Hebridean Way - Inselhopping auf schottisch


Publiziert von Günter Joos (gringo) , 21. April 2023 um 23:04.

Region: Welt » United Kindom » Schottland
Tour Datum:21 März 2023
Wegpunkte:
Geo-Tags: GB 

  
Die Äußeren Hebriden (englisch Outer Hebrides bzw. Western Isles, schottisch-gälisch Na h-Eileanan Siar [nə ˈhelanən ˈʃiəɾ], ‚Die westlichen Inseln‘) sind eine zu den Hebriden gehörende Inselkette im Atlantischen Ozean an der Westküste Schottlands. Sie liegen rund 60 Kilometer westlich des Festlandes und verlaufen in einem Bogen vom Butt of Lewis im Norden bis hin zu Barra Head im Süden. Die gesamte Inselkette ist 208 Kilometer lang. Von den südöstlich gelegenen Inneren Hebriden trennen sie unter anderem die Meerengen Little Minch und North Minch.
Die Menschen auf den Äußeren Hebriden leben hauptsächlich vom Fisch- und Krabbenfang und als Kleinpächter (crofters) und Schafzüchter. Der Tourismus spielt ebenfalls eine Rolle. Die ausgedehnten Torfmoore von Lewis werden von Inselbewohnern für den Eigenbedarf an Brennstoff abgebaut.
Ein wichtiger Industriezweig ist die Herstellung von Harris-Tweed. Harris Tweed kann in Lewis, Harris, Uist und Barra hergestellt werden. Die Harris Tweed Authority hat ihren Sitz entgegen dem Namen in Stornoway im Nordteil der Insel Lewis and Harris (Lewis) und nicht im südlichen Inselteil Harris. (Auszug Wikipedia)
Die Inseln gehören zu den wenigen Regionen Schottlands, in der gälisch noch als Alltagssprache benutzt wird.
Die Ausgesetztheit zum offenen Atlanik hin bedingt sehr hohe Niederschlagswerte und die Präsenz von Wind. Dennoch unterliegen die Inseln auch dem Einfluss des Golfstromes, was relativ milde Winter und mäßig warme Sommer mit sich bringt.
Kilometerlange Sandstrände, ausgedehnte Moore, Seen, Berge, Täler, Bäche und Flüsse, sowie weites, von Schafen beweidete Grasland schaffen überaus reizvolle und abwechslungsreiche Landschaftsbilder, und wer genügend Zeit hat, kann sich auch mit den vielen vorzeitlichen Menhiren (standing stones), Steinkreisen, aber auch mittelalterlichen Kulturrelikten beschäftigen, die überall auf den Inseln verstreut sind. Schon seit vielen Jahren ist die Befahrung der Inseln per Fahrrad eine beliebte Unternehmung. 2012 wurde alternativ zur Radroute der Weitwanderweg "Hebridean Way" geschaffen. Die Hauptinseln sind inzwischen meist durch Dämme, sogenannte causeways, miteinander verbunden. Nur an zwei Stellen bleibt die Überfahrt mit Fähren nötig. Zum einen von Barra nach Eriskay durch den Sound of Barra, zum anderen von Berneray nach Harris durch den Sound of Harris.
Bislang ist mir keine auf deutsch erschienene Publikation zum Hebridean Way bekannt. Im Cicerone-Verlag auf englisch erschienen ist dazu aber der Führer "Walking the Hebridean Way" von Richard Barrett.
 
19.03.2023
 
Bereits die Anreise ist ein Erlebnis, beginnend mit einer Zugfahrt von Glasgow nach Oban. In Glasgow bin ich inzwischen schon mehrfach die Uferpromendade des River Clyde hoch- und runtergeschlendert. Ab Dumbarton führt die Zugstrecke entlang dessen immensen Mündungsfjordes. Fantastische Szenerien aus Bergketten und Seen (gäl.:Loch) folgen dann auf Tarbert zu. Täler (gäl.: Glen), Wassserfälle, weltvergessene Highland-Nester, Haltepunkte irgendwo im Nirgendwo. Das adrette Küstenstädtchen Orban gefällt mir auch bei inzwischen eingetrübter Witterung. 
 
20.03.2020
Die Fähre nach Castlebay, dem Hauptort der Insel Barra gäl.:Barraigh,) geht erst gegen 11 und ist satte 5 Stunden bei schwerer See unterwegs. Genug für mich, um dabei halb seekrank zu werden. Bei der Einfahrt in den Hafen fällt die mitten im Wasser stehende Burgruine desMcNeil-Clans pittoresk ins Auge. 
