In den Mourne Mountains


Publiziert von Günter Joos (gringo) , 29. April 2025 um 21:40.

Region: Welt » United Kindom » Northern Ireland
Tour Datum:12 April 2025
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Zeitbedarf: 2 Tage
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit Zug (Conolly Station) oder Bus (Busaras) von Dublin nach Newry. Weiter mit Bus nach Newcastle.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Busverbindungen nach Newcastle, Belfast, Newry
Unterkunftmöglichkeiten:Hostel und Hotels in Newcastle, "Rostrevor Inn" in Rostrevor
Kartennummer:Harvey Superwalkder XT25 "Mourne Mountains" 1:25.000

12.04.2025
Bei bestem Wetter hatte ich gestern bereits Nordirlands Höchstem, dem Slieve Donard (853 m), sowie dessen Nachbarn, dem Slieve Commedagh (765 m) einen Besuch abgestattet.  Bis zum Sattel (583 m) zwischen diesen beiden Bergen werde ich heute erneut gehen. Das tue ich gerne, denn der Weg entlang des Glen Rivers ist wahrlich entzückend. Unten klettert der Pfad durch eine üppige, ungewöhnliche Botanik, der Glen River, dessen Seite mehrfach gewechselt wird, ergießt sich über zahlreiche hübsche Kaskaden. Ein Stück noch rechterhand mit Tannenwald, links zeigt sich schon offenes Gelände, dann wandere ich endgültig oberhalb der Baumgrenze. Zu beiden Seiten des Trails breiten sich Moorwiesen aus, von den beiden Gipfeln her streichen steile Geröllfelder herab. Dieser Landschaft sieht man die Formung durch eiszeitliche Gletscher an. So, wie auch die meisten Glens der schottischen Highlands, ist auch dies ein klassisches U-Tal.
Der BBC-Forecast hat ab heute einen Wetterwechsel angekündigt. Das eigentlich zu lange schon anhaltende Hoch soll einer vorerst verbleibenden wechselhaften Wetterlage weichen – es wird somit eher wieder typisch irisch ;-). Selbst die Moore sind derzeit weitgehend ausgetrocknet, Niederschläge wären inzwischen mehr als nötig.  Letzte Woche haben hier in den „Mournes“  Wälder und riesige Moorflächen gebrannt. Meine Hostelwirtin erzählte mir, dass die Berge für Wanderer wegen Lebensgefahr gesperrt waren. Vorerst bleibt es aber weiterhin niederschlagsfrei – heiter bis wolkig, kräftiger Wind.
Inzwischen ist erwähnter Sattel erreicht. Von der Küste her kommend, trippelt der Brandy Path knapp unter der Einsattelung und durch die SW-Flanke des Slieve Commedagh hindurch. Ab hier gibt es zwar keine Markierungspfosten mehr, dafür ist der Pfad bestens ausgetreten und nicht zu verfehlen. Über mir beeindruckt eine durch Wollsackverwitterung geprägte Felsflanke im Hang des Slieve Commedagh. Zur Südseite hin öffnen sich komplett verlassen scheinende Hochtäler mit typischer, düster-brauner Moorvegetation. Es ist immer wieder beeidnruckend, wie einsam und wild die Bergregionen auf den „Inseln“ sich oft zeigen. Es ist eine Landschaft, die mit nichts in Mitteleuropa wirklich vergleichbar ist. Und lässt Erstaunen aufkommen über die Tatsache, wie gering die Seehöhen der aufragenden Gipfel sind im Vergleich zu deren oft pompösen Erscheinungen.
Ich komme ins Hare´s Gape (437 m) Inzwischen ist es sehr düster geworden und der Wind faucht fast schon in Sturmstärke durch dieses einsame Joch. Ich lege meinen schweren Rucksack zu einer Rast ab, lehne mich an die hier durchgehende Mounre Wall. Die Mauer zieht hier steil bergan, würde über den Gipfel des Slieve Bearnagh und dessen Vorgipfel steigen. Wie wär´s mit anderthalb Stündchen Mehraufwand? Der Berg dürfte wohl der markanteste in den gesamten Mournes sein. Schon gestern war er mir aufgefallen, mit seinem auf dem Gipfel thronenden Felsenriff. Der Rucksack verbleit also im Sattel, und ich mache mich auf. Zunächst folge ich einem markanten Pfad, welcher, moderat ansteigend, von der Mourne Wall weg in die Südwestflanke des Berges führt. Geruch von Rauch steigt in meine Nase, weiter drüben sieht es schrecklich aus. Dort ist eine riesige Moorfläche abgebrannt, die ohnehin rauh und karg wirkende Landschaft gleicht einer Vorhölle. In der Tat, in einer solchen Situation möchte man als Wanderer hier lieber nicht unterwegs sein, und ich hoffe innigst, dass ich die kommenden zwei Tage vor solchem Ungemach verschont bleibe.
