Monte Carè Alto 3465 m


Publiziert von Cubemaster , 4. Oktober 2019 um 00:16.

Region: Welt » Italien » Lombardei
Tour Datum:27 Juli 2019
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 12:00
Aufstieg: 2200 m
Abstieg: 2200 m

Nachdem ich im Sommer 2017 mit viel Wetterglück die großen Gipfel der Adamello Region einen nach dem anderen besteigen konnte, blieb nur ein einziger wirklich Wichtiger übrig: der Carè Alto. Leider eignet sich dieser Berg nur äußert schlecht für solo-Touren, trotzdem wollte ich es nun zwei Jahre später wenigstens einmal versuchen.

Also fuhr ich abends von Terenten aus nach Spiazzo. Dort angekommen suchte ich mitten in der Nacht in den engen Gassen des Dorfes erstmal verzweifelt die Strasse ins Val di Borzago. (Man muss sich dann tatsächlich einfach durch die zugeparkten engen Gassen hochschlängeln.) Nachdem ich den Weg endlich gefunden hatte, fuhr ich bis zum Parkplatz am Ende der Straße (Achtung: Kurz vor dem Parkplatz kommt eine krasse Senke in der Straße, durch die ein Fluss fließt. Hier habe ich leicht aufgesetzt, obwohl ich langsam gefahren bin und mein kleiner Clio eigenlich ganz gut für so etwas geeignet ist.)

Ich legte mich dann zum Schlafen (oder zumindest Ausruhen) für ein paar Stunden auf die Rückbank meines Autos. Um 2.30 Uhr ging es mit Stirnlampe los Richtung Rifugio Carè Alto. Anfangs ging es schön zügig durch die angenehm kühle Nachtluft. Besonders toll (aber auch etwas gruselig) war ein Moment in dem ich im Schein meiner Stirnlampe ein paar Augen leuchten sah. Schwer zu sagen, was für ein Tier es gewesen sein könnte...

Immer schlimmer machte mir aber mangelnde Kondition zu schaffen und mein erarbeiteter Vorsprung vor dem Zeitplan schrumpfte wieder zusammen. Ich erreichte die Hütte schließlich wie ursprünglich geplant um 5.30 Uhr, da wurde es gerade hell. Auf der Hütte war wenig los. Der Hüttenwirt hatte gerade abgeschlossen (keine Ahnung, wo er hinwollte...), fragte mich aber sehr nett, ob ich noch etwas bräuchte. Ich verneinte und machte nur ein kurze Frühstückspause vor der Hütte.

Der weitere Weg hinauf ist erstmal noch markiert bis zu einigen alten Weltkriegsrelikten auf ca. 2800m. Ich schleppte mich vorwärts, wurde immer langsamer und der Berg sah immer abweisender aus. Nur weil einigermaßen ein Weg vorhanden war, kam ich überhaupt noch vorwärts. Am Ende des markierten Wegs schlich ich weiter über Schneefelder hinauf und um 7.45 Uhr erreichte ich endlich den Gletscherrand auf ca. 3000m Höhe.

Interessanterweise besserte sich ab hier meine Leistungsfähigkeit wieder (ein Phänomen, dass ich schon häufiger an mir festgestellt hatte). Mit Steigeisen und Pickel stieg ich über den Gletscher hinauf bis zum Einstieg in die Ostgrat-Route. Kurz vor den Felsen wurde ich ganz locker von einem Italiener überholt, der mir praktischerweise die Suche nach einer geeigneten Überquerung der Randkluft abnahm. Den Markierungen folgend erreichten wir dann die Schlüsselstelle: ein ca. 20 bis 30m hoher und sehr steiler Plattenschuss mit vielen Rissen zum hinaufkraxeln (ca. III+).

Während mein Weggenosse absolut problemlos dort hinaufkrabbelte, sah ich mir Alles von unten genau an, kraxelte ein Stück hinauf und musste feststellen, dass es mir schlichtweg zu gefährlich war. (Mit den reichlich vorhanden Schlaghaken wäre es für mich sicher im Vorstieg machbar gewesen, aber komplett ungesichert eben nicht.) Der Italiener fragte mich von oben, ob ich ein Seil hätte, an dem er mich sichern könnte, aber mit dieser Situation hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Wir verabschiedeten uns also über die Wand hinweg und ich stieg langsam wieder zum Gletscher ab.

Aber ich hatte noch einen Notfallplan in der Tasche: Die Ostrinne. Ich stieg also weiter über den Gletscher auf und hielt erstmal auf den markanten Einschnitt unterhalb des Gipfelaufbaus zu. Dort angekommen musste ich feststellen, dass die Randkluft dort schlecht einschätzbar war. Es gab Schneebrücken, aber die darunter gähnenden Löcher waren wiederum zu gefährlich. Der Berg wollte mich einfach nicht auf seinen Gipfel lassen. Unterhalb der Randkluft stieg ich linkshaltend ab, aber überall ergab sich das gleiche Bild: Schneebrücken und dunkle, unüberschaubare Löcher darunter.