Es war mir nicht gelungen, vorab in Castlebay eine Übernachtung zu buchen. Schlussendlich kann ich froh sein, im glücklicherweise gerade öffnende Craigard-Hotel für satte 100 Pfund incl. Frühstück unterzukommen. Ich nehm´s gelassen, werde diesen Preis sicher noch die kommenden Tage mit Biwakübernachtungen kompensieren - gezwungenermaßen, denn im Monat März reise ich noch außerhalb der Saison durch eine ohnehin touristisch nur mäßig erschlossene Region. Im Übrigen habe ich meinen Aufenthalt im Craigard in aussichtsreicher Lage hoch über Hafen und Bucht genossen. Das Personal war überaus nett, und der nicht alltägliche Seeteufel (engl.: monkfish)  zum Dinner kam deliziös   – zubereitet nach Aussage des Besitzers auf dem Campingkocher, da der neue Herd noch nicht angeschlossen sei.
 
21.03.2023
Heute kann es also endlich losgehen. Um 10 Uhr morgens entlässt mich der Busfahrer an der Community-Hall auf der Insel Vatersay. Hier ist der offizielle Startpunkt für die 247 km des Hebridean Way. Gleich zu Beginn lasse ich mich hinreissen zu einen weglosen Abstecher in den Sattel (gäl.: Bealach) zwischen Heiseabhal Beag und dessen unbenannten östlichen Nachbarn. Die von dort aus sichtbaren vier Bishop´s Isles sind allesamt unbewohnt und bilden die südlichsten Inselsatelliten der Western Isles, wie die Äußeren Hebriden auch noch genannt werden. „Nice between the showers“ lautete der Kommentar einer Einheimischen, die mir bei den Behausungen neben dem Causeway begegnet. Sunny spells und feinster Sprühregen wechseln zeitenweise im 10-Minuten-Takt. Der sehr kräftige Wind bläst mich in den niederschlagsfreien Phasen sofort wieder trocken. Gerade mal 1 ½ Stunden habe ich nun auf der Insel Vatersay zugebracht, und schon bin ich wieder zurück auf Barra. Mit Vatersay lasse ich sattgrüne Wiesen und die ersten schneeweißen Strände hinter mir. Auf Barra werde ich bald schon in eine bergige Moorlandschaft hinaufgeschickt. Eindrückliche Blicke auf Buchten und Inseln eröffnen sich im Anstieg, und nach Durchschreiten eines Sattels geht´s hinab zu einem völlig einsamen Küstenabschnitt am offenen Atlantik. Ich passiere den Loch na Doirlinn, sowie die Ortschaften Borve und Craigston, bis der Weg abermals ins Moor führt, jetzt mit mehr Orientierungsproblematik, als zuvor. Und so kommt es, dass ich mir zu bereits fortgeschrittener Stunde auf dem Weg zum Lochan na  Cartach einen fatalen Verhauer leiste. Da ich meinen Fehler nicht gleich merke, gehe ich lange Zeit in die falsche Richtung und muss mir anschließend erst einmal darüber klar werden, was passiert ist, und wo ich denn jetzt überhaupt bin. Mein Plan war, heute auf jeden Fall den Ferryterminal in Ardmhor zu erreichen, und zwar noch bei Tageslicht. Die BBC- Wettervorhersage mit „heavy rains and strong winds“  habe ich im Hinterkopf, und tatsächlich sind die Winde inzwischen zunehmend stärker, und auch die Niederschläge intensiver und länger anhaltend geworden. 
Es dämmert bereits, und ich noch unterwegs auf der Straße nahe Bogach, wie ich inzwischen herausgefunden habe. Jetzt alles entlang der Straße weiter, und zwar mit Tempo. Doch die Kilometer bzw. Meilen ziehen sich. Es wird dunkel, und der Sturm ist da. Mir wird klar, ich werde unter den jetzigen Umständen mein Zelt nicht mehr aufgebaut bekommen. Ich muss alles auf eine Karte setzen, nämlich dass am Ferryterminal ein offener Warteraum vorzufinden ist. Soaked to he bones, so komme ich dort an, und dem Himmel sei Dank, ich habe Glück, die Tür ist offen. Eine ebenfalls klatschnass gewordene Long-Distance-Radlerin hat sich dort bereits eingerichtet. 18 Stunden werden wir in diesem Warteraum zubringen. Für uns  ein Hort der Sicherheit und Geborgenheit, denn draußen wird nachts ein Wohnwagen von einer Böe umgeblasen, wie wir anderntags vom Fährpersonal erfahren sollen. Nicht auszudenken, ich mit meinem Zelt …
22.03.2023
Inzwischen ist es Nachmittag geworden, Die horizontal über den Anlegeplatz peitschenden Regenergüsse lassen nach, mehr und mehr setzt sich die Sonne durch. Ein Regenbogen spannt sich über die Bay.  Es stürmt zwar weiterhin, aber lange nicht mehr so heftig, wie zuvor noch in den Morgenstunden. Derweil ist die Nachricht raus, dass die Fähre um 15.45 definitiv fahren wird, nachdem die drei vorigen wegen des Sturmes storniert worden waren. Somit werde ich von jetzt an eine volle Tagesetappe hinter meinem Zeitplan zurück sein.
Die Überfahrt über den Sound of Barra ist nach 40 Minuten beendet. Unverzüglich wandere ich los. Am Sandstrand linkerhand soll Bonnie Prince Charlie einst gelandet sein. Beginn also der großen Geschichte um einen verlorenen Feldzug und um die Nationalheldin Flora McDonald. Das Pub An Politician liegt am Weg. Der Name rührt von einer Legende um eine geflohene NS-Größe und um verstecktes "Nazi-Gold" in Form von Whiskykisten. Nebenan versorge ich mich noch kurz in einem kleinen Shop, bevor ich Eriskay nach bereits einer Stunde über den Causeway wieder verlasse. Jetzt bin ich auf South Uist, auf schöner Wanderung entlang der Küste mit Blick zurück nach Eriskay, wo massig der Beinn Sgiathan (186 m) aufragt. Wundervoll leuchtet die Abendsonne, der Wind ist aber immer noch kräftig. Der Campingplatz in West Kilbride hat zu meiner Überraschung schon geöffnet. Ein guter Platz, und ich kann kochen und mich waschen.
23.03.2023
Ich starte zunächst  in einen sonnigen Tag. Der Gang entlang der Westküste von South Uist ist möglcherweise die längste zusammenhängende Flachetappe aller schottischen National Trails. Die Insel ist jedoch nur im Westen flach, im Osten erheben sich Bergketten und fürs Auge wird es nicht nur wegen der ausgedehnten, weißen, völlig einsamen Sandstrände, sondern auch wegen des Blickfanges der Bergkette im Osten nie langweilig. Außerdem lerne ich die Machair kennen, das hinter Strand und Dünen beginnende bewirtschaftete maritime Grasland, welches angeblich mit Seetang gedüngt wird. Vielleicht rührt daher dieser permanente, penetrante Gestank nach Schwefel, der das Aroma der Meeresluft leider übertüncht. Der Hebridean Way kann in dem Bereich entweder etwas mühsam auf den meist grasbewachsenen Dünen im stetigen Auf und Ab, oder aber entlang der Strände begangen werden. Am zügigsten komme ich bei Ebbe auf den vom Wasser vorübergehend freigegebenen Sandpartien vorwärts. Der feuchte Sand ist gut gesetzt und trägt. Das Gepfeife und Gekreische der Seevögel ist allgegenwärtig.  Ortschaften passiere ich meist nur an deren Rand, sie befinden sich fast ausschließlich etwas vom Meer zurückversetzt und verlaufen auffällig geradlinig. Die Häuser sind schlicht und von keiner sonderlichen Attraktion. Wirklich idyllische Hafenorte wird man auf den Äußeren Hebriden generell kaum finden. Landwirtschaft und Fischfang scheinen sich hier aber für den Lebensunterhalt zu vereinigen.
Kurz vor Howmore erreiche ich eine Brücke an einer tief und schmal ins Festland einschneidenden Bucht. Bun na Feathlach, so heißt die Mündung des Howmore Rivers, ein herrliches Plätzchen gar mit Picknickbänkchen. Rasch ist hier das Zelt aufgebaut. Als ich hinter der Brücke Wasser schöpfen will, stelle ich fest, dass wohl bedingt durch die aktuelle Flut nicht der Fluss ins Meer, sondern das Meer in den Fluss bzw. in den hinter der Brücke befindlichen Lochan hineinfließt. Ich verwende das Wasser dennoch zum Kochen. Meine Trekkingmahlzeit schmeckt danach furchtbar versalzen. Ich schaufle das Zeugs lustlos in mich hinein, denn schließlich brauche ich Energie für den nächsten Tag.
24.03.2023
Bevor ich South Uist verlasse, zeigt mir der Hebridean Way ein anderes Gesicht der Insel,  indem er etwas nach Osten landeinwärts schwenkt.  Zwischen Strand und Machair im Westen und den Bergen im Osten fügen sich weit ausgedehnte Moorgebiete. Das erste Moor steht unter Naturschutz, und das zurecht. Die sumpfige Einöde wellt sich düster unter tiefgrau hereinziehenden Wolken, aus dunklen Seeaugen ragen Inseln, Inselchen und Landzungen. Im stetigen Wechsel ändern einfallende Sonnenstahlen Licht und Farben. Zwei Stunden nach meinem morgendlichen Aufbruch komme ich an ein Bänkchen auf einer Erhöhung mitten im Moor. Der ideale Platz für mein bis dahin aufgeschobenes Frühstück. Dazusitzen, einen heißen Kaffee zu schlüfen und die Blicke über diese großartige Wildnis schweifen zu lassen, das ist doch wahrlich ein Segen!
 Das nächstfolgende Moorgebiet ist zwar nicht mehr ganz so eindrucksvoll, doch auch dort hat es Seen, die angeblich auch gerne von Anglern aufgesucht werden. Schließlich lasse ich die Moore hinter mir, und zur Visite bei der 9 m hohen Statue "Our Lady of the Isles" geht es tatsächlich mal wieder bergan. Die Aussicht über Land, Meer, Seen, Buchten und im Flachland verstreuten Häuschen ist von dort aus  atemberaubend. Auch der causeway  zur Nachbarinsel Benbecula ist zu sehen.
 Auf Benbecula komme ich nach langer und genussvoller Strandwanderung bei Baile nan Cailleach zum für mich idealen Nächtigungsort.  Ein Picknickbänkchen auf den grasigen Dünen, abgehoben über dem Meer. Tosend rollen die Wellen unten auf den Strand, die Sonne ertrinkt in wenigen Augenblicken im offenen Atlantik. "You´re lucky", so der Kommentar zweier Abendspaziergänger aus dem nahen Dorf. Wohl wahr ... :-)
25.03.2023
Maximales Panorama bei minimaler Höhe - das trifft auf den Gipfel des Ruabhal (128 m) voll und ganz zu, den ich, nach geraumer Zeit auf Teer gegangen und wieder zurück im Moor, vom Ufer des Loch Bà Una her erreiche. Der Abstieg geht nach Norden, das muss man wissen, denn dort finden sich weder Pfadspuren noch Markierungspfähle. Auf die ersten Marker stoße ich erst wieder unten am Bergfuß. 
Der längste Causeway meiner Wanderung zieht sich satte 8 km und berührt dabei auch die Insel Grimsay. Des Asphaltes noch nicht genug, geht es, jetzt auf der Insel North Uist angekommen, vorerst weiterhin entlang der stark befahrenen A 865, ehe der offizielle Weg endlich ins Moor einbiegt. Vesperpause dort auf einem prähistorischen "Chambered Cairn".  Alternativ kann man auch Richard Barretts Beschreibung folgen und einen Abstecher  zum historisch bedeutenden Teampull na Trionaid (Dreifaltigkeitskirche, 13. Jhdt.) unternehmen. Die Wiederzusammenführung der Routen sorgt bei mir zunächst für etwas Verwirrung, sodaß sich der vermeintliche Zeitgewinn mit Verbleiben auf der Originalroute rasch wieder eliminiert. Es geht schließlich weiter durchs Moor, gespickt mit Seen und von Wasserläufen durchschlängelt. Loch Euphort mit seiner aufgegebenen "Fishing station" scheint mir ein verwunschener Ort, von düsterer, trauriger Schönheit. In der Ferne erheben sich schroffe Berge.
Nach dem noch geschlossenen Hotel bei Langais steigt der Weg wieder an und es können unterwegs einige aus dem Moor ragende Menhire bestaunt werden. Auf den Äußeren Hebriden ist es Normalität, ständig im offenen, wind- und wetterausgesetzten Gelände unterwegs zu sein. Bäume, oder gar Wälder gibt es fast gar keine. Auch Schutzhütten und Unterstände scheinen unbekannt. Die Langass Woods Plantation ist der erste Forststreifen auf meiner Wanderung. Den ganzen Tag über war es stark bewöklt und stark und auskühlend ´ist auch der unentwegte Wind. So ist es geradezu ein Segen,  am Waldrand ein halboffenes Hüttchen vorzufinden. Langsam neigt sich der Tag nämlich seinem Ende zu, und das unendlich scheinende Moorgelände vor und hinter mir wäre zum Zelten denkbar ungeeignet. Jetzt  bin ich froh, windgeschützt kochen, essen und schlafen zu können. Nebenbei macht auch die Aussicht übers weite Moorgebiet hinweg was her.
26.03.2023
Bis auf einen scheppernden Türflügel (das passende Gegenstück lag neben der Hütte am Boden zerstört) war es eine angenehme Nacht. Parallel zur neuen Straße komme ich auf der alten, jetzt verkehrsfreien Strecke zügig voran. Links und rechts Moor bis zum Horizont. Hier wird im größeren Stil Torf abgebaut. Überall finden sich riesige, verpackte Torfballen, Ausstiche und Schubkarren. Nach 8 km treffe ich in Lochmaddy ein. Der straffe Nordwind ist heute bissiger, als am Vortag. Ein Sonne-Wolken-Mix zaubert bizarre Lichtstimmungen bei trockener Witterung. Auch heute werden wieder eindrucksvolle Moorgebiete durchwatet. Glanzpunkt der Etappe ist die Aussicht vom Beinn Mhòr (190 m). Ein atemberaubendes Gewirr von Seen und moorigen Landbrücken weitet sich vor meinen Augen. Kaum zu glauben, dass ich zuvor dort unbehelligt durchgewandert bin. Der Hebridean Way geht übrigens knapp unterhalb des eigentlichen Gipfels vorbei. Dieser ist aber vom Weg aus in nur wenigen Minuten erreichbar.
Bereits um 14.30 komme ich am Fährterminal auf der Insel Berneray an. Auf eine Aufholjagd habe ich mich allerdings zu früh gefreut, denn heute geht keine Fähre mehr. Ein guter Anlass dann, die schöne Insel näher zu inspizieren, die vom Hebridean Way sonst nur als Sprungbrett für die Fährverbindung über den Sound of Harris benutzt wird. Gut 3 1/2 Stunden lang wandere ich auf Berneray umher, ehe ich wieder zum Terminal zurückkehre. Ich nutze die Gelegenheit, dass der Warteraum nicht abgeschlossen ist und richte mich drinnen zur Übernachtung ein.
27.03.2023
Nachts fällt das Thermometer unter Null. Um 7.25h geht die Fähre, ab sofort Sommerzeit. Um 8.30 genehmige ich mir einen Imbiss  am Fährhafen von Leverburgh auf der Insel Harris. Hinein in den Ort dann zum Einkaufen und gleich weiter ins noch von Eisspiegeln durchzogene Moor. Anstieg auf einen Pass mit einer sensationellen Aussicht auf Northton Beach, dahinter der Berg Ceapabhal. Wie heutzutage noch am Strand nordwestlich von Ardmhor auf der Insel Barra, landeten auch hier früher Linienflugzeuge. Bei den Dimensionen des Strandes gut vorstellbar. Auf dem Strand weiter bis Scarista, danach einmal mehr ins Moor. In diesem etwas ansteigend, mit weiten Aussichten, aber orientierungsmäßig einigermaßen anspruchsvoll. Es wird zunächst einer überwachsenen, ewig langen Mauer gefolgt, die sich irgendwann jedoch im Gelände verliert. Ich stakse durch weglosen Sumpf um den Berg herum und steige hinab ins Tal des Horgabost Township, welches mir geradezu aus einem keltischen Märchenbuch entsprungen zu sein scheint. Bald schon überblicke ich einen weiteren riesigen Sandstrand, dahinter vor dem offenen Atlantik schützende Inseln. Dann geht es landeinwärts, entlang der Coffin Road, auf der einst die Särge der  von der fruchtbaren Westküste vertriebenen Crofters nach ihrem Ableben in ihre alte Heimat zurückverbracht wurden. Ich gehe die "Sargstraße", umgekehrt, ergo zurück ins Leben :-)! Mit Müh und Not finde ich kurz vor der Dämmerung einen akzeptablen Zeltplatz unter einer felsigen Ausbuchtung mitten im Moor. Ein Beispiel dafür, wie aus einem zunächst skeptisch beäugten, improvisierten Biwakplatz rasch ein gemütlicher und idyllischer Nächtigungsort wird. Die von den ständigen Moorbegehungen permanent nassen Füße nerven aber langsam. Doch soll das noch harmlos sein im Vergleich dazu, was folgen wird ...
28.03.2023
Ein Einheimischer hatte es mir bereits propheizeit. Schon am frühen Morgen ist der Himmel grau bedeckt, und es ist wieder etwas milder geworden. Regen steht bevor. Die Ostküste von Harris nennt man auch die Bays. Keine Insel weist ein derartiges Bergprofil auf, wie Harris. Die Ostküste ist steil und zerrissen, bildet unzählige Buchten (Bays) und ist von hohem landschaftlichem Reiz. Für die während der Highland-Clearances hierher vertriebenen Crofters war es allerdings ein Fluch, in diesem kargen und landwirtschaftlich wertlosen Landstrich das Leben fristen zu müssen. 
Der mit teils heftigen Windböen herangetragene ozeanische Sprühregen hat inzwischen ganze Arbeit an mir geleistet. Ich erhoffe mir in Tarbert, einer der wenigen größeren Ortschaften am Weg und überhaupt auf den Inseln, eine kleine Erholung, etwa ein Mittagessen im Warmen und Trockenen. Doch auch hier der Fluch der Nebensaison. Immerhin, im Hotel "Harris", einem Anwesen im feudalen Landhausstil, bekomme ich einen wohltuenden Kaffee, dazu ein Hefegebäck mit Marmelade und Butter. Die kurze Zeit des Aufwärmens und der kleine Imbiss verleihen mir wieder Energie und Enthusiasmus, sodaß die Wegfortsetzung trotz der Witterungsumstände wieder Freude macht. Entlang des Ufers des Lochannan Lacasdail, dann wieder einen Pass hinauf. Ich bin jetzt ganz nah am An Cliseam (799 m), dem höchsten Berg der Äußeren Hebriden.  Leider sehe ich nur den Bergsaum, der Gipfel steckt in den Wolken. Die Gegend bleibt dennoch faszinierend,  ist von schäumenden Bergbächen durchzogen, Wasserfälle rauschen. Derweil ist es wieder spät geworden und ich habe immer noch keinen geeigneten Zeltplatz am Weg ausgemacht. Als ich auf die A 859 treffe, komme ich  zu einem Parkplatz "View Point". Ich zögere nich lange, doch der Zeltaufbau bei Sturmwind und Regen wird zum Fluch. Nach langem Hin und Her und schierer Verzweiflung steht endlich mein Zelt, der einzige Hort, der mir unter diesen Umständen Zuflucht bieten kann. Meine Klamotten sind klatschnass, und auch der Schlafsack hat schon etwas abbekommen. Ich krame meine gottseidank trocken gebliebene Ersatz-Funktionsunterwäsche hervor und kuschle mich in den wenigstens innen noch trockenen Schlafsack. Aufs Kochen verzichte ich, hier oben gibt es ohnehin kein Wasser. Die großartige Lage meines Zeltplatzes hoch über einem eindrucksvollen Fjord entgeht mir unter diesen Umständen völlig,
 
29.03.2023
Auch das Aufstehen anderntags ist nicht lustig, schließlich muss ich aus der trockenen wieder zurück in die nasse Wäsche. Zum Lagerabbau warte ich eine kurze Regenpause ab. Ist aber erst mal der Rucksack geschultert, ist es eigentlich wieder ganz ok. Ärgerlich dann, dass ich zweimal die Markierung verliere und somit unnötig lange der Straße folgen muss, wenngleich die Aussicht über die riesigen Buchten auch von dort aus enorm sind. Da ich gestern nicht zum Kochen gekommen war, habe ich noch eine Trekking-Mahlzeit gut. Doch wo kochen, wo Wind und gischtende Regenschauer allgegenwärtig sind?