Bald scheint mein Pfad keine weiteren Anstalten mehr zu machen, den Gipfel zu erreichen. Sodann steige ich weglos die Flanke empor. Die immer noch herrschende Trockenheit hilft mir jetzt, die Oberfläche des Moors ist furztrocken. Rasch und problemlos erreiche ich den Sattel zwischen dem Hauptgipfel und dem Vorgipfel P. 705. Zunächst steuere ich eine Erhebung gegenüber des Felsriffs an. Von hier aus wird klar, der höchste Punkt des Gipfels muss sich entweder auf der linken oder auf der rechten Seite des Felsriffs befinden. Kurzerhand kraxle ich erst auf den einen, dann auf den anderen Felskopf. Mir scheinen sie beide gleich hoch. Egal wie, mit dieser kurzen, anregenden Aktion habe ich sichergestellt, definitiv den höchsten Punkt des Slieve Bearnagh betreten zu haben. Zu beiden Felsköpfen führen teils Pfadspuren, und jeweils ein, zwei einfache Kletterzüge (2-) sind nötig. Die Aussicht ist prachtvoll, zeigt mir völlig unbekannte Gipfel, tief verlassene Täler, sowie dazwischengerklemmt die blauen Flächen des Lough Shannach und des Stausees Ben Crom Reservoir. In Richtung Meeresküste ragen Slieve Donard und Slieve Commedagh in den tristen Himmel.
Zurück in den Sattel nehme ich jetzt ich die zwar steile, aber direktere Route entlang der Mournewall.. Inzwischen ist es leicht regnerisch geworden, allerdings nichts Ernstes. Da heute Samstag ist, treffe ich ab und zu auch mal ein paar Wanderer, doch kein Vergleich zu dem, was gestern etwa auf dem Slieve Donard los war. Jetzt geht es auf breitem Weg  durchs Tal des Trassey Rivers nach Nordwesten hinab. Ich erreiche die Grenze zwischen Wildnis und Farmland. Hier nehme ich den markierten Mourne Way auf, dem ich zunächst nach Westen hin folge. Dabei gehe ich vor einem Gatter links, der Trockenmauer folgend. Rechterhand schweift der Blick über malerisches Farmland. Mit gelbem Ginster blühende Hecken und Trockenmauern grenzen tiefgrüne Parzellen voneinander ab, auf denen Kühe und Schafe weiden. Verstreut stehen ein paar Farmhäuser.Nach links hin blicke ich in die verlassen und düster erscheinende Bergwelt der Mourne Mountains. 
 Der Mourne Way macht eine  Kurve, geht jetzt nach Süden auf den Fofanny Dam zu. Ich passiere den Stausee und steige hinauf zur Straße. Ich ignoriere den Stile auf der anderen Straßenseite und folge der Straße zunächst ein Stück weit,  um bei einem kleinen Parkplatz über einen steilen Grashang auf der anderen Talseite nach Westen hin anzusteigen. Der Pfad klettert steil hinauf zum Gipfel des Slievenamuck (504 m). Die Ausblicke von hier sind atemberaubend. Unter mir schmiegt sich die Wasserfläche des Spelga Dam zwischen die Bergzüge.Ich steige nach Süden über einen breiten Fahrweg ab und komme zu meinem Tagesziel, dem Nordufer des Spelga Dam. Hier führt eine Straße vorbei und ein mit Picknickbänken ausgestatteter Parkplatz befindet sich über dem Seeufer. ich finde ein etwas verstecktes Plätzchen zum Zelten unterhalb des Parkplatzes in einem lichten Wäldchen. in nicht allzu weiter Enternung zelten auch ein paar junge Typen, die ganz offensichtlich nicht, wie ich, zu Fuß hierhergekommen sind. Bei meiner Ankunft war es bereits 19 Uhr, dennoch bleibt bei den jetzt schon wieder langen Tagen genügend Zeit, mein Zelt aufzubauen, und oben bei den Picknickbänken zu kochen, zu essen und diesen wunderschönen Ort zu genießen. Es muss allerdings schon Nacht werden, bis sich der Verkehr auf der am See vorbeiführenden Straße endlich beruhigt.
