Kurzbericht 

Südamerika-Trip 1985 - Hintergründe


Publiziert von PStraub , 29. März 2016 um 08:14.

Region: Welt » Venezuela
Tour Datum:29 September 2017

Obwohl seit dieser Reise (1985) schon über 30 Jahre vergangen sind, habe ich in HIKR ein paar meiner dortigen Ziele beschreiben. Aufgeführt sind Städte oder Stätten, die ein UNESCO-Welterbe (Natur oder Kultur) sind oder auf der entsprechenden Warteliste (UNESCO-Tentativliste) stehen, sofern sie bisher keinen HIKR-Bericht haben.
Von "UNESCO-Welterbe" wusste man damals allerdings nichts. Nur 11 (von heute 58) Stätten in den besuchten Ländern hatten 1985 dieses Label. 
 
Die Qualität der Bilder ist schlecht: Gemacht wurden sie mit einer kleinen Fixfocus-Kamera, bei welcher weder Brennweite noch Belichtung verstellt werden konnten und für diese Berichte eingescannt wurden.
 
Reisen damals war anders. 
Es gab kein Internet, keine Mobiltelefone, keine Computer, keine GPS, keine Digitalkameras.
Vor allem aber keine ATMs (Bancomaten). Geld musste man auf sich tragen, unterwegs welches zu beschaffen, war praktisch unmöglich.
 
Als Transportmittel benutzte ich, was zur Verfügung stand. Für die grossen Länder Argentinien und Brasilien hatte ich vorab Flugpässe gekauft. In den Andenstaaten nahm ich für weitere Strecken oft Nacht-Busse. 
Sobald es in abgelegenere Gebiete ging, konnte man froh sein, einen Colectivo (Taxi mit festem Ziel, der aber erst fährt, wenn er voll ist - oder einer bereit ist, für die leeren Plätze zu bezahlen) zu organisieren.
 
1985 war für Südamerika weitherum eine schwierige Zeit. In Kolumbien herrschte ein Guerilla- und Drogenkrieg. In Perú, Bolivien und Argentinien war die lokale Währung jeden Tag weniger wert. 
In Argentinien und Brasilien waren kurz vorher Militärdiktaturen durch demokratische Regierungen abgelöst worden. In Chile hingegen herrschte bis 1990 Pinochet und in Paraguay bis 1989 Stroessner, diese Staaten wollte ich nicht noch mit meinem Geld unterstützen.
Dazu war die Kriminalität überall ein Thema.
 
Doch trotz der allgegenwärtigen Probleme traf ich meistens freundliche, hilfsbereite Menschen, die sich gerne mit einem 'Gringo' unterhielten. 
Gespräche begannen meist mit der Standartfrage: "De donde vienes?" (Woher kommst du?). Wenn man dann sagen konnte, aus Europa, war der Tag gerettet. Denn US-Amerikaner waren generell unbeliebt.
 
Viele Europäer stellen sich Südamerika, wohl wegen seiner Kolonialgeschichte, als recht einheitlichen Kulturraum vor. Vor Ort stellt man fest, dass jedes Land seine Eigenheiten und seinen eigenen Menschen-Mix hat. Von Venezuela nach Bolivien wird die Bevölkerung immer indianischer, Schwarze trifft man da eher in abgelegenen Gegenden. Uruguay ist ganz und Argentinien weitgehend europäisch. In Brasilien dominiert, ausser in den westlichen Randgebieten zwischen Pantanal und Amazonasbecken, die Nachkommenschaft schwarzer Sklaven.
 
Weitgehend "einheitlich" sind jedoch politischen Verhältnisse: Euphorie, wenn wieder einmal eine solide Mehrheitsregierung an die Macht kommt. Gefolgt von Enttäuschung, dass diese oft ebenso inkompetent und korrupt ist wie alle zuvor. Und dann wirtschaftlicher Niedergang, Inflation und die übliche Spirale von Armut und Gewalt.
 
Die Inflation war ungeheuerlich. In Argentinien betrug sie in den letzten 30 Jahren über 56'000'000 %. 
Inflation untergräbt die Basis eines Wirtschaftssystems: das Vertrauen. Wer Geld in den Händen hat, gibt es entweder sofort aus oder versucht, dieses umgehend in eine Fremdwährung zu wechseln. 
 
Venezuela:
In den meisten Ländern war es wichtig zu betonen, kein US-Amerikaner zu sein. Die USA hatten sich durch ihre plumpe Einmischungspolitik viele Feinde geschaffen.
Nicht so in Venezuela. Dort eiferte man den Amis nach. So wird in Venezuela kaum Fussball gespielt, populär ist Baseball.
 
Beim Abflug in Madrid lag die Temperatur bei -22°C, bei der Landung in Maiquetía bei +34°C. Mit Trekkingschuhen und Daunenjacke war ich dort etwas 'overdressed'.
Solche Klimawechsel von tropischer Schwüle zum Eis der Anden sollten immer wieder mal vorkommen.
 
Kolumbien:
Kolumbien war (und ist) einer der grössten Kaffee-Exporteure der Welt. Doch den einzigen guten Kaffee bekam man in der internationalen Zone des Flugplatzes. Aller qualitativ halbwegs verkäufliche Kaffee wurde zwecks Devisenbeschaffung exportiert.
Möglicherweise ist das jetzt besser, immerhin wurde der kolumbianische Kaffee 2011 ein UNESCO-Weltkulturerbe
 
Kolumbien war ein zerrissenes Land. Einerseits hat es eine liebenswerte und vergleichsweise sehr gut gebildete Bevölkerung, andereseite eine Geschichte der 'Violencia', die das Land zerreisst. Eine Folge des Bürgerkrieges waren die Guerilla wie die FARC, die sich 1985 gerade neu organisierten.
 
Von Popayan über Cali und Medellin bis nach Turbo hinauf war Drogenkartellgebiet, das südwestliche Tiefland und weite Teile der ländlichen Regionen wurde von der FARC und andern Gruppen kontrolliert, Entführungen waren an der Tagesordnung. So waren weite Teile des Landes mit vertretbarem Risiko nur schwer oder gar nicht erreichbar.
 
Ecuador - Peru - Bolivien:
Ecuador "funktionierte" vergleichsweise gut. 
Doch von der Eisenbahn, 1983 durch Erdrutsche unterbrochen, wusste keiner, ob und wann sie den Betrieb wieder aufnehmen würde. Später wurden einige Strecken repariert, um vom El Niño 1997/98 wieder zerstört zu werden. 2008 wurden die Bahnen verstaatlicht, die Strecke Guayaquil - Quito soll in absehbarer Zeit wieder durchgehend befahrbar sein.
 
In Peru und Bolivien hingegen funktionierte wegen Devisenmangels fast gar nichts mehr, was irgendwie auf Ersatzteile aus dem Ausland angewiesen war.  
 
Wer Spanisch lernen will, sollte das in einem dieser Länder machen. Nirgendwo sonst wird die Sprache so perfekt gesprochen wie hier.
 
In Peru bekommt man die wohl einfachste Mahlzeit überhaupt: Ceviche. Das ist roher Fisch in Limettensaft - und schmeckt köstlich. 
Peru ist die weltweit (mengenmässig) grösste Fischerei-Nation, der Grossteil des Fangs wird zu Fischmehl verarbeitet.
Überall im Hochland gibt es Cuy, gegrillte Meerschweinchen; durchaus lecker, aber sehr fettig.
In Bolivien war die Verpflegung einfach: Man ass, was es gerade gab.
 
Argentinien:
Abgesehen von der Währung funktionierte in Argentinien eigentlich alles. Nur die Sprache, die eher wie italienisch tönt, ist gewöhungsbedürftig.
 
Hier bin ich meist geflogen, ich hatte einen 'Visite-Argentina-Flugpass' für unbeschränkte Flüge während 30 Tagen. 
 
Das Essen ist himmlisch. Zartes Rindfleisch aus der Pampa: Wer an Schweizer Kuhfleisch gewöhnt ist, findet hier heraus, wie richtiges Rindfleisch eigentlich schmeckt. Dazu ausgezeichnete Weine aus Mendoza - kulinarisch gibt es hier alles. 
 
Brasilien:
Brasilien ist ein gewaltiges Land, bei einem beschränkten Zeit-Budget muss man sich auf ein paar Schwerpunkte beschränken.
Die Kommunikation war nicht immer einfach. Spanisch und Portugiesisch sind nicht unheimlich verschieden, doch oft genug hatte ich den Eindruck, man wolle mich nicht verstehen.
Möglicherweise sind heute Fremdsprachen auch ausserhalb der Touristengebiete - damals waren das eigentlich nur Recife und Rio - etwas weiter verbreitet.  
 
Brasilien war schon damals ein Schwellenland mit einer recht breiten Schicht an finanziell Gutsituierten. 
Doch verglichen mit den viel ärmeren Andenländern war hier das Elend sichtbarer, der Gegensatz zwischen Armut und offensichtlichem Reichtum oftmals fast unerträglich.
 
Auch für Brasilien hatte ich vorab einen Flugpass für unbeschränkte Flüge während 21 Tagen gekauft.
 
Paraguay und Uruguay:
Diese beiden eher kleinen Staaten verbindet eine historische Gemeinsamkeit. 
Im 19. Jhd. beanspruchte Brasilien Uruguay als Teil seines Staatsgebietes und Argentinien Paraguay. Argentiniens Anspruch war noch einigermassen plausibel, doch in Uruguay sprach man spanisch und es war nie Teil des portugiesischen Kolonialreiches. 
Dieser Druck von beiden Seiten führte letztendlich zum Krieg der Dreifach-Allianz, dem wahrscheinlich blutigsten Krieg der Weltgeschichte. 
Mitte des 19. Jahrhunderts war Paraguay das am weitesten entwickelte Land Südamerikas. Nicht zuletzt um Urugay zu unterstützen, erklärte der damalige Diktator López Brasilien und Argentinien den Krieg, dem sich nach einem Umsturz auch Uruguay anschloss. Der Krieg dauerte 1864–1870, am Schluss hatte Paraguay die Hälfte seines Staatsgebietes und über zwei Drittel seiner Einwohner verloren. Unter den verbliebenen rund 200'000 Einwohnern gab es noch etwa 28'000 erwachsene Männer. Von dieser Abschlachterei hat sich das Land wirtschaftlich, politisch und sozial nie erholt.
 
Uruguay ist das europäischste Land des Subkontinents mit einer verhältnismässig stabilen wirtschaftlichen und politischen Struktur. 

Tourengänger: PStraub


Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen