auf Perlenwanderung am Baikalsee


Publiziert von eisblume , 30. September 2013 um 14:40.

Region: Welt » Russland » Sibirien » Baikal
Tour Datum:20 Juni 2013
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: RUS 
Zeitbedarf: 4 Tage
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Nachtzug Basel - Moskau, Transsibirische Eisenbahn Moskau - Irkutsk, Marschrutka Irkutsk Listwijanka
Unterkunftmöglichkeiten:Guesthouse Lesnaya 7 in Bolschije Koty, Zeltplätze am Ufer des Baikalsee (nicht in der Kernzone!), Stützpunkt des Nationalparkes am Kap Kadilnaya

Mutter Natur schmückt sich mit vielen schönen Perlen, eine der schönsten jedoch liegt in den Südsibirischen Gebirgen, auf der Grenze zwischen der Oblast Irkutsk und der Republik Burjatien. Der hochbetagte Baikalsee (oзеро Байкaл) zählt mehr als 25 Millionen Jahre und ist somit der älteste und gleichzeitig tiefste See der Welt. Seit jeher versteht er sich als eine Superlative weltlicher Binnengewässer, flächenmässig etwa so gross wie ganz Belgien und mit einer Tiefe bis