Der LANDESHÖHEPUNKT VON GUYANA in Südamerika liegt wie so viele Landeshöhepunkte auf der Grenze zu Venezuela - bzw. hier sogar auf dem Dreiländereck mit Venzuela und Brasilien - auf dem Plateau des Tafelberges Roraima Tepui. Aus dem unzugänglichen und touristisch praktisch unerschlossenen Guyana selbst lässt sich das Plateau nur in einer langen Urwaldexpedition erreichen, während von der venezolanischen Seite geführte Touren - meist mit den dort ansässigen Pemòn-Indianern - angeboten werden. Auch wir haben in unserer knapp 3-wöchigen Venzuela-Reise den Landeshöhepunkt Guyanas daher von Venezuela bestiegen. Ich habe die Tour inzwischen dennoch unter Guyana eingeordnet, da wir dessen Landeshöhepunkt besucht haben.
Überhaupt ist das unerschlossene und in Europa fast unbekannte Guyana mit seiner britischen Kolonialvergangenheit ein wenig Fremdkörper im spanisch / portugiesischen Umfeld. Es mutete uns z.T. schon eigenartig an, dass sich die uns begleitenden Pemon-Inidaner untereinander in fließendem Englisch unterhielten (die Pemon-Sprache wird immer weniger verwendet) und z.T. sogar wenig Spanisch sprachen.
Unsere Anreise in das entlegene Santa Elena de Uairen im brasilianischen Grenzgebiet Venezuelas sollte eigentlich aus 4 Flügen bestehen. Zunächst ging es über Madrid nach Maiquetía bei Caracas. Von dort wären wir planmäßig abends per Inlandsflug nach Puerto Ordaz geflogen, hätten im benachbarten Ciudad Bolívar übernachtet und wären morgens mit einer 4 Personen Cessna über den Urwald nach Santa Elena geflogen. Leider hatte unser 2. Flug schon 4 Stunden Verspätung, so dass wir in Catia La Mar in Flughafennähe bei Caracas übernachten mussten. Morgens sind wir dann mit umgebuchtem Flug nach Puerto Ordaz und haben dort aber wieder unseren 4. Cessna-Urwaldflug verpasst, was ich schon schade fand. Einzige Alternative (nur 1 Flug täglich) war die 700km Straße. Mit PKW und Fahrer ging es dann tagsüber weiter - und natürlich haben wir auf der 8-stündigen Autofahrt von Puerto Ordaz nach Santa Elena begierig die ersten Eindrücke des Landes aufgenommen.
Santa Elena - Gran Sabana: Eine sehr eindrückliche und weltweit wohl einmalige Landschaft im Südosten Venezuelas im Bundesstaat Bolívar. (Venezuela ist politisch in 23 Bundesstaaten, einen Bundesdistrikt und abhängigen Gebieten aufgeteilt.) Die Gran Sabana (Große Savanne) ist eine riesige Hochfläche (Fläche größer als Deutschland !), die von bis zu 1000 m hohen Tafelbergen (= Tepuis) umschlossen und zergliedert wird. Es ist ein uraltes Stromtal des Urkontinentes. Daher herrschen hier Tausende von Metern dicke Sandsteinschichten vor, die durch Erosion eine Tafelberglandschaft geformt haben. In der Gran Sabana gibt es auch die beiden höchsten Wasserfälle der Erde (Salto Angel am Auyan Tepui mit fast 1000m Höhe). Ethnologisch ist das Gebiet zwischen Orinoco im Norden und Amazonas im Süden noch die Heimat einiger indigener Stämme. Im Grenzgebiet um den Roraima leben noch ca. 30.000 Pemón-Indianer. Das Städtchen Santa Elena selbst ist wirtschaftlich stark von einem mafiamäßig aufgezogenen Benzinschmuggel nach Brasilien abhängig - denn das Benzin ist im Chavez-Staat extrem billig.
In Santa Elena treffen wir abends Andreas Hauer, der mit seiner kleinen Company KAMADAC (www.kamadac.de) anspruchsvolle Trekking-Touren professionell organisiert. Wir unterhalten uns über die Tour und verbringen einen schönen Abend in Santa Elena zusammen, wo wir auch eine Nacht übernachten. Am nächsten Morgen (14.12.) brechen wir dann per Jeep zur Roraima-Tour auf. Mit 2 Holländern (Anita und Theo) und einem Australier (Was) bilden wir mit unseren Pemón-Begleitern eine kleine Gruppe. Der Jeep fährt uns nach einem Stück Straße und gut 30km Erdpiste zum kleinen Indianerdorf Paraima Tepui auf ca. 1300m Höhe. Leider ist das Wetter recht nass und es regnet ein wenig.
Von Paraima Tepui starten wir dann unseren 6-tägigen Trek. Am 1. Tag sind gut 15 km in hügeligem Gelände zurückzulegen. Der Weg ist eigentlich gut und einfach zu gehen. Allerdings macht uns das feucht-warme Klima schon zu schaffen. Die Vegetation ist steppenartig und erinnert uns manchmal an afrikanische Landschaften. Zur Querung von Bächen und kleinen Flüssen senkt sich das Gelände immer wieder - manchmal auch recht steil. Urig sind die ein oder anderen Querungshilfen aus Steinen oder umgelegten Baumstämmen. Auch durch hohe Farnvegetation führt der Weg stellenweise. In den dunklen Wolken und im Nieselregen erahnen wir meist nur schemenhaft die Umrisse der vor uns liegenden Tafelberge. Nach gut 4 Stunden Wanderung kommen wir am Rio Tök gegen 16 Uhr in ein erstes Camp. Andere - mit uns aufgebrochene Gruppen - übernachten hier. Wir hingegen wollen noch ein Stück weiter zum Kukenam Camp. Dieses letzte Stück in der Dämmerung ist das mit Abstand spannendste des Tages, da hier 2 Flüsse zu durchwaten sind, die bei dem vielen Regen relativ viel Wasser führen. Während der erste (Rio Tök) trotz stärkerer Strömung noch recht einfach zu queren ist (Wasser bis Oberschenkel), ist die Querung des viel breiteren Rio Kukenam ein echtes Abenteuer. In bis zu bauchtiefem Wasser und der Nutzung von Felsen im Fluß queren wir ihn im letzten Tageslicht. Ein Stück weiter flußaufwärts existiert auch ein Querungsseil für noch höheres Wasser, das wir aber nicht nutzen. So kommen wir nass und müde im Camp Kukenam (1100 m) an.
Am 2. Tag brechen wir morgens vom Camp auf und legen ca. 800 Hm bis zum sogenannten Base Camp nahe der Wand des Roraima zurück. Auch heute ist der Weg in der ersten Hälfte sehr gut und einfach zu gehen, während die 2. Hälfte schon recht steinig und stellenweise auch sehr sumpfig ist. Die durchquerte Landschaft ist ein stetig Richtung Tafelberg ansteigender sanfter Grashang. Verbrannte Baumstümpfe zeigen, dass hier vor Jahren stellenweise dichter Wald herrschte. Überall liegen verstreute Sandsteinbrocken in der Gegend, die durch Erosion vom Tafelberg abgebrochen sind. Botanisch ist das Gebiet auch sehr interessant. Wir finden viele Orchideenarten und auch verschiedenste fleischfressende Pflanzen. Kurz vor der Ankunft im Base Camp beginnt es nach bis dahin trockenem, bewölktem Wetter zu regnen. Wir erreichen unser Zelt noch vor dem Schlimmsten, doch dann bricht ein tropischer Regen los, der den ganzen Abend anhält und sich erst nachts legt. Somit verbringen wir den Abend dicht gedrängt mit gut 20 Menschen in einer 5 m2 großen Bambus-Schutzhütte bevor wir uns ins Zelt legen.
Am 3. Tag ist das Wetter besser und soll sich auch die nächsten Tage halten. Zum ersten Mal sehen wir nach dem Aufstehen heute eigentlich etwas von unserem Bergziel - dem Roraima Tepui. Heute machen wir nochmals 900 Hm gut und erreichen das Plateau des Tafelberges. Hierzu nutzt man "La Rampa" eine natürliche Rampe in der ansonsten unzugänglichen Wand des Roraima. Vom Base Camp sind zunächst 2 lehmige vertikale Stufen im Regenwald zu überwinden, Durch Begehung und viel Wasser sind hier große Tritte eingestampft; man nutzt an vielen Stellen die Hände und steigt leiterartig empor. Durch ein weiteres Waldstück - sehr ursprünglich und interessant - gelangt man nach gut 300 Hm an die Felswand des Roraima. Ab hier bleibt die Führung dann mehr oder weniger direkt an der Wand und über ein recht schmales Band geht es nach und nach empor Richtung Plateau. Der Weg ist extrem steinig und holprig und daher beschwerlich. Technisch ist es aber unschwierig und das Band immer breit genug. Das interessanteste Stück ist kurz vor Erreichen des Plateaus die Durchquerung eines temporären Wasserfalls (je nach Feuchtigkeit vorhanden - bei unserem Aufstieg aber wasserführend) in steilerem Gelände - aber auch hier ist der nasse Sandstein griffig genug um nicht abzurutschen. Am Ende von La Rampa wendet sich der Weg nach rechts und man steigt auf das Plateau. Hier trennen sich nun die Wege der einzelnen Gruppen und für ca. 4-5 Kleingruppen gibt es Unterschlupf in den sogenannten "Hotels" - Höhlenunterkünfte in dem zerklüfteten Fels. Überhaupt ist das Plateau des Roraima in vieler Hinsicht bemerkenswert. Unvorstellbar vielfältige Sandsteinformationen (s. Fotos) werden durchzogen von zahllosen Wasserrinnsalen und kleinen Seen und Lachen. Daneben ist vor allem die Pflanzenwelt einzigartig: 60% der Arten sind endemisch - also nur hier vorhanden. Nachmittags machen wir noch eine kleine Wanderung (2 Stunden Gehzeit hin und zurück) zum "Ventana" , der Nordkante des Tepui auf Höhe der Höhlen. Leider ist das extrem schnell wechselnde Wetter gegen uns - und es fängt an zu regnen auf unseren Weg. So erahnen wir nur im Nebel die Abbruchkante auf die gut 500m tiefer liegende Sabana-Fläche. Abends überraschen unsere Pemon-Begleiter uns noch mit einem leckeren Caipirinha, dessen Zutaten sie erstaunlicherweise mitgeführt haben.
Am 4. Tag hat man im Tourprogramm Zeit, das Plateau zu erkunden. Für Margit und mich heisst es nun den ca. 4-stündigen Marsch zum Punto triple, dem Dreiländereck Venezuela-Guyana-Brasilien anzutreten, eben dem höchsten Punkt Guyanas. Wir sind die einzigen unserer 5-Mann Gruppe, die dorthin wollen und so trennen wir uns heute. Während Filbert unser Führer bei den Anderen bleibt, leitet uns Ramon Fidel und Alex der 19-jährige Pemon-Träger und Koch kommt mit uns. Das Plateau ist oben keineswegs eben. Immer wieder steigen wir steil über Felsen auf und ab, hinab in ein Flusstal und zum Teil mit einfacher Kletterei über Felsen wieder hinauf. Die Felsformationen sind in der meist nebel- und wolkendurchzogenen Atmosphäre spektakulär. Auch kommen wir durch das Crystal Valley, in dem der Boden weiß von großen Quarzen und anderen Halbedelsteinen übersät ist. Auch Diamanten finden sich hier angeblich - und so wird bei der Rückkehr de Treks auch das gesamte Gepäck auf verboten mitgeführte Steine durchsucht. Schließlich erreichen wir die Betonpyramide des Dreiländerecks. Auf allen Seiten ist der Ländername und ein Metallemblem angebracht - das leider auf der Guyanischen Seite fehlt. Laut Alex wurde es aufgrund der umstrittenen Gebietsansprüche Venezuelas und Guyanas hier entwendet... Auf dem Rückweg zu unserer Höhle nehmen wir einen anderne Pfad und kommen zu El Fosso - einem Naturhöhepunkt, wo wir uns zum Lunch niederlassen. El Fosso ist ein kreisförmiges ca. 10 m tiefes Loch im Fels mit einem unteirdischen Abfluss zur Seite, in das ein kleiner Wasserfall stürzt. Bei der Rückkehr zur Höhle brechen wir nochmals zum Ventana auf. Diesmal haben wir mehr Glück - obwohl wieder Wolken einbrechen - und sehen immerhin etwas von der Abbruchkante und dem darunter liegenden Urwald von Guyana.
Am 5. Tag steigen wir von unserer Höhle über La Rampa zunächst in das Base Camp ab. Nach einem Mittagessen gehen wir weiter zum Kukenam Camp der 1. Nacht. Da nach 2 eher trockenen Tagen die Flüsse stark abgeschwollen sind, durchqueren wir wiederum beide Flüsse und bauen die Zelte im Camp Tök auf. Hier gibt es sogar kühles Bier von einem geschäftstüchtigen Indianer zu kaufen.
Am 6. Tag wandern wir dann noch die 15 km durch Hügelland in der Sabana zurück zum Dorf Paraima Tepui und werden per Jeep wieder nach Santa Elena zurückgebracht, wo wir gegen 15 Uhr ankommen. Kurze Rasur und Körperpflege, ein paar Besorgungen im Ort und schon müssen wir wieder los zum Busbahnhof, wo wir noch am gleichen Tag einen Nachtbus nach Puerto Ordaz nehmen - denn wir wollen von hier nun in ein ganz anderes Gebiet von Venezuela - in das Örtchen Mérida und die Anden, um dort den Pico Bolívar, den höchsten Berg Venezuelas zu besteigen.
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