Nevado Chopicalqui


Publiziert von frmat , 19. September 2016 um 21:00.

Region: Welt » Peru
Tour Datum:26 August 2016
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Eisklettern Schwierigkeit: WI2
Wegpunkte:
Geo-Tags: PE 
Zeitbedarf: 4 Tage
Aufstieg: 2500 m
Abstieg: 2500 m

Mit 6356m ist der Chopicalqui durchaus ein Schwergewicht in der Cordillera Blanca. Der achthöchste Gipfel Perus wird landesweit nur von beiden Huascarans, Yerupaja, Coropuna, Huandoy, Huantsan und Ausangate übertroffen. Östlich des Huascarans gelegen wird er auch gelegentlich als dessen dritter Gipfel geführt, wobei man dank der Schartenhöhe von mehr als 750m nicht über seine Selbstständigkeit diskutieren kann. Als gewaltige dreiseitige Pyramide ähnelt er ein bisschen dem Walliser Weisshorn und ist für mich eine der schönsten Berggestalten der Anden.
 
Wir sind mittlerweile seit mehr als drei Wochen in Peru, haben einige tolle Berge bestiegen und möchten uns nun alle zum Abschluss noch einen Wunsch erfüllen. Leider muss sich dafür unser gut zusammengewachsenes Expedteam trennen. Für Susi, Louise und Benni fährt der Nachtbus nach Lima und mit dem Flieger geht’s in den Dschungel nach Cusco.
Ich möchte dagegen noch einen hohen Berg machen und habe dafür gute Gründe. Im letzten Sommer planten Benni und ich Cotopaxi und Chimborazo. Leider – oder Gott sei Dank – ging ich vorher noch mal zum Arzt. Statt Anden nahm der Sommer eine ganz eigene Entwicklung mit glücklicherweise bzw. Gott sei Dank (!) gutem Ausgang. Statt 6310m konnte ich mich in Schwarzwald, Sauerland und Allgäu wieder fit machen und habe die Liebe zu meiner Heimat neu entdeckt. Nun, Cotopaxi und Chimborazo stehen noch immer. Wenngleich ich mich mit Benni für seine Besteigungen gefreut habe, schmerzt doch irgendwann der Gedanke, nicht dabei gewesen sein zu können. Da bin ich also nun, top akklimatisiert, top motiviert. Leider sind die Verhältnisse in diesem Jahr recht schwierig, sodass ich von meinem großen Traum, dem Artesonraju, schnell Abstand nehme. Die einzig realistische Option ist der Chopicalqui. Und das ist ja auch nicht gerade eine schlechte Wahl. Im Gegenteil, ein herrlicher Berg wartet auf mich und ein viertägiges Abenteuer, dass ich sicher nicht so schnell vergessen werde.
 
Freitag, 26.08.2016: Huaraz – Cebollapampa – Basislager – Moränenlager
Der Tag beginnt wie gewohnt in den letzten Wochen. Duschen, Rumkramen, Frühstück, Reste packen, Schlüssel abgeben und rein ins Taxi. Cesar empfängt mich mit einem gut gelaunten Emilio, wobei der Motor des Taxis den üblichen Dieselgestank verbreitet. Während wir uns durch den Verkehr stadtauswärts kämpfen legen wir noch den einen oder anderen Zwischenstopp ein, kaufen Benzin und Halstabletten. Ausgerechnet jetzt bahnt sich eine Erkältung bei mir an, die kann ich ja jetzt so richtig gut gebrauchen. Ich beschließe, die nächsten vier Tage keine Zeit für eine Erkältung zu haben und lutsche fleißig auf den wenig schmackhaften Pastillen rum. Über den bekannten Weg via Yungay nähern wir uns wieder mal dem Nationalpark Huascaran, passieren die Lagunen bei Yurac Corral und parken das Auto in einer Kehre auf 4200m. Während das Gepäck in den Staub fällt… Motor… Gestank… ich werde mich nicht daran gewöhnen.
Nach dem Ausladen kommt die übliche Fresspause, damit wir nicht soviel tragen müssen. Heute gibt’s nämlich keinen Esel, nur Manpower, die v.a. Emilio zu leisten hat, Wahnsinn, Danke! Aber auch Cesar und ich haben mehr als einen Daypack zu buckeln, langsames Gehen ist angesagt. Nach einer halben Stunde kommt die Basislagerwiese in Sicht, die jedoch kaum jemand als Basislager nutzt, schließlich sind wir gerade erst losgelaufen. Nun machen wir denn auch mal Sport. Rechterhand lockt die Seitenmoräne mit einem Aufschwung über 80Hm. Nach 25 Tagen Akklimatisation bringt mich die Bodenwelle aber nicht aus der Fassung. Wohl eher die andere Seite, denn diese ist geröllig und steinschlaggefährdet und wird nicht mein Lieblingsterrain werden. Dennoch ist das Gelände wesentlich leichter und auch kürzer als beim Pisco. Auf der rechten Moräne führt die Route nun beinahe 500Hm über einen schönen Wanderweg (T3) zum Moränenlager, welches wir nach 2,5h erreichen. Zelt aufbauen, kochen, essen, schlafen, das ist die weitere Vorgehensweise. Vorher beeindruckt noch die Umgebung. Nicht nur die Aussicht ist immer wieder spektakulär, auch die Tatsache, dass hier alles in Bewegung ist. Steinschlag und Lawinen erzeugen eine etwas gruselige Atmosphäre und ich hoffe, dass unser Zeltplatz sicher ist. Die Felswand über uns ist jedenfalls nix für Genusskletterer…
 