13.04.2025
Der frühe Morgen zeigt sich überraschend sonnig, und ich genieße mein Frühstück an diesem wundschönen Spot, wo es um die Uhrzeit noch ruhig ist. Ärgerlich ist derFast-Food-Dreck, der wohl gestern abend noch von hier gehausten Autoausflüglern direkt neben den Mülleimer auf den Boden geschmissen wurde. So ist das leider oft mit per Auto erreichbaren schönen Plätzen ... :-(.
Die ersten paar Kilometer müssen auf der Straße zurückgelegt werden, die an diesem Sonntagmorgen noch kaum befahren wird. Entlang des Sees zuerst gen Süden, bis bei einem kleinen Parkplatz die Mourne Wall wieder erreicht wird. An dieser entlang geht es hinauf zum Gipfel des Pigeon Rock Mountain (534 m). Die Aussicht macht was her, so etwa über den Spelga Dam hinweg, diverse Gipfel der Mourne Mountains, wiederum zum markanten Slieve Bearnagh und rüber ins kultivierte Tiefland. 
Hinab jetzt zum Rowan-Tree-River, dann erfolgt der Wiederaufstieg zum Slievemoughanmore (559 m), mit gleichfalls prächtiger Aussicht, inzwischen aber windig und kalt. Die Mourne Wall führt hinab ins Windy Gap. Bis hierhin waren Weg und Orientierung problemlos. Jetzt jedoch erfolgt eine pfadlose Moorquerung gen Nordwest.  Das morastige Gelände lässt sich nur sehr mühsam begehen, besonders mit schwerem Rucksack. Ich steuere einen Sattel an, südlich des Tornamrock (390 m) . Dort finde ich zunächst Pfadspuren, später einen Pfad, welcher nach Norden absteigt. Irgendwann scheint mir dieser Pfad zu tief und zu weit nach Norden zu gehen, weshalb ich mich erneut querfeldein durchschlage. Auf der anderen Talseite habe ich nämlich einen breiten Fahrweg erspäht, welchen ich für den Mourne Way halte, den ich bis zu meinem Ziel Rostrevor verfolgen möchte. 
Nach erneut mühsamem Stacksens durch weglosen Morast erreiche ich besagten Fahrweg. Die Karte habe ich inzischen in den Rucksack gesteckt, ich brauche sie vorerst wohl nicht mehr, so denke ich ...
Dem Fahrweg folge ich nach links, gen Süden, ergo meine geplante Richtung. Ein wenig komisch scheint es mir zwar, denn der Weg steigt nochmals unverhältnismäßig weit an. Zudem keine Markierung, obwohl entlang des Mourne Way eigentlich immer wieder mal Marker auftauchen sollten. Wohl deswegen, weil der Weg hier alternativlos ist, denke ich. Dann aber dreht der Weg in einer Kurve plötzlich auf Nord und läuft schnurstraks auf einen Gipfel zu. Jetzt aber endgültig die Karte heraus ... 
Was ich sehe, entzückt mich ganz und gar nicht. Ich stehe nun direkt vor dem Gipfel des Pierce´s Castle (467 m). Weitaus schlimmer, ich bin im falschen Tal! Wäre ich dem Weg konsequent nach rechts bergab gefolgt, dann wäre ich obligatorisch auf den  Mourne Way gestoßen, welcher in einem Bogen ins Paralleltal getrippelt wäre, nämlich ins oberste Talstück des Shankys Rivers. Diesem ganz nach oben folgend, wäre der Mourne Way nahtlos über die Wasserscheide hinweg ins Tal des Kilbroney Rivers weitergegangen. Dies wäre die für mich richtige Route gewesen. 
Nun verspüre ich aber gar keine Lust, alles nochmal den Berg hinabzulatschen, zumal ich wegen meiner Rückfahrt langsam unter Zeitdruck gerate. Ich suche per Karte verzweifelt nach einer besseren Lösung. Nur mal ein kurzes Stück weit zurück, um am P. 428 einen nach Südwest steuernden Pfad aufzunehmen, der mich anschließend entlang einer Trockenmauer an die Mourne Wall bringt, das wäre die theoretische Lösung. 
Gottlob, das klappt dann tatsächlich auch in der Praxis. Allerdings mit einem erneuten Gegenanstieg entlang der Trockenmauer gegen den Tievedockarach (473 m), wo die Mauer schließlich exakt im rechten Winkel auf die Mourne Wall stößt.  Sehr steil und ruppig  steige ich jetzt entlang dieser hinab. Kurz vor Erreichen des Talbodens verlasse ich die Mourne Wall durch eine Lücke, hinter der ein deutlicher Waldpfad einsetzt. Nun gehe ich parallel oberhalb des eigentlichen Mourne Ways.Auf der gegenüberliegenden Talseite zeigen sich enorme Schäden des Waldbrandes der vergangenen Woche. 
 Der Pfad wechselt auf eine Forststraße. ich bin jetzt nahezu unfehlbar richtig, aber die Strecke ist jetzt ein öder, unendlich lang scheinender Forsthatscher. Eine Fülle von markierten MTB-Trails kreuzt meinen Forstweg, die Gegend von Rostrevor genießt den Ruf eines exzellenten MTB-Reviers. Die Ortschaft an der malerischen Bucht des Carlingford Lough ist von oben herab längst zu überblicken, doch der Fahweg scheint stetig gen Süden oberhalb der Ortschaft vorbeizuziehen. Ich verliere die Geduld und biege in einen markanten Pfad nach rechts unten ein. Durch ein Gewirr von gut ausgetretenen Pfaden gelange ich schließlich auf einen wundeschönen Uferpfad entlang des Kilbroney Rivers. Das letzte Stück bis zur Brücke in Rostrevor ist ein angenehmer Kontrast zum vorhergehenden Forstweggelatsche. 
Rostrevor ist eine niedliche Ortschaft mit ländlichem Flair. Gerne hätte ich dort eine Nacht verbracht, konnte im Vorfeld aber keine geeignete Unterkunft ausfindig machen. Am heutigen Sonntag bieten sich zudem von hier aus nur drei Rückfahrmöglichkeiten. En Grund, weshalb ich mich bei meiner Odyssee oben in den Bergen durchaus unter Zeitdruck gefühlt hatte. Zwei Optionen hätten mich nach Belfast gebracht, eine weitere zurück nach Newcastle. 
Meine Ankunftszeit in Rostrevor spricht für Newcastle. Gar nicht so verkehrt, denn meine Hostelwirtin hatte mir im Vorfeld schon zugesagt, dass sie im Falle meiner Wiederkehr auf jeden Fall ein Bett für mich frei hätte. Zudem verfügt das Hostel über einen Trockenraum, wo ich mein klatschnass gewordenes Zelt trocknen könnte. Im Fish & Chips Laden lasse ich mir derweil einen deftigen Burger angedeihen. Draußen geht jetzt ein kräftiger, kalter Schauer nieder, anschließend spannt sich ein brillanter Regenbogen über die Ortschaft. 
Der Bus kommt pünktlich und nimmt zudem die Richtung auf  die attraktivere Strecke des Mournes Coastal Way mit Umstieg in Kilkeel. Die folgende Strecke kann es landschaftlich durchaus mit dem berühmnten Ring of Kerry im Südwwesten der Republik Irland aufnehmen, ist allerdings wesentlich kürzer.  Glücklich und zufrieden mit dem Verlauf dieser Zweitagesexkursion steige ich in Newcastle aus dem Bus. Deftig essen gehen, entspannen, und die jetzt wieder langen Tage erlauben sogar noch einen kleinen Abendspaziergang entlang der Promenade mit einem Wiedersehen mit dem Landeshöchsten Slieve Donard.
Diese zweite Etappe war wider Erwarten deutich härter und zeitintensiver, als ich erwartet hatte. Dies lag vor allem an der sowohl orientierungsmäßig, als auch von der Geländebeschaffung her schwierigen Bedingungen ab dem Windy Gap. Abgesehen vom finalen Waldhatscher war das insgesamt nochmal eine landschaftlich attaktive Wildnistour, auf der einem oft ein Gefühl von großer Abgeschiedenheit befällt. Wo gleichzeitig auch offensichtlich wird, wie schwierig und langwierig es werden kann, in einer blöden Situation aus einer solchen Wildnis absehbar wieder herauszukommen, insbesondere, wenn das Wetter schlecht ist, welches eigentlich immer in Begleitung von stürmischen Winden einherkommt. Auch das schwierige Vorwärtskommen abseits von Pfaden muss bei der Planung unbedingt mit eingepreist werden.

Tourengänger: Günter Joos (gringo)


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