 Der Gipfel Griamacleit (155 m) wird erkommen. In diesem Bereich kommt mir einer der seltenen Fichtenhaine zur Hilfe. Der Regen scheint soeben eine Pause einlegen zu wollen, und meine Idee, mich in den dicht gewachsenen Wald zurückzuziehen, um einen halbwegs guten Windschutz zu haben, funktioniert. Zudem gibt es hier im Wald auch wieder schafskotfreies Moorwasser. Wieder gestärkt und innerlich aufgewärmt geht es weiter. Auf dem Hebridean Way wechseln wilde Moorstaksereien oft mit Versatzstücken entlang von Fahrwegen oder Teerstraßen. Ich bin normalerweise beim Wandern kein Freund von Asphalt, doch hier sind mir diese Abschnitte oft nicht unwillkommen. Es kann endlich wieder mal zügig vorangeschritten werden, und die dauerhaft nassen Füsse bleiben vorübergehend von neuen Wassernachschüben verschont. Insofern ungewöhnlich die folgende Moorsequenz, die nach skandinavischem Vorbild über gut ausgebaute Holzstege geleitet. Leider ist das nicht von Dauer, und bald schon finde ich mich wieder auf einem der weitaus üblicheren  "raised turf ways" wieder. Die Route folgt oft entlang unglaublich wasserreicher Bäche mit rauschenden Stromschnellen und Kaskaden. 
Ziemlich erschöpft finde ich in der fortgeschrittenen Dämmerung ein halbwegs geeignetes Stück durchnässter, aber flacher Schafswiese zwischen den Mooren, wiederum ohne brauchbares Wasser, denn ringsherum ist alles zugekackt. Die Schafe scheinen mich beim Aufbauen des Zeltes ungläubig anzustarren. Diese Nacht wird jetzt wirklich übel, denn inzwischen ist der Schlafsack auch innen nass. Die erste Nachthälfte finde ich keinen Schlaf und zittere regelrecht als nasser Sack im nassen Sack. Irgendwann scheint die Nässe um mich herum meine Körpertemperatur angenommen zu haben. Es wird halbwegs warm und ich kann endlich etwas schlafen.
30.03.2023
Harris und Lewis sind die beiden nördlichsten bewohnten Inseln der Outer Hebrides. Kurioserweise bilden sie eine gemeinsame Landmasse, aber dennoch wird darauf bestanden, dass es sich um zwei separate Inseln handeln soll. Wie dem auch sei, den Übergang von Harris nach Lewis hatte ich gestern nachmittag schon vollzogen. Der heutige Tag ist zu meinem Glück wieder trocken und mehrheitlich sonnig. 
Ich habe mein Vorhaben noch nicht verworfen, den gesamten Weg bis Stornoway zu machen. Nur, dazu muss ich heute dran bleiben und  darf mir keine Verhauer leisten. Es dauert aber eigentlich schon viel zu lange, bis ich endlich in Laxay eintreffe. Dort beginnt die letzte Tagesetappe gemäß Richard Barrett´s Einteilung. Kurz nach dem Einstieg vom Ort aus ins Moor scheint mir ein selten blöd gesetzter Markierungspfosten alles zu vermasseln. Querfeldein möchte ich den richtigen Weg erreichen, über diesen nach Laxay zurückkehren, und schauen, dass ich einen Bus oder eine Mitfahrgelegenheit nach Stornoway bekomme. Als ich den Weg tatsächlich  finde, gehe ich einfach weiter, dabei  nicht unbedingt der Vernunft gehorchend. Die Fortsetzung der Moordurchquerung verläuft dann aber ohne weitere Zwischenfälle. 
Achamore ist eine der wenigen Ortschaften auf Lewis, die sich gänzlich im Landesinneren befinden. Von dort aus verbleiben noch 14 km bis Stornoway, 11 davon auf einem schmalen Teersträßchen, wenngleich kaum befahren und landschaftlich auch nicht unschön. Jedoch, die permanent nassen Füße haben Blasen abbekommen, was mir sonst selten passiert. Das Gehen auf der Straße erscheint mir als ein einziger Schmerz. Dennoch weigere ich mich weiterhin beharrlich, bei den wenigen passierenden Autos den Daumen hinauszuhalten. Bis schließlich ein Wohnmobil neben mir die Geschwindigkeit drosselt. Ich komme nicht umhin, den Fahrer um einen "lift to Stornoway" zu bitten. Der Mann willigt ein, ein Engländer, Typ Alpthippie, der sich in der Nähe auf eine Cottage zurückgezogen hat. 7 km wären noch verblieben, und wenn ich mir aus dem Rolling Mobile heraus ansehe, wie lange sich das noch gezogen hätte, in den Außenbereichen von Stornoway dann auch verkehrsreich und wenig attraktiv, dann bin ich gottfroh über meinen Transfer. Auch meinem englischen Freund war es eine Freude, er war selbst öfter schon in Deutschland.