 
Samstag, 27.08.2016: Moränenlager – Hochlager
Praktischerweise haben wir die Nacht überlebt. Ob uns das an diesem Tag auch wieder gelingt, darüber bin ich noch nicht so sicher. Nachdem alles, was wir für den Gipfel brauchen, in den Rucksäcken verschwunden ist nehmen wir die letzten 150Hm Geröll unter die Füße.
Ziel ist das 5400m hoch gelegene Highcamp und bis dahin ist der Weg „Russisches Roulette“. Der Gletscher ist ein aberwitziges Gebilde und erinnert an den Khumbueisbruch in Miniformat. Überall knirscht und knarzt es zwischen den Eistürmen. Alternativ kann man sich am rechten Gletscherrand mit Steinen bewerfen lassen (war mir klar, dass der rechte Rand nix gutes zu bieten hat ;) ). Pausieren strengstens verboten. Außer Träger Lapis, der labernd und seilfrei durch die Eistürme spaziert. Er ist der Träger von Erik, einem netten Franzosen, der neben mir das zweite Einmannteam bildet.
Wir brauchen ca. 2h für diese Etappe und ich bin heilfroh, dass wir alle gesund oben sind. Das Lager liegt zwischen zwei Spalten und bietet reichlich Platz für Zelte, allerdings machen die vielen Penitentes das Aufstellen der Behausung nicht einfach. Der Rest des Tages wird mit Rumgammeln und Ausruhen verbracht, wobei es im Zelt teils über 30°C warm wird und man bald in seiner eigenen Suppe kocht.
 
 
Sonntag, 28.08.2016: Hochlager – Chopicalqui – Hochlager – Moränenlager – Basislager
Mitternacht. Der gleiche Spaß wie am Pisco beginnt. Während die Wärme aus dem Schafsack flüchtet klappern im Nachbarzelt die Töpfe. Der Benzinkocher rauscht, Kondenswasser tropft mir auf den Kopf und ich beginne die Anziehprozedur. Skiunterwäsche, Trikot, Fleece, Daune, Goretex. Unten sind es vier Lagen. Dann die Schuhe, schöne Eisklötze. Nicht in Bestform, dennoch mag mich die Erkältung auch nicht mehr piesaken. Also schweigend den Schokoriegel und die Banane mit Cocatee runterspülen und nebenher die Steigeisen anlegen.
Als ich fertig bin ist es fast ein Uhr. 15Min vorher ist Erik mit seinem Guide aufgebrochen. Wir machen uns an den ersten Hang, der oben von einer riesigen Querspalte begrenzt wird.
Die nächsten Stunden sind wir damit beschäftigt, mittelsteile Hänge aufzusteigen und Spalten auszuweichen. Ab 5700m sind wir am zunächst noch breiten Grat unterwegs. Von einer anderen Gruppe wusste ich, dass die Schwierigkeiten bei ca. 6000m beginnen sollen. Folglich haushalte ich gut mit meinen Kräften, trinke alle 30Min ein paar Schlucke kalte Cola und versuche den Zeitplan von 180Hm/h einzuhalten. Alles läuft gut, aber die Höhe macht sich schon bemerkbar. Auch bei Erik, den wir zwischendurch überholen.
In der Tat steilt das Gelände auf 6000m mächtig auf. Eine erste 60°-Passage kündigt die Schulter an, die uns nun für ca. 200Hm beschäftigen wird. Zwischendrin ist eine eisschlaggefährdete Passage zu meistern, eine ca. 100m lange Traverse, die wir im Eiltempo hinter uns bringen. Leider werden auch die Verhältnisse schlechter. Wir sind im Lee, das heißt der ganze feine Schnee sammelt sich hier und weht die Tritte immer wieder zu. Eine zweite Steilpassage, 40m 70°, wird von Cesar souverän gemeistert. Immer öfter ist nun Standplatzsicherung nötig. Das Gelände verzeiht hier keine Schnitzer. Als ich am Firnanker ankomme wird zum ersten Mal der Blick zum Gipfel frei, gleichzeitig geht die Sonne auf. Diese Motivation war dringend nötig, denn das Steileis hat nicht nur physisch Kraft gekostet. Aber hier wäre nicht der richtige Ort zum Jammern. Kleine Markierungsfähnchen leiten über den Schultergrat an die Gipfelpyramide heran. Ich schaffe noch 100 Schritte, gar nicht schlecht. Nun noch die große Schaumrolle hoch, 30Min Schwerstarbeit, dann stehen wir am Vorgipfel und sehen, dass es nicht mehr weit ist. Der Gipfelgang ist immer ein emotionales Erlebnis und ich empfinde viel Dankbarkeit, als wir nach 5,75h auf dem höchsten Punkt des Chopicalqui ankommen. Hier stehen zu dürfen war ein langer Weg. Und er hat sich gelohnt. Der Berg ist der krönende Abschluss eines perfekten Expeditionsurlaubes, mit einem Team, wie man es sich wünscht und einem hervorragenden Führer und Träger dazu.
 
