Teyuna - verlorene Stadt im Regenwald


Publiziert von Günter Joos (gringo) , 1. Juli 2020 um 17:14.

Region: Welt » Kolumbien » Magdalena
Tour Datum: 5 Januar 2020
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CO 
Zeitbedarf: 4 Tage
Strecke:56
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von der Küstenstadt Santa Marta in 2-3 Std. zum Ausgangspunkt Machete Pelao. Gute Asphaltstraßen, zum Schluss Piste.
Unterkunftmöglichkeiten:Die Ferienregion von Santa Marta und Nationalpark Tayrona bieten alle erdenklichen Unterkunftsmöglichkeiten.

Ausgerechnet Grabräuber waren es, die 1975 in den Tiefen des Regenwaldes der Sierra Nevada de Santa Marta die Ruinen einer präkolumbianischen Stadt entdeckten. Teyuna, die verlorene Stadt  (span.: Ciudad Perdida),  und wenn man so will, das Macchu Picchu Kolumbiens.  Auf den Fuß folgten Drogenhändler, die auf den Terrassen der einstigen Tairona-Stadt Coca und Marihuana anbauten, gleichwohl diente die Sierra den Guerillas der FARC, als auch den Paramilitares als Rückzugsgebiet. Vieles geschah wohl in dieser Zeit auf Kosten der indigenen Bevölkerung. Die Stämme der Kogi, Wiwa, Asario und Arhuaco gehören dennoch bis zum heutigen Tag zu den am wenigsten akkulturierten Ethnien Kolumbiens. Inzwischen haben sie auch ihre Rechte zuerkannt bekommen, scheinen wieder Herren über ihre eigenen Ländereien. So gelten die beiden höchsten Gipfel Kolumbiens,   Pico Colón und Pico Bolívar (beide 5775 m) als indigene Heiligtümer und sind zur Besteigung verboten. Generell ist der Zutritt in die inneren Gebiete der Sierra Nevada de Santa Marta für Touristen und auch sonstige Personen, mit Ausnahme der Militärs,  verboten. Die Trekkingtour zur Ciudad Perdida ist derzeit die einzige Möglichkeit, sich auf eine mehrtägige Exkursion in dieses Gebiet zu begeben, und das inzwischen nur noch über eine Route, ein zweiter Weg wurde vor Kurzem geschlossen. Die indigene Bevölkerung verfügt inzwischen darüber, wo und wieviele Touristen ihr Land betreten dürfen. Derzeit sind es vier in Santa Marta ansässige Agenturen, welche Touristen die Wanderung zur Verlorenen Stadt ermöglichen. Alle vier Agenturen arbeiten entweder eng mit den Indigenas zusammen, oder werden gar von diesen selbst betrieben. Nur mit einer dieser Agenturen ist ein geführtes Gruppentrekking möglich. Individuelles Trekking ist verboten.
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Mit freudigen, aber bezüglich einer zu erwartenden Pauschal-Touriveranstaltung  auch verhaltenen Erwartungen (wir kommen frisch von unserer selbst inszenierten Besteigung des 5000ers Nevado del Tolima) finden Vladi und ich uns im Büro der „Baquianos“ in Santa Marta ein. Zur Auswahl stehen eine Vier- und eine Sechstagesvariante, beides übrigens zum gleichen Preis von 350 $. Wir entscheiden uns für die viertägige, wollen es ein wenig sportlich haben und gewonnene Zeit in weitere Ziele unserer Kolumbienreise investieren, zumal die Gesamtlänge des Trekkings  28 km hin und dieselbe Distanz zurück auf 6 Tage für unsere Verhältnisse allzu kurze Etappen erahnen lässt. 

05.01.2020: Anfahrt von Santa Marta zum Ausgangspunkt Mamey (140 m), auch Machete Pelao genannt. Ein Mittagessen im Dorfrestaurant, dann geht es los, anfänglich durch Kulturland,  vorerst schattenlos in praller Mittagshitze. Erst gegen Ende des Wandertages erbarmt sich Wolkenaufzug unser. Das erste Camp Adán wird klatschnass geschwitzt erreicht. Unsere Befürchtung,  daß das Regenwaldtrekking zu einem besseren Spaziergang verkümmern könnte, sind zerstreut. Vladi und ich sind altersmäßig die beiden Grandies in unserer internationalen Gruppe,  und besonders die amerikanische Fraktion legte heute ein ambitioniertes Wandertempo vor. Beginnend bei 140 m Seehöhe enden wir bei gerade mal 400 m, doch die Summe der Höhenmeter erreichte in ständigem Auf und Ab eine beträchtliche Bilanz. 
Über einen Bach hinweg führt eine Hängebrücke nach Adán, einem Ort wie Albert Schweizers Dschungelstation. Einsam ist es hier allerdings nicht. Viele, viele Gruppen kommen hier unter, jede Gruppe belegt einen eigenen Trakt. Geschlafen wird in mit Mückennetzen umspannten Kojen. Nach der Einquartierung wird uns ein paradiesischer Badeplatz am Fluß gezeigt. Ein Wasserfall stürzt hier tosend in eine Gumpe ... und mit vergnüglichem Geschrei stürzen auch wir uns dort hinein! 

Nach dem Abendessen folgen Erläuterungen über das heute durchwanderte Gebiet, vom Beginn der Urbarmachung über die Zeiten von Coca- und Marihuanaanbau bis jetzt. Coca und Marihuana sind inzwischen weitgehend anderen Feldfrüchten gewichen, die Cocapflanze spielt allerdings immer noch eine gewichtige Rolle in der Kultur der Indigenas. So werden z.B. beim Treffen zweier Personen zum Gruß je ein Cocablatt ausgetascht. Überhaupt spielt diese Pflanze eine gewichtige Rolle  in der indigenen Kultur, etwa  im Zusammenhang mit der sogenannten Popora. 
Es ist Schlafenszeit, langsam kehrt Ruhe ein im Lager. Bald höre ich nur noch das Quaken von Fröschen im nahen Fluß, das Zirpen von Zikaden, aber auch weniger einfach zu definierende Laute - wundersam ist eine Nacht im tropischen Regenwald ...

06.01.2020: Um 5 wird geweckt, um 6 bereits gewandert.  Im stetigem Auf und Ab schlängelt sich der Pfad durch wunderbaren Regenwald. Zwischen sattem Grün gedeihen alle möglichen bunten Gewächse. Unser flotter Urwaldläufertrupp erreicht das Camp "Wiwa" (375 m) bereits um 8.15 h. Hier ist eine lange Pause vorgesehen. Auch in Wiwa erwartet uns eine erfrischende Badegumpe am Fluß. Nach dem Mittagessen wird gegen 11.30 h weitergewandert. Wir passieren ein "Pueblo indígena". Es wird uns erklärt, dass dieses Dorf nur für wichtige Anlässe und Versammlungen von den ansonsten weit in der Sierra verstreut lebenden Kogí aufgesucht wird. Immer wieder treffen wir jetzt auf indigene Menschen, deren eigentliches Land wir erst heute betreten haben. Sie zeigen sich uns Fremden gegenüber eher scheu und zurückhaltend.

Die Wanderung  hinauf ins Campamento "Paraíso" ist fantastisch - üppig wuchernder Regenwald, der schäumende Río Buritaca ... und hin und wieder begegnen wir in weiße Leinen gekleideten, auffallend kleinwüchsigen Einheimischen. Auch das "Paraíso" ist sehr schön gelegen und bietet ebenfalls erfrischende Bademöglichkeiten am Fluss, nur leider ist es hier sehr, sehr voll ...
Aus Mangel an Bettkojen werden Freiwillige für die Übernachtung in Hängematten gesucht. Prompt melden sich hierfür mehr Aspiranten, als nötig. Auch ich gehöre zu den Experimentierfreudigen. Leider sind die hamacas dicht an dicht aufgehängt, sodaß ein Schaukeln oder heftigeres Umdrehen darin die Nachbarn arg inkommodieren würde.

07.01.2020: Unser Camp auf 900 m befindet sich quasi am unteren Ende der "Versunkenen Stadt", jedoch wurde nur der oberste Teil, sozusagen der einstige sakrale Bereich, welcher bei Kulthandlungen von Bedeutung war, freigelegt. Der Aufstieg dorthin ist recht abenteuerlich. 

Zunächst über mehrere gut angelegte Holzstege und entlang solider Drahtseilversicherungen geht es stetig am schäumdenden Rio Buritaca entlang. Zahlreiche Nebenbäche ergießen sich in diesen über kleinere Kaskaden. Für viele Teilnehmer sicher ein Höhepunkt ist die Barfuß-Durchquerung des Buritaca entlang eines Fixseiles. Zum Finale werden 1250 antike Treppenstufen hinauf zum freigelegten Teil der Ciudad Perdida erstiegen. Die grünen Terrassen haben eine faszinierende und durchaus auch magische Ausstrahlung, doch die Gebäude, die einst auf diesen standen, sind allesamt veschwunden. Dennoch gelingt es unserem Führer Hervey, uns ein sehr gutes Bild von der einstigen Stadt zu vermitteln. Es wird uns auch genügend freie Zeit gegeben, auf den wunderschönen Terrassen einfach nur zu entspannen , den zauberhaften Ort und die Aussicht zu genießen. Zur Sicherheit der Touristen wird die Ciudad Perdida übrigens von bewaffneten Militärs bewacht. Auch auf dem Anmarsch begegneten wir immer wieder kleineren Militärtrupps.

Eigentlich hätte man  angesichts des übervollen Campamento Paraíso einen Massenandrang in der archäologischen Anlage erwarten können, doch zeigt sich der Aufenthalt dort  weitaus entspannter, als erwartet. Das liegt zum Einen an der Weitläufigkeit der Anlage und zum Anderen an den zeitlich verschobenen Starts der verschiedenen Gruppen.
Der Wiederabstieg über glitschige, steile Stufen und Pfade wird für manche Teilnehmer zu einer echten Herausforderung. Nach dem Mittagessen wird nach einem strammen Marsch das Lager WiWa gegen 16.30 h erreicht, gerade rechtzeitig vor Niedergang eines heftigen Wolkenbruchs. Der Tropenerguß hält mich jedoch nicht davon ab, zur Badestelle zu spazieren, um dort ein einsames und erquickliches Bad zu nehmen.

Nach dem Abendessen werden wir zu einer kleinen Versammlung einberufen, bei der uns Angehörige der hiesigen WiWa-Community einige interessante Erklärungen und Vorführungen über ihre Traditionen und ihr Handwerk geben. Aha, jetzt kommt´s, denke ich noch - die obligatorische Verkaufsvorstellung. Doch weit gefehlt, es werden uns keinerlei Handycrafts zum Kauf feilgeboten. Ehrlich gesagt, ich bin verblüfft ...
08.01.2020: Rückkehr nach Machete Pelao mit Snackpause in Adán. Bei einem gemeinsamen Mittagessen findet unsere wunderschöne und erlebnisreiche Tour zur Ciudad Perdida ihren Ausklang.

Tips und Anmerkungen: 

Ausrüstung: da in den Tropen und auf geringer Seehöhe, empfiehlt sich luftige Kleidung. Eine Jacke für die Abende reicht. Als Schuhwerk sind leichte Wanderschuhe geeignet, nach starken Regenfällen, und besonders in der Regenzeit sind Gummistiefel sinnvoll. Ansonsten Wasserflasche, Regen- Mücken- und Sonnenschutz.

Tiere: in manchen Köpfen spukt es nur so bei der Vostellung einer Wanderung durch den tropischen Regenwald. Krokodil von vorn, Spinne von oben, Schlange von der Seite ... die Realität sieht anders aus, denn Wildtiere bekommt man kaum zu sehen. Zwar ist auch die äußerst giftige Korallenschlange hier verbreitet, doch das Reptil hat nur einen ganz kleinen Kopf und ist nicht in der Lage, diesen allzu weit nach oben zu recken, weshalb geschlossene Halbschuhe eine ausreichende Präventivmaßnahme sein sollen. Offene Sandalen sind dagegen eine schlechte Wahl. Derartige Unfälle sollen allerdings so gut wie nie vorkommen, zumal von den Guides angeblich auch ein wirksames Antiserum mitgeführt wird. In Internetberichten hatten wir vorab von Bettwanzen gelesen. Wir selbst haben solches Ungemach glücklicherweise nicht erlebt, hatten allerdings für die Übernachtungen leichte Sommerschlafsäcke dabei.

Voraussetzungen: die Route ist geprägt von einem ständigen Auf und Ab, auch auf dem Rückweg sind viele Gegenanstiege zu bewältigen. Eine solide Grundfitness, gute Gesundheit, sowie eine Resistenz gegen Hitze und Nässe sollten mitgebracht werden.

Verhalten gegenüber den Indígenas: wie im Text schon erwähnt, waren wir von der Authentizität der Einheimischen überrascht, das hätten wir in einer touristisch so stark frequentierten Gegend nicht erwartet. Zurückhaltung, respektvolle Höflichkeit, keine Geschenke, kein unerlaubtes Fotografieren!

Unsere Agentur: Die Übersetzung von "Baquianos" lautet in etwa "Führer, Experten". Das mag ich für unsere einheimischen Begleiter gerne unterschreiben. Die vielen eingehenden Erläuterungen auf spanisch, sowie die Wiedergabe unseres Übersetzers auf englisch waren hervorragend und oft tiefgreifend. Auch die Verpflegung fand vollumfänglich unser Gusto.

Tourengänger: Günter Joos (gringo)


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