So komme ich dann auch noch bei Tageslicht im Zentrum von Stornoway an. Dort finde ich herzliche Aufnahme in einem Hostel, und nach der überfälligen Dusche bekomme ich im benachbarten Hotelrestaurant  auch einen anständigen Happen zu Essen. Ich bestelle haddock & chips, den Klassiker. 
01.04.2023
Das Hafenstädtchen Stornoway gefällt, doch es bleibt leider keine Zeit. Die erste Fähre geht bereits um 7.25. Die Rückfahrt nach Glasgow ist lang, und eine zweite Option würde mich erst in der Dunkelheit dort eintreffen lassen. Nach 3 1/2 Stunden Überfahrt legen wir in Ullapool an. Der nette Küstenort ist mir von meiner Cape-Wrath-Tour her bekannt. Die lange Rückreise wird Genuss und dient zur Rekonvaleszenz meiner geschundenen Füsse. Erneut geht die Fahrt durch traumhaft schöne Highland-Landschaften, allerdings auf einer völlig anderen Route, als auf der Anreise. Am späten Nachmittag treffe ich in Glasgow ein. Gestern auf meinen letzten Schritten Richtung Stornoway rechnete ich noch damit, sicher für eine Woche nur noch beschränkt gehfähig zu sein. Interessanterweise habe ich mich bereits während der Rückfahrt gut erholt und ich freue mich auf  ein paar schöne Stunden im quirligen Glasgow.
 
Tips für die Organisation für eine selbständige Trekkingtour auf dem Hebridean Way:
Wie mein Bericht schon zeigt, bedingen ganzjährig hohe Niederschlagswerte und hohe Windfrequenz eine ausgezeichnete Wasser- und Windfestigkeit sowohl der Kleidung, als auch der Ausrüstung.
In der Hauptsaison zwischen Ostern und etwa Oktober könnte theoretisch auf die Mitnahme eines Zeltes verzichtet werden. Dann wird aber eine akribische Etappenplanung nötig, wennmöglich mit Vorreservierungen der Unterkünfte.
Einkaufsmöglichkeiten bestehen einigermaßen regelmäßig, aber nicht immer. D.h., auch dabei ist die Übersicht darüber zu wahren, wann die nächste Versorgungsmöglichkeit zu erwarten ist. Die Läden sind meist klein, bieten aber so ziemlich alles zu einer guten Grundversorgung Nötige. Zudem sind die in Großbritannien außerhalb der großen Städte üblichen Öffnungszeiten zu beachten. Im speziellen Falle der religiös immer noch sehr streng ausgerichteten Inseln Harris und Lewis gilt es zu beachten, dass an Sonntagen dort fast alles geschlossen hat.
Wasserversorgung: wer ohne Entkeimungsmittel unterwegs ist, hat aufgrund der weitverbreiteten Schafzucht oft nicht die Garantie von gutem Trinkwasser. Recht zuverlässig sind die Moorpassagen, wo sich Schafe fast nie aufhalten. Ansonsten hilft abkochen.
In den wärmeren Jahreszeiten ist die Belästigung durch Millarden von Stechfliegen zu beachten.
Leichte Wanderschuhe eignen sich bestens für die Streckenabschnitte auf harter Unterlage, häufig Teer. Bei den Moordurchquerungen wird man allerdings mit diesem Schuhwerk trotz Gamaschen um dauerhaft nasse Füsse nicht herumkommen.  Darum, wer´s fassen kann, der soll: zusätzlich Gummistiefel wären die ideale Wahl.
Der im Cicerone-Verlag auf englisch erschienene Führer "Walking the Hebridean Way" von Richard Barrett ist meiner Meinung nach als Reisebegleiter unabdinglich. Neben durchgehenden Wegbeschreibungen und Kartenausschnitten findet der Wanderer allerlei weitere Tips, wie Bus- und Fährverbindungen, empfehlenswerte Etappeneinteilungen, Tips zur Vorbereitung und allerlei Hinweise auf kulturelle und natürliche Sehenswürdigkeiten am Weg. 
Wenn man sich unterwegs keinen Verhauer leistet, der ins Abseits der jeweiligen Kartenausschnitte führt, reicht das Buch mit den darin enthaltenen Karten. Ansonsten müsste eine beträchtliche Anzahl an OS-Ranger-Karten besorgt werden, die das Rucksackgewicht belasten würden. Oder man scheut sich nicht, Richard Barrett´s Vorschlag zu folgen, und die Karten an die jeweiligen Orte per Post zu Abholung vorauszuschicken ...

Tourengänger: Günter Joos (gringo)


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