Nach ein paar Minuten auf dem Gipfel machen wir uns an den Rückweg. „Gehen wir heim“, denke ich. Ich freue mich auf Deutschland, gutes Essen, grüne Wiesen und Städte, in denen es nicht so nach Abgasen riecht. Und auf einen Abschlussabend mit meinen Freunden in Lima, die ich morgen wiedertreffen will. Der Abstieg geht mit einigen Abseilmanövern recht zügig von der Hand, sodass wir schon um zehn Uhr zurück bei den Zelten stehen. Damit ist klar, dass wir auch den langen Weg zurück bis ins Basislager noch unter die Füße nehmen. Dafür brauchen wir noch mal beinahe 4h. Emilio gönnt sich noch zwei Stürze auf dem Gletscher, die ich am straffen Seil zum Glück abfangen kann, der Steinschlag verpasst uns um einige Meter. Einzig nervig ist die Tatsache, dass das Zelt im Basislager nicht dicht hält und mir und meinem Schlafsack zu mehr Raumfeuchte verhilft. Nach einem 14h-Tag kann ich dennoch kaum schlafen, zu sehr beschäftigt mich das Erlebte. Die letzte Nacht am Berg ist daher etwas unruhig.
 
 
Montag, 29.08.2016: Basislager – Huaraz
Das Zelt ist am Morgen ein Eisklotz. Und es bleibt ein Eisklotz. Bereits um halb sieben wecke ich die Crew. Leider bleibt das Wetter bescheiden und die Wolken verhindern Auftauen und Trocknen des Zeltes. Noch einmal beladen wir die Rucksäcke und machen uns startklar für den 20minütgen Spaziergang zum Taxi. Gegen Mittag erreichen wir Huaraz, eine Dusche, viel Fleisch und ein paar Bier.
 
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Dienstag/Mittwoch/Donnerstag: Huaraz – Lima – Frankfurt – Freiburg
 
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Nicht nur dank des Chopicalqui liegt ein großes Abenteuer hinter mir und hinter uns vieren. Vielleicht haben wir dem einen oder anderen Mithikr Lust auf dieses Land gemacht. Wenn dem so ist, ihr dürft euch gern melden, wenn weitere Infos und Tipps gewünscht sind.
LG von Susi, Benni, Louise und Matze :) 

Tourengänger: frmat


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Kommentare (2)


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nprace hat gesagt: Mega!
Gesendet am 21. September 2016 um 14:38
Gratulieren zum Chopicalqui! So einen grossartigen Gipfel. Eigentlich das CB ist nur voll von solchen Prachtstücken aber ihr habt wirklich einen schöne ausgewählt. Ihr habt eine recht intensive Zeit gehabt und werdet bestimmt in den Erinnerung noch lange schweben. Finde deinen Bericht strahlt eine gesunde Mischung aus Demut und gerechtfertigte Stolz. Erfrischend. What's next?!
Gruss
Nic

frmat hat gesagt: RE:Mega!
Gesendet am 21. September 2016 um 19:25
Vielen Dank. Schön, wenn es gefällt. Der Chopi bleibt sicher ein Highlight, was schwer zu überbieten sein wird. Mal sehen was als nächstes kommt. Träume gibt's reichlich. Wir würden gern mal in die andere Richtung...


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