Schon ziemlich weit links fand ich eine (wohl tatsächlich die einzige) Stelle, an der ich zu den Felsen gelangen konnte. Die ersten 3 bis 4 Meter die Felsen hinauf waren sehr steil und glatt, zudem musste ich mit Steigeisen hinaufklettern, da ich keine Möglichkeit hatte, sie auszuziehen. Oben ging es nun über Schutt und Felsgelände weiter, ziemlich brüchig und daher sehr mühsam. Der natürlichen Steigung folgend gelangte ich nach rechts und erreichte die linke der beiden Rinnen etwas oberhalb der Gabelung.

Man könnte nun sicherlich bis zur Gabelung absteigen und dann dem rechten Rinnenast folgen (der zum Gipfel führt), ich fand aber eine Möglichkeit, mir diese Höhenmeter zu sparen, indem ich ein paar Strukturen folgend durch die Felsen hinüberkletterte (II, ziemlich ausgesetzt). Nun ging es durch die rechte Rinne äußerst mühsam nach oben bis zum Grat. (Ich konnte dabei nicht verhindern, mehrere größere Steinschläge auszulösen.)

Das letzte Stück zum Gipfel ist dann eine kurze, knackige IIer-Kletterei an einem schrägen, von Rissen durchzogenen Plattenschuss entlang. Um 10 Uhr erreichte ich dann in dichtem Nebel (war ja klar...) den Gipfel. Nach den obligatorischen Fotos und dem Eintrag ins Gipfelbuch machte ich mich auch sofort an den Abstieg, ich konnte ja sowieso nichts sehen.

Im Abstieg gelang mir dann noch das Kunststück, mir mit Steigeisen auf den eigenen Finger zu treten. (Ich musste ja mit Steigeisen wieder die Wandstufe zum Gletscher abklettern und beim Herunterlassen durch eine Rinnenstruktur war ich wohl etwas zu unachtsam. Natürlich blutete es sofort wie der Teufel...) Ich reinigte die Wunde mit Schnee vom Gletscher und weiter ging es.

Abgesehen von diesem unerfreulichen Zwischenfall verlief der Absteig gut bis ich 5 Minuten vor dem Parkplatz von einem gewaltigen Regenguss komplett durchnässt wurde. Tropfnass und mit wild pochendem Finger saß ich dann also um 14.30 Uhr in meinem Auto. Ganz tolle Tour...

Der Monte Carè Alto war Gipfel Nr. 154 / 163 meines großen Projekts "Alle 3000er der Ostalpen mit mindestens 400m Schartenhöhe". Mehr Infos auf meiner Homepage.

Tourengänger: Cubemaster


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T5+ ZS- III
WS
4 Aug 04
Care Alto · danicomo

Kommentare (4)


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ADI hat gesagt:
Gesendet am 4. Oktober 2019 um 11:19
Zuerst mal Gratulation zu Deiner nicht ganz leichten Tour!
Alles gut gemacht, bzw. gelaufen.......
Die III+ wär ich sicher auch nicht hoch, Safety first.
Das ganze Gebiet dort ist NICHT zu unterschätzen, es gibt dort viele Löcher, bei denen Du auf Nimmer Wiedersehen verschwinden kannst, der Gletscher dort ist echt gefährlich.
Ich war 2003 im Sommer dort, natürlich nur mit Seil.
Die Löcher dort waren gewaltig!
Eigentlich viel zu gefährlich für Solo Touren.....
Der Care Alto ist eh ne Skitour.....da hast bedeutend weniger Risiko...und....auch bessere Fernsicht, als im Sommer.

Dennoch:

Gratulation zu Deiner tollen Tour!
Eine typische Cubemaster-Unternehmung!

VLG!

ADI

Cubemaster hat gesagt: RE:
Gesendet am 4. Oktober 2019 um 12:46
Danke schön, Adi! Und auch vielen Dank für deine ehrliche Meinung zu den Risiken!

Ich habe vorher viel hin- und her überlegt, welche Gefahren die verschiedenen Routen denn wohl bieten. Der kleine Gletscher an der Südseite hat sich mir in einem recht guten Zustand präsentiert, es waren im oberen flachen Teil keine Spalten zu sehen, nur die blöde Randkluft. Letztlich habe ich es als vertretbar eingestuft, wohl wissentlich, dass eine 100prozentige Sicherheit nie bestehen kann.

PS: Glücklicherweise habe ich mit Raphy inzwischen einen verlässlichen Seilparter gefunden, so dass ich wohl in Zukunft deutlich weniger solo-Touren machen werde.

ADI hat gesagt: RE:
Gesendet am 4. Oktober 2019 um 14:48
Schön und auch beruhigend zu hören, daß Du einen guten Seilpartner hast.....
Denn ich möchte noch viele Cubemaster Tourenberichte lesen können.
Deine Berichte sind IMMER eine echte Bereicherung für Hikr!

Cubemaster hat gesagt: RE:
Gesendet am 4. Oktober 2019 um 18:58
Vielen Dank, Adi, ich fühle mich sehr geehrt!


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