Kalahari-Gemsbok Park


Publiziert von Delta Pro , 1. Juli 2017 um 07:42.

Region: Welt » Botswana
Tour Datum:21 Juni 2005
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: RB 
Zeitbedarf: 1:30
Aufstieg: 20 m

Ein Erlebnisbericht von der Durchquerung des Kalahari-Gemsbok Parks von Botswana nach Namibia

Der Kalahari-Gemsbok Park ist riesig! Seine Fläche entspricht derjenigen der ganzen Schweiz. Der grösste Anteil gehört zu Botswana und wird sehr selten von Touristen besucht. Der westliche Sektor ist südafrikanisch und sehr gut erschlossen. Die abgelegene Mabuasehube Sektion gehört zum botswanischen Parkteil und besitzt einige ausgeschilderte Zeltplätze, wo man übernachten darf. Vier Pisten führen zu ihr, die gemäss Reiseführer allesamt sehr sandig, sehr selten befahren und sehr schwierig zu finden sind. Kollegen haben eine dieser Pisten schon gemacht und uns gute Tipps gegeben. Werden wir den richtigen Weg finden? Eigentlich tönt es einfach. Bei einem Richtfunkmast biegt man nach rechts ab und trifft nach 120 (!) Kilometern ohne jeglichen Fixpunkt immer genau in westlicher Richtung auf die Parkgrenze. Einfach hinausfahren ins Nichts? Ohne Anhaltspunkte, ohne Kontrolle, ohne Hoffnung, dass in der nächsten Woche jemand dieselbe Strecke befährt? Da darf man schon etwas zweifeln.

Nach der kleinen Ortschaft Khakea treffen wir viele herzige Eselchen neben der Strasse. Es leben also tatsächlich Menschen in der Kalahari. Bald sehen wir den Mast vor uns auftauchen. Eine Spur im Sand geht nach rechts weg. Per Zufall kommt ein Hirte vorbei. Natürlich spricht er kein Englisch, doch „Mabuasehube“ versteht er. Mit dem Stock weist er uns den Weg und strahlt übers ganze Gesicht als wir uns in seiner Sprache bedanken. Die Spuren im Sand sind deutlich zu erkennen, jedoch hat sie der Wind teilweise schon stark geglättet und verwischt. Der Sand ist zum Glück nicht besonders tief, doch wir sind trotzdem vorsichtig. Jetzt möchten wir nicht stecken bleiben, denn mit Hilfe von aussen könnten wir nicht rechnen. Wie erwartet, führt die Spur stur nach Westen. Es gibt nichts, was sie von diesem Kurs abbringen könnte. Die Route ist wahrscheinlich mit einem Kompass in der Hand der „Erstbefahrers“ eröffnet worden. Nach einer Stunde erreichen wir eine Feuerschneise, die vor Jahren in die Büsche geschlagen wurde. Jetzt ist der Weg nicht mehr zu verfehlen. Schnurgerade zieht sich die Piste durch die Kalahari. Zwei Reifenspuren im roten Sand, sonst nichts, weit und breit. Wir fahren hinaus in einen komplett unbesiedelten Teil Afrikas, hinaus in die endlose, unberührte Wildnis. Bald haben wir „Pol der ungünstigsten Panne“ erreicht. Im Falle eines Defektes müssten wir von diesem Punkt aus rund zwanzig Stunden zu Fuss bis zur nächsten Behausung zurücklegen. Zum Glück geht alles gut und um Mittag erreichen wir die Einzäunung des Parks. Die einzigen Gefahren stellen wieder einmal die Tiere dar – diesmal zwar nur indirekt. Die Erdmännchen bauen ihre Löcher gerne mitten auf der Piste. Verkehr gibt es ja sowieso keinen. Deshalb werden die Federn teilweise recht stark durch ihre Bauten beansprucht. Selbst die Warzenschweine haben eines ihrer Erdlöcher, das ihnen als Behausung dient, mitten auf die Strasse gestellt.

Als wir beim Parktor vorfahren, werden wir sofort freundlich von einem jungen Ranger begrüsst, der sichtlich erfreut über die Abwechslung ist. Wir sind einen Tag zu früh und fragen, ob wir trotzdem schon heute im Park übernachten dürften. Das müsse zuerst durch eine Rücksprache mit dem Reservationsbüro in Gaborone abgesprochen werden. Auch der zweite Ranger ist aufgetaucht und zusammen werfen sie mit Enthusiasmus das Funkgerät an und können uns nach zehn Minuten mitteilen, dass es noch Platz gäbe. Wir fragen, wie viele andere Touristen sich momentan im Park aufhalten würden. Der junge Mann wirft einen Blick in sein Buch und bestätigt, dass seit zwei Tagen kein Mensch mehr hier gewesen ist. Ja, dann sollten wir noch einen Platz finden in einem Park mit einer Fläche von 36'000 Quadratkilometern. Zufrieden fahren wir in die Mabuasehube Sektion ein.

In der Mabuasehube Sektion gibt es ein halbes Dutzend Salzpfannen, in denen sich nach Niederschlägen das Wasser sammelt. Dann ist dieser Teil des Parks ein Magnet für unzählige Tierarten. Jetzt ist es allerdings trocken und nur die grösste Pfanne, die mit einem künstlichen Brunnen ausgestattet ist, kann Wasser bieten. Aus diesem Grund sind zu dieser Jahreszeit nur Tiere anzutreffen, die mit sehr wenig Flüssigkeit auskommen. Die Pisten sind sandig aber hart. Mit Liebe sind Zeltplätze errichtet worden. Ein offenes Dach aus Holz spendet Schatten. Eine grosse Feuerstelle ist gemauert und WC’s und Duschen befinden sich in separaten Holzhäuschen. Wasser gibt es allerdings nicht, doch unsere eigenen Reserven sind voll. Wir setzen uns in die Sonne und überblicken die Salzpfanne. In der kreisrunden Vertiefung dehnt sich eine sandige, helle Ebene aus, auf der keine Büsche und nur vereinzelte Gräser wachsen. Es ist unglaublich still. Die Luft ist noch immer kühl und wir können die Pullover gut ertragen. Wir umrunden die Pfanne und treffen auf eine kleine Herde Oryx-Antilopen. Die schönen Tiere sind scheu, da sie sich noch kaum an Menschen gewohnt sind. Ausserdem befinden sich gleich mehrere junge Oryx in der Familie. Ihr Fell ist nicht silbern wie das der Erwachsenen, sondern braun. Doch ihre Augen blicken uns genauso aufmerksam an wie jene ihrer Eltern. Auch bei der nächsten Pfanne gibt es etwas zu sehen. Drei Schakale haben einen grossen Vogel gerissen und machen sich über das Kadaver her. Alle versuchen sich ein blutiges Fleischstück zu ergattern. Die Federn des toten Vogel flattern in der sanften Brise.

Endlich sehen wir unsere Salzpfanne, die Mabuasehube Pan. Sie ist die grösste und schönste in der Region. Ihr dunkelroter Grund hat ein Durchmesser von rund zwei Kilometern. Vor uns dehnen sich goldene Wiesen aus, die langsam in den kargen Pfannengrund übergehen. Auf allen Seiten wird die Mulde von der typischen Kalahari-Vegetation eingerahmt, niedere Bäume und Büsche. Wir geniessen die endlose Ruhe, die Aussicht und den blauen Himmel. Wenn man auf das kleine Sonnendach klettert, hat man einen guten Fernblick. Mit dem Feldstecher beobachten wir einen einsamen Springbock, der langsam über den Pfannengrund trottet und nach ein paar verdorrten Grashalmen sucht.

Wir sitzen in der Sonne, beobachten die Erdmännchen, welche die Köpfe aus ihren Bauten strecken und auf den Hinterbeinen mit hängenden Händen Ausschau halten. Ein Toko-Ehepaar leistet uns Gesellschaft. Wir haben viel Spass mit den Tieren und werfen ihnen kleine Stückchen Brot zu. Ein Erdmännchen kommt so nahe, dass es aus der Hand frisst. Seine Kollegen sind ein bisschen ängstlicher. Es gibt tolle Fotos der putzigen Nager. Der Toko ist besonders frech und klaut gleich das ganze Stück Brot, als wir einen Moment lang nicht aufpassen.

Kurz vor Sonnenuntergang fahren wir zum Wasserloch. Leider läuft dort immer noch nicht viel. Es ist besetzt mit einigen grossen, ziemlich hässlichen Vögel. Wahrscheinlich sind es Geier. Dafür nehmen wir die unwahrscheinliche Abendstimmung in uns auf. Unsere Pfanne leuchtet in den intensivsten Farben. Der Vollmond steht am Horizont und rundet den Eindruck ab.  Wir wirbeln herum, als wir plötzlich ein Schnauben in nächster Nähe hören. Der abfallende Rücken und der nach vorn geneigte Kopf lassen eindeutig auf eine Hyäne schliessen. Das Raubtier betrachtet uns einige Zeit und zieht dann weiter.

Auch diese Nacht war wüstenhaft kalt. Wir wollen die restlichen Salzpfannen besuchen. Die Landschaft ist wenig abwechslungsreich, aber doch lieblich. Die Piste führt durch einsamste Wüste. Immer wieder verkratzen uns dornige Büsche die Seiten des Autos. Die Pflanzen wachsen ungestört in die Strasse hinein. Wir haben beide Seitenspiegel eingeklappt, um ein bisschen schmaler zu sein. Allmählich lernen wir auch, ganz genau durch die Büsche zu zirkeln ohne viel Tempo zu verlieren, doch nur allzu oft müssen wir das schmerzhafte Quietschen von Holz auf Metall in Kauf nehmen. Wir sehen nicht viele Tiere. Ab und zu begegnen uns einige Oryx und Strausse. Bei der Khiding Pan finden wir eine kleine Herde Kuhantilopen. Wir setzen uns auf das Sonnendach des dortigen Camping-Platzes und blicken mit dem Feldstecher in die Weite. Zwei Oryx liefern sich in der Mitte der Pfanne einen verbissenen Kampf. Wir hören das Stampfen ihrer Hufe und das Knirschen der aneinander reibenden Hörner. Wie sieht das weitere Vorgehen aus? Wir haben die Mabuasehube Sektion schon gesehen. An Tieren gibt es ausser Oryx-Antilopen nicht viel Grossartiges. Wir entscheiden uns, noch heute nach Matopi, dem nächsten Camp noch tiefer in der Kalahari, zu fahren. Dort haben wir die Übernachtung zwar erst für morgen Abend gebucht, doch da wir sowieso die einzigen im ganzen Park sind, soll uns das nicht weiter stören.

Wir wollen eine Piste befahren, die quer durch die Wildnis der Kalahari führt. Von der Mabuasehube Sektion sind es fast zweihundert Kilometer absolute Einsamkeit bis ins Tal des Nossob, wo Südafrika und damit die Zivilisation beginnt. Nach der Bosobogolo Pan biegen wir nach Westen ab und lassen die Pfannen der Mabuasehube Sektion hinter uns. Jetzt dringen wir wirklich in den abgelegensten Teil der Kalahari ein. Im Umkreis von mehreren hundert Kilometern sind wir die einzigen Menschen.

Die Sandpiste ist erfrischend. Sie führt in sanftem Auf und Ab über alte, bewachsene Dünenkämme. Trockenes Gras wechselt sich mit Büschen und Bäumen ab. Nicht einmal mehr ein Tier ist zu sehen. Eine Stunde vor Sonnenuntergang kommen wir in Matopi an. Dort steht ein grünes Schild mit der Aufschrift „Camping Site“. Das ist alles.

In der Nacht ist starker Wind aufgekommen und ist pfeifend um das Dachzelt gestrichen. Wir waren auch heute wieder gut eingepackt in den warmen Schlafsäcken. Noch vor Sonnenaufgang lassen wir das Fahrzeug hinter uns. Wir wagen wir eine kleine Morgenwanderung hinein in die Wildnis der Kalahari. Durch hüfthohes, gelbes Gras waten wir in die Wüste. Bald geht die Sonne auf. Alle Farben der unberührten Natur beginnen zu brennen. Der Vollmond steht blass über den Büschen der Kalahari. Bald haben wir das Auto aus den Augen verloren. Wir sind uns sicher, dass an dieser Stelle seit der Entstehung der Erde vor viereinhalb Milliarden Jahren noch nie ein Mensch stand. Das ist schon ein fast irreales Gefühl – eigentlich gleich, wie einen Berg als ersten Menschen erklommen zu haben. Wir wandern durch die Einsamkeit, nehmen die Bilder und Gerüche der Kalahari in uns auf und streichen mit den Fingern über das hohe Gras. Immer wieder treffen wir auf Spuren von Antilopen. Sie haben regelrechte Wege ins Gras getreten. Nach einer halben Stunde wenden wir und wollen in einem grossen Bogen wieder zurück zum Auto finden. Absichtlich haben wir das GPS nicht angeschaltet. Wir sind gespannt, ob wir auch ohne Hilfe wieder zurückfinden. Bald haben wir jegliche Orientierung verloren. Jeder Busch, jeder Baum sieht gleich aus. Es gibt keine Hügel oder andere Punkte, an denen sich das Auge festhalten könnte. Wir versuchen unsere Schatten immer möglichst gleich zu halten, um wenigstens geradeaus zu gehen. Einen Schädel einer Kuhantilope setzen wir auf einen abgestorbenen Baum. Falls das je ein Mensch sieht, wird er sich bestimmt fragen, wie dieser sterbliche Überrest dorthin gekommen ist! Nach einer Stunde treffen wir auf die Piste. So finden wir auch ohne Unterstützung der Satelliten zurück, doch die Richtung war falsch. Wir hätten das Auto um mehrere hundert Meter verpasst.

Schliesslich fahren wir weiter. Bald wird die Strecke sandiger und wir müssen den Vierradantrieb zuschalten. Die ersten Dünenkämme werden überquert. Anfangs ist es noch einfach, die Steigungen sind gering. Doch nach und nach wird es steiler. Die Kalahari hat keine Dünen, wie wir sie aus der Namib kennen. Die Kämme sind genau gleich bewachsen wie der Rest der Landschaft und die Formen sind deshalb verwischt. Sie sehen vielmehr wie längliche Hügel aus. Trotzdem sind sie ganz schön sandig und wir müssen uns anstrengen, dass wir die Aufstiege schaffen.  Ganz oben auf der Düne fährt man einfach ins Blaue hinein, da der Wagen so steil steht, dass man noch nicht auf die andere Seite sieht. Wir hoffen, dass uns nicht genau in diesem Moment ein anderer Wagen entgegen kommt. Wir haben seit geschlagenen drei Tagen kein Auto mehr gesehen. Es wäre recht unglücklich, wenn wir mit dem nächsten eine Frontalkollision produzieren würden.

Schliesslich fällt die Strasse ab ins Tal des Nossob. Immer häufiger dominiert der rötliche Sand über Gräser und Büsche. War die Landschaft heute morgen bei Matopi grün und freundlich, ist sie jetzt trocken und abweisend. Dafür wächst eine ganz besondere Wüstenpflanze. Im Sand liegt, scheinbar ohne Wurzeln, ein fussballgrosser Kürbis. Teilweise gibt es regelrechte Felder dieser grossen, grünen Frucht mit ihren weissen Streifen. Es ist uns ein Rätsel, woher die Pflanzen das lebensnotwendige Wasser nehmen und weshalb sie so gross werden. Plötzlich queren ein Dutzend riesige Elen-Antilopen im Galopp unseren Weg. Die Hufe der Tiere wirbeln den Sand auf. Wir staunen, dass sich eine solche Masse Fleisch überhaupt so schnell fortbewegen kann. Das Trockenflussbett des Nossob ist die Grenze zwischen Südafrika und Botswana. Der Grenzposten befindet sich aber erst am Ausgang des Parks, so dass man frei zwischen den Ländern hin und her wechseln kann und nur über Nacht in „seinem“ Land bleiben muss. Im südafrikanischen Teil des Gemsbok-Parks gibt es unzählige Brunnen, in denen Grundwasser an die Oberfläche gepumpt wird. Das zieht während der Trockenheit die Tiere an. So treffen wir im Trockenflussbett bald Gnus und Springböcke an.


Tourengänger: Delta, Xinyca


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentar hinzufügen»