Erstbegehung "Fläscheposcht" (WI3/M3) im Sihltal


Publiziert von mde , 26. Januar 2010 um 15:15.

Region: Welt » Schweiz » Schwyz
Tour Datum:24 Januar 2010
Eisklettern Schwierigkeit: WI3
Wegpunkte:
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 500 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Studen - Ochsenboden - P.1067

Ist man im hinteren Sihltahl auf einer Skitour unterwegs, so folgt man zuerst einer eher langweiligen Alpstrasse und hat Zeit, das Auge schweifen zu lassen. Nun, dem Eiskletterer- oder dem ambitionierten Alpinistenauge fällt sofort die stark vereiste, gut 200m hohe Wandstufe unterhalb der Alp Fläschen auf. Seit Jahren war das Projekt in meinem Hinterkopf gespeichert, und letzten Sonntag erhielten Mami und Papi wieder mal Ausgang...

Bis das Töchterchen gefüttert und in liebevolle Obhut der Grosseltern gegeben ist, alle Verrichtungen und die Anfahrt erledigt sind, ist es schon Mittag. Kein Grund zu meiner Beunruhigung, für die zwei, höchstens drei gemässigten Seillängen sollte die Zeit noch gut reichen. Wenn wir da schon gewusst hätten, dass uns noch ein ausgiebiges alpines Abenteuer bevorsteht.

Wir starten den Zustieg, und zum etwa dritten Mal in meinem Leben bin ich mit Schneeschuhen unterwegs. Hey, dünkt mich das ein mühsames Gewatschel, so verglichen mit dem eleganten Dahingleiten auf Tourenskis! Respekt vor den Leuten, die im Winter die Motivation haben, mit diesen Dingern richtige Berge zu besteigen, ich glaube, die würde mir fehlen.

Schon bald verlassen wir bei P.1146 die Strasse und steil geht's hinunter durchs Bachbett, die Schneeschuhe ziehen wir aus, sie sind also nur noch unnützer Ballast und werden uns noch einige Mühen kosten. Nach weiterer Bachbettkletterei und etwas Schneestapfen erreichen wir den Einstieg und entscheiden uns für ein Depot (1 Rucksack, Schneeschuhe, Stöcke), welches wir im Abstieg wieder aufheben wollen. Um 13.30 Uhr sind wir schliesslich fertig gerüstet, es kann losgehen.

SL 1, 30m, 60°, WI2:
was von weitem wie ein kurzer Aufschwung aussah, entpuppt sich als hübsche, 20m hohe Kompakteisstufe zum Einklettern. Oberhalb bietet sich gerade noch ein dürres Bäumchen zum Nachnehmen an.

SL 2, 50m, 40°, Schnee: schneestapfend geht es in einfachem Gelände weiter. Bevor das Seil aus ist, beginnt auf der im Aufstieg rechten Seite wieder das Eis, welches sich für einen Stand an Eisschrauben anbietet.

SL 3, 30m, 60°, WI1: in erneut schönem Kompakteis bewältigen wir die Stufe eher auf der rechten Seite und folgen auch danach dem Eis. Stand erneut an Eisschrauben, vor dem Steilstück, das nun folgt.

SL 4, 50m, 70°, WI3: nun geht es etwas anspruchsvoller, in sehr schöner Kompakteiskletterei weiter. Die Geräte beissen hier hervorragend ins Eis, das plastisch aber dennoch trocken ist. Oberhalb der Stufe geht's etwas flacher weiter bis das Seil aus ist, Stand an Eisschrauben.

SL 5, 50m, 55°, WI1:
von weitem sieht es fast nach Schnee aus, es ist jedoch Eis, das stellenweise mit Schnee bedeckt ist. Wir befinden uns mitten im riesigen Spiegel, der Fall ist absatzlos und homogen steil. Es kommt ein Gefühl auf wie in einer grossen Alpenwand. Stand an Eisschrauben.

