Karhunkierros - die Bärenrunde im Winter


Publiziert von Günter Joos (gringo) , 2. April 2016 um 00:08.

Region: Welt » Finland » Finnland / Lappland » Kuusamo
Tour Datum:18 März 2016
Zeitbedarf: 8 Tage
Zufahrt zum Ausgangspunkt:1x täglich Bus zwischen Kuusamo und Salla. Ausstieg und Tourenbeginn an der Haltestelle Ristikallio.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Kostenlose Skibusse zwischen Ruka und Kuusamo.
Unterkunftmöglichkeiten:Autiotupa - kostenlos nutzbare Wildnishütten für Selbstversorger. Besucherzentrum "Oulanka Basecamp", zwischen Juuma und den Myllykoski-Stromschnellen Hotels und Ferienhütten in Ruka
Kartennummer:Wanderkarte Karhunkierros 1:50.000

                           
Der Karhunkierros (deutsch: Bärenrunde) ist ein mehrtägiger Weitwanderweg im Nordosten Finnlands. Entgegen der Bezeichnung macht der Weg keine Runde, sondern ist eine Streckenwanderung im geographischen Übergang von Nordkarelien zu Lappland. Von der finnisch-russischen Grenze ist man dabei manchmal nur 15 bis 20 km entfernt. Der Pfad verläuft mehrheitlich durch nordische Wald- und Moor- Seen- und Flusslandschaften. Die Trümpfe dieser Trekkingtour sind die Canyons, Stromschnellen und Mäander der Flüsse Aventojoki, Savinajoki, Kitkanjoki und besonders des Oulankajoki. Der Nord- und Zentralteil der Wanderung führt durch den Nationalpark (finn.: Kansallispuisto) Oulanka. 
Die Anspielung auf Meister Petz kommt nicht von ungefähr, denn die Bärenpopulation ist in Finnland nirgends so hoch, wie hier im Nordosten. Konfliktsituationen zwischen Bären und Wanderern sind allerdings praktisch unbekannt. Während der Sommermonate ist der Karhunkierros der beliebteste Fernwanderweg Finnlands. Er weist mit einer dichten Kette von Selbstversorgerhütten (finn.: Autiotupa), Lagerplätzen und Unterständen eine ausgezeichnete touristische Infrastruktur auf. An den jeweiligen Hütten und Plätzen findet der Wanderer stets geschlagenes Holz in ausreichenden Mengen, was allerdings nicht heißen soll, dass man ums Holzhacken oder Holzsägen herumkommt. Verpflegung für  die gesamte Wegstrecke muss selbst mitgetragen werden.
Der Karhunkierros kann auch im Winter gemacht werden, wobei sich dann Schwierigkeiten und nötige Vorbedingungen vermehren bzw. erhöhen. Dennoch sind auch in diesem Falle Infrastruktur und Wegbedingungen oft günstiger, als auf manchen anderen großen Skandinavientreks. Ab Mitte Februar werden die Tage wieder ausreichend lang, um im während des Hochwinters von dauerhafter Polarnacht belegten Hohen Norden ein derartiges Unternehmen anzugehen. Noch günstiger ist meistens der März, da die Kälte dann nicht mehr gar so grimmig ist und zumindest der zentrale Teil der Bärenrunde auf 26 Kilometer zwischen den Kiutaköngäs-Stromschnellen und der Ortschaft Juuma für gewöhnlich einmal in der Woche mittels Schneemobil durch die Nationalparkranger gespurt wird.
Nicht ganz einfach ist dann die Entscheidung, welchem Fortbewegungsmittel auf einer solchen Wintertour den Vorzug zu geben ist, weist doch das Gelände des Karhunkierros für finnische Verhältnisse die Besonderheit auf, mehrheitlich hügelig zu sein. Dazu schlängelt sich der Pfad oft in engen Kurven durch den dichten Wald. Und auch die Skooterspur ist nicht breit genug, um etwa mit BC-Langlaufskiern vernünftig im Pflug abbremsen zu können. In Frage kommen jedenfalls Schneeschuhe (lange Ausführung!), mit Stahlkanten ausgestattete BC-Langlaufskier (am besten die original skandinavischen!), Tourenskier (angefellt!) oder Jagdskier russischer oder finnischer Bauart. Es ist stark von den jeweiligen Verhältnissen abhängig, was nun schlußendlich das Richtige Instrument für diese Unternehmung ist.
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Da der einzige Bus Richtung Hautajärvi bzw. Ristikallio erst um 14.20 h in Kuusamo abfährt und gemäß Fahrplan um 15.30 h am Haltepunkt Ristikallio ankommt, war klar, wir würden am ersten Tag unserer Karhunkierros-Tour keine großen Sprünge machen. So wollen wir nur noch die 4,7 km bis zur Ristikallio-Hütte zurücklegen, anstatt, wie ursprünglich vorgesehen, am ersten Tag noch die Taivalköngäs-Hütte zu erreichen. Ristikallio ist übrgens die kürzere von zwei Einstiegsmöglichkeiten für den Trail. Vom Einstieg im Winter in Hautajärvi wurde in  von uns im Vorfeld gelesenen Berichten abgeraten, oder zumindest las es sich nicht sonderlich verheißungsvoll.
1. Tag (18.03.2016): Ristikallio-Haltestelle an der Straße Kuusamo-Salla - Wildnishütte (finn.: Autiotupa) Ristikallio 4,7 km.
Auf dieser Etappe stellen sich bereits gewisse Nachteile meiner BC-Langlaufskier heraus. Die fast ständig auf und ab verlaufende Spur ist eng und kurvenreich. Dafür trägt der Schnee in der Spur und ich kann nach Belieben Abschnallen und zu Fuß weitergehen. Vladi und Valerij kommen mit ihren angefellten Tourenskiern recht gut voran. Die Ristikalliohütte ist hübsch gelegen bei einem See und 20 Meter hohen Felswänden.
2. Tag (19.03.): Ristikalliohütte - Savilampihütte 8,2 km.
Routenverhältnisse ähnlich wie am Vortag. Die Savilampihütte wird über eine Hängebrücke erreicht und liegt idyllisch am Ufer des Savilampi. Leider heizt der Ofen hier nicht ganz so gut, wie in den anderen Wildnishütten.
3. Tag (20.03.): Canyonrunde 6 km, Savilampihütte - Taivalköngäshütte 4 km.
Ein 6 km langer Rundweg führt uns durch den Kurkkaus-Canyon und zu großartigen Aussichtspunkten über den Oulanka-Canyon. Nach dieser Runde unternehmen wir noch einen kurzen Abstecher auf dem Karhunkierros in Richtung Norden/Hautajärvi. Anschließend fahren wir die gestern gekommene Strecke um 4 km zurück, um in der Taivalköngäshütte zu nächtigen. Diese uralte, ehemalige Fischerhütte liegt spektakulär zwischen einer von zwei seenartigen Ausweitungen des Oulankajoki und den durch einen schluchtartigen Engpass hindurchtosenden Taivalköngäs-Stromschnellen. Über drei Hängebrücken hinweg kann das Naturschauspiel besichtigt werden.
4. Tag (21.03.): Taivalköngäshütte - Ansakämpä 19 km, mit Zwischenstation am Oulanka-Informationszentrum.
Erster diffissiler Akt des Tages ist der vereiste Steilabstieg zur zweiten Hängebrücke mit dem gesamten Geraffel auf dem Rücken. Selbstverständlich, dass an solchen Passagen die Skier getragen werden müssen. Jeder von uns fährt sein Tempo, und wir treffen uns zur Kaffeepause im Oulanka-Informationszentrum, wo wir eine Zwischenberührung mit der Zivilisation erfahren. Zahlreiche Tagestouristen finden sich dort ein, hauptsächlich, um das spektakuläre Schauspiel der nahen Kiutaköngäs-Stromschnellen zu bewundern. Nur wenig hinter den Stromschnellen kehrt die für uns gewohnte Ruhe wieder zurück und wir rauschen nun auf gespurtem Trail gen Ansakämpä. Die alte Hütte ist vor einigen Jahren abgebrannt. Die neue Hütte liegt etwas abseits des Weges. Es geht wiederum über steile, überfrorene Holzstiegen abwärts. Tolle Lage nah an einer seenartigen Weitung des Flusses.
5. Tag (22.03.) Ansakämpä - Jussinkämpä, 8 km
Kurze und recht einfach auf Spur fahrbare Etappe. Unser zeitiges Eintreffen nehme ich zum Anlass, nachmittags eine Runde über den See hinweg und durch verschneite Moorlandschaften zu drehen. Dem nicht genug, schnalle ich nachts anlässlich der Vollmondstimmung abermals die Skier an. Mit Johann aus Helsinki haben wir heute den einzigen Mitübernachter auf unserer gesamten Tour.
6. Tag (23.03.) Jussinkämpä - Sillastupa ca. 16 km
Die Winterroute weicht hier deutlich vom Sommerweg ab. Sie führt vom Oulankajoki weg und geht nach Juuma, der einzigen Ortschaft, welche wir auf unserer Tour passieren. Kurz nach Juuma kulminiert die Route in einem weiteren Highlight, den Myllykoski-Stromschnellen. Zuvor halten wir Einkehr im nahen Besucherzentrum "Oulanka-Basecamp". Wie zuvor schon an den Kiutaköngäs, treffen wir auch hier etliche Tagesbesucher. Nach Auskostung des eindrücklichen Naturschauspiels der Myllykoski-Stromschnellen machen wir uns an die verbliebenen 2 km bis zur Sillastupa. Die Landschaft auf dem Weg zur Hütte bleibt dramatisch und erhält einen erneuten Höhepunkt mit den wasserfallartigen  Jyrävä-Stromschnellen. Die Lage der Hütte ist atemberaubend. Am Ufer des Kitkanjoki gelegen, eröffnet sich durchs Hüttenfenster ein prächtiger Blick auf die durch einen gewaltigen Eispanzer hindurchrauschenden Stromschnellen.
7. Tag (24.03.) Runde auf dem Pieni Karhunkierros 8 km,  Sillastupa - Hütten Porontimajoki 8 km
Eine am Vortag getroffene Gruppe von Russen und Finnen gab uns den Tip, dass der Pieni Karhunkierros (kleine Bärenrunde) gespurt und begehbar sei. Davon wollen wir natürlich auch profitieren. Mit aufgebuckelten Skiern machen wir uns auf den Weg, der eigentlich nur zur Sommerbegehung vorgesehen ist. Die Spur trägt bestens. Der Steilaufstieg zurm Aussichtspunkt Kallioportti wird schließlich zur Krux der Runde. Supersteil geht´s über vereiste und äußerst rutschige Spur  in T-5er-Manier die nahezu komplett eingeschneiten Holzstiegen empor. Auch der Abstieg hinten runter fordert Konzentration. An landschaftlichen Eindrücken lässt der Pieni Karhunkierros keine unserer Wünsche offen, ein wahrhaft lohnender Exkurs!
Nach Abschluß der Runde erfolgt die Fortsetzung unserer Route durch gewohnte Wald- und Moorlandschaften, auf überwiegend guter Spur bis zu den beiden Hütten von Porontimajoki. Valerij und ich können es nicht lassen, am frühen Abend auch hier einen kleinen Erkundungsgang durch den nahen Canyon hindurch bis zum Porontimasee hinaus zu unternehmen.
8. Tag (25.03.) Porontimajoki - Ruka 15 km.
Wir wählen die Sommerroute, welche über die Bergzüge führt. Bei unserem morgendlichen Aufbruch ahnen wir noch nicht was uns, im ganz Besonderen mir, heute noch blühen soll ... Die Hänge sind für meine BC-Langlaufskier zu steil, die vorhandene Spur trägt bei einer Fußbegehung jedoch nicht. Mitunter krieche ich auf allen Vieren voran! Einen Bericht über diese Etappe habe ich bereits im Netz hinterlegt:

http://www.gipfelbuch.ch/gipfelbuch/detail/id/79730/Skitour_Snowboardtour/Valtavaara

21 Jahre, nachdem ich, damals vom schwedischen Kungsleden her nach Finnland  rüberkommend, aus rein logistischen Gründen auf die Bärenrunde verzichten musste, ging der nie vergessene Traum in Erfüllung - und noch dazu ein weiterer Traum - nämlich der  von einer Winterbegehung in nordischen Gefilden ...

Tourengänger: Günter Joos (gringo)


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