende hier veranstaltet wird. In Endlosschleife wummern Bässe untermalt von elektronischem Katzenjammer - wahrscheinlich ist das nur mit einem bestimmten Getränkepegel oder bunten Pillen einigermaßen zu ertragen.

Ich suche zunächst das Weite. Der Straßenrand bietet einige Kreuzwegstationen, die dann auf einem Höhenzug nach links abbiegen und als Ziel eine Kalvarie mit Kreuz und Statuengruppe erreichen. Von dort aus gibt es einen schönen Ortsblick. An Wiesenkanten laufe ich weiter. Vom Regen des Vortages ist das Gras klatschnass. Ich pirsche auf den Spuren der Hirsche durch teilweise kniehohe Vegetation. Hosenbeine und Schuhe feuchteln nicht nur, sondern quietschen vergnügt vor Nässe. So komme ich nach Jeřeň (Girschen). Im Örtchen soll es, geschützt von einem Teich, ein Festes Haus gegeben haben. Eine Halbinsel mit großen alten Bäumen bildet den einstigen Standort. Tvrz Jeřeň wurde 1321 als Besitz eines Evan z Jeřeň aus der Familie der Vladyků z Nečtin erstmals urkundlich erwähnt. Mit dem Verkauf der Ländereien 1585 an die Familie Štampach und der Verwaltung von Valeč aus, verlor es seine Aufgabe und verfiel. Am Straßenrand finde ich noch ein altes Mord- oder Sühnekreuz.

Entlang der Straße trabe ich nach Valeč zurück. Hier gehe ich noch einmal durch den Ort hinauf und biege den Weg Richtung Festivalgelände hinein. Als hätte es noch eines Klischees bedurft, kommt mir auf der anderen Wegseite ein langhaariger Besucher mit leichten Gleichgewichtsproblemen entgegen. Kurz bevor er auf gleicher Höhe ist, stolpert er über seine eigenen Füße und taumelt haarscharf an mir vorbei. Neben dem Festivalgelände biege ich bergwärts auf einen verwachsenen Pfad ein, der im unteren Teil von den Besuchern üppig mit Stoffwechselendprodukten veredelt wurde. Im Takt der Musik stampfe ich freudbetont und schwitzend bergauf. Es ist feuchtwarm und dampfig, trotzdem leistet eine Jacke zur Abwehr von Insekten und garstig brennender oder kratzender Vegetation gute Dienste. In Gipfelnähe biege ich weglos nach links und treffe auf die Ruine Neuhaus. Entgegen dem Anschein soll es sich laut archäologischer Grabungen nicht um eine einstige Burg handeln, sondern um eine erst im Zusammenhang mit dem barocken Schlossbau im Ort errichtete Einsiedelei. Im Gipfelbereich des Berges soll es seit damals auch einen Teich geben. Von der Ruine führt ein Pfad zu einem Waldweg und auf der Rückseite des Berges zur geschotterten Forststraße zurück. Hier ist es erstmals etwas ruhiger.
Vorbei am Festivalgelände gehe ich zum Ort zurück und biege in den Schlosspark hinein. Das heutige Schloss Valeč geht in seinen Ursprüngen auf eine im 14. Jh. gegründete Burg zurück. Erst im Jahre 1526 wurde diese erstmals explizit urkundlich erwähnt. Sie stand damals im Besitz von Jakub Kyšperský z Vřesovic. Späterer langjähriger Besitzer war die Familie Štampach. Diese ließ aus der Burg ein Renaissanceschloss errichten. Später bauten es zwei italienische Baumeister barock um. Heute steht die Anlage unter staatlicher Verwaltung. Im weitläufigen Schlossgarten gibt es einige Sehenswürdigkeiten: teatron, iluzivní brány (Illusionstore), letohrádek (Lustschlösschen) und die pivovarské sklepy (Brauereikeller). Nach der Besichtigung der Außenanlagen gehe ich zum Parkplatz zurück.
 
Teil II: Lina
Nun fahre ich bis zur bereits auf der Anreise passierten hájenka Ořkov (Hegerhaus Worschka). Das Anwesen gehört heute der Militärwaldbehörde VLS des nahen Truppenübungsplatzes. Ich gehe auf einem Flurweg durch ein flaches Tälchen hinunter. Die Landschaft wird extensiv beweidet und ist teilweise dornenverbuscht. Ich biege zu einem Gehölzstreifen ab, der die nahezu quadratische Ruine des tvrz Lina verbirgt. Das Objekt liegt auf den Fluren von Vrbička (Klein Fürwitz) und erhielt seinen Namen von einer nahen Schäferei. Über die Geschichte ist so gut wie nichts bekannt. Es gibt jedoch in einer Urkunde von 1383 eine Person namens Syron z Ořkova, die eventuell einen Bezug zum Objekt haben könnte. Da typische Merkmale einer Burg fehlen, geht man von einem Festen Haus oder einem befestigten Gutshof aus. Bei Grabungen wurde Keramik aus dem 14.-15. Jh. gefunden. Drei Mulden im Umfeld werden als Keller weiterer Gebäude gedeutet. Nach der Besichtigung kehre ich zur hájenka Ořkov zurück und lege einen frühen ersten Teil der Mittagspause ein.
 
Teil III: Budiš und Křečov
Anschließend fahre ich weiter nach Podbořanský Rohozec (Teutschenrust/Deutsch Rust). Hier parke ich an der kostel sv. Notburga Ebenská (Kirche der hl. Notburga von Rattenberg) von 1746. Auf einem geschotterten Flurweg durchquere ich weites Wiesenland bis zu einem kreuzenden Bachgraben. Mit Uferwechsel arbeite ich mich durch kniehohes, jetzt trockenes Gras aufwärts und komme nach einiger Zeit zu einem verlandeten Teich mit den spärlichen Resten von tvrz Budiš in der Mitte. Über die Geschichte ist auch hier so gut wie nichts bekannt. Das Objekt, ein einstiges Festes Haus wird auch Rundel oder Rondell genannt und gehörte zur nahen Burg Křečov. Bei Grabungen wurden u. a. Münzen aus der Regierungszeit des böhmischen Königs Jan Lucemburský (Johann von Luxemburg) gefunden. Ich mache mich auf den Rückweg bis zum Flurweg, folge dort aber weiter dem Bachlauf talwärts. Unterwegs ist ein verbuschter, zum Glück trockener Grabenlauf zu queren. Die einzig geeignete Stelle hat mannshohes Schilf. Während ich vorsichtig in die Untiefe hinuntersteige, beginnt es in der Nähe zu schnauben und zu grunzen. Na dann lege ich doch mal lieber einen Sicherheitsumweg ein. Auf einer frisch abgeweideten Fläche gestaltet sich das Laufen nun einfacher. Ich quere die Straße und einen weitere Weide. Dahinter tauche ich in einen filzigen einstigen Obsthain ein. Nach kurzer Zeit muss ich bergwärts zur Waldkante ausweichen und komme so in Sichtweite eines alten jüdischen Friedhofs. Ich schwinge mich an einer bereits eingekerbten Stelle über die Mauer und mühe mich durch das hohe Gras der Anlage. Lediglich Bäume und Büsche werden wohl ab und an entfernt, sonst wäre es hier völlig zugewachsen. Über einen verstecken Zugang verlasse ich den Friedhof an der Unterseite. Ein äußerst wackliger Brückenrest liegt über den Bach. Über eine Weide laufe ich weiter abwärts. Diese endet und es geht entlang des Baches durch Urwuchs. Die Hänge der Taleinkerbung sind verbuscht und verfilzt. Trotzdem muss ich nun dorthin ausweichen. Dazu nutze ich einen rehhohen Wildwechsel. Ständig bleibt der Rucksack an Dornen hängen, die Jacke habe ich wegen der Wärme längst weggelassen, den einzigen Schutz bieten meine Handschuhe. Auf die hohe Wilddichte weisen auch unzählige Hirschläuse hin, die zu meiner weiteren Erbauung plötzlich überfallartig auftreten. Ich hecke nach oben hin aus und gehe an der Wiesenkante weiter. Ein Wegweiser (ohne sichtbare Wege) und eine Infotafel im Busch weisen auf die hrad Křečov hin. Die Burg wurde erstmals 1338 als Besitz eines Racek z Křečova urkundlich. 1494 datiert die letztmalige Nennung als intakte Burg, hier im Zusammenhang mit der Familie der Údrčtí z Údrče. Das Objekt hatte eine nicht eben günstig zu verteidigende Lage und teilte sich in Wirtschaftsburg und Hauptburg. In der Nähe befand sich auch eine Wassermühle, die Rustermühle. Aber auf eine weglose Rückkehr ins Bachtal habe ich heute komischerweise gar keine Lust mehr…
An einem Gehölzstreifen komme ich zur Straße und an ihr laufe ich in den Ort. Zurück in Podbořanský Rohozec freue ich mich über den mehr als verdienten zweiten Teil der Mittagsrast. Gestärkt trete ich schließlich die Heimfahrt an.
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug für:
Teil I 2 h 15 min,
Teil II 30 min und
Teil III 2 h.
Die Strecke ist mit überwiegend mit T1 zu bewerten und ist nicht als Wanderweg markiert.
Der absolvierte Zugang zum jüdischen Friedhof und weiter zur hrad Křečov ist ein T2-Abschnitt. Eine andere Jahreszeit würde ggf. die Wegfindung und Begehbarkeit begünstigen, aber die Eindrücke der Sommerbegehung (Blühpflanzen, Schmetterlinge) machen diese Nachteile wett.
 
Hinweis (falls jemand darüber stolpert): Nicht nur heute zeigen sich bei meinen (vergleichenden) Recherchen viele Ungenauigkeiten deutschsprachiger Wikipedia-Einträge bezüglich böhmischer Orte und ihrer Historie. Da wird z. B. die Ruine Neuhaus als Burg deklariert (archäologisch widerlegt), Urkunden über Verkäufe von Gutshöfen einfach als Beleg für Burgen und Städte angeführt (Valeč, Rabštejn nad Střelou) und mit Jahreszahlen jongliert. Offenbar werden von den Schreibern genannte Quellen entweder selbst nicht gelesen oder nicht verstanden.

Tourengänger: lainari


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Geodaten
 53814.kml Manuell gezeichnete Wegstrecke Teil I
 53815.kml Manuell gezeichnete Wegstrecke Teil II
 53816.kml Manuell gezeichnete Wegstrecke Teil III

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