SL 6, 50m, 75°, WI3: die steilste Seillänge, mit erneuten fantastischem Kompakteis, so dass die Kletterei eine wahre Freude ist. Das Gefühl von Exposition kommt hier auf. Und während es von unten noch schien, als ob der Ausstieg bald erreicht sei, muss ich im steilen, absatzlosen "Niemandsland" erneut Stand an Eisschrauben beziehen.

SL 7, 50m, 75°, WI3/M3: nach den ersten 20m in sehr schönem Eis um 70° lässt sich der Ausstieg endlich blicken. Ich klettere direkt hoch, das Eis wird immer dünner. Zum Schluss gibt sogar 2-3 Züge in Fels und Eis ohne Geräte, Versenken der Eispickel in dürrem Gras, windige Hooks an dürren Zweigen. Ziemlich schwierig dünkt mich die Sache, M3 ist eine pure Spekulation, ich kenne mich mit dieser Skala überhaupt nicht aus. In der herkömmlichen Hochtourenskala fühlte es sich auf jeden Fall wie mindestens ein SS an!

Ich bin sehr froh, als ich meine Pickel endlich in eine solide Fichte oberhalb der Abbruchkante rammen kann. Noch ein Mantle, dann ist es geschafft. Der Grund, warum zwischenzeitlich etwas Beklemmung aufgekommen ist, liegt am verblassenden Tageslicht. Mir reichts gerade noch so, um an einem Baum den letzten Stand einzurichten, Kathrin steigt im Dunkeln nach: die Stirnlampen sind bei mir im Rucksack...

Etwas stümperhaft?!? Vielleicht. Schon zuvor, ja eigentlich sogar am Einstieg, war uns klar geworden, dass es zeitlich knapp werden könnte. Der Ausstieg schien immer so nah, der Weg zurück nach unten, an noch selbst zu bohrenden Eissanduhren, immer weiter. Und natürlich lockte es auch, die Besteigung dennoch zu vollenden.

Immerhin, wir sind mit Lampen ausgerüstet, wir profitieren vom aufgehenden Mond, Kartenmaterial und einen Plan für den Abstieg haben wir auch. In der tief verschneiten Landschaft ist es dann zwar gar nicht so einfach, den nur mit wenigen, verblassenden Markierungen ausgestatteten Sommerweg von der Alp Fläschen hinunter zu verfolgen. Einige kleinere Verhauer müssen wir vergegenwärtigen, insgesamt klappt's aber doch prima.

Auf etwa 1260m fällt dann auch die Entscheidung, nicht zum Einstieg und zum Depot zurückzukehren. Es fehlt uns etwas die Lust, im dunklen Steilwald noch nach einer Direktabstiegsvariante zu suchen, wo möglicherweise sogar noch Abseilmanöver warten. Also geht's via P.1189 zurück zum Auto, das Material verbringt 3 Übernachtungen im Freien und wird dann gerettet :-). Tja, hätten wir bloss die Schneeschuhe zuhause gelassen...

Fazit: ziemlich anders als geplant, doch ein tolles alpines Abenteuer. Die Route empfiehlt sich Genuss-Eiskletterern und Alpinisten zu Trainingszwecken auf jeden Fall. Alle weiteren nützlichen Informationen können dem Topo entnommen werden.


Tourengänger: mde


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T6 III
13 Sep 11
Top of Sihltal · tricky

Kommentare (2)


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3614adrian hat gesagt: Da gaht poscht ab - nichts fü Flaschen!
Gesendet am 26. Januar 2010 um 15:39
Klasse!
Das hintere Sihltal hat ja wirklich mehr zu bieten als man denkt...und schon bald folgt noch mehr...!?

Gruss Adrian

Bambula hat gesagt: Gratuliere euch
Gesendet am 26. Januar 2010 um 23:20
zu dieser spannenden Erstbegehung und besten Dank für das hochstehende Topo.

Gruss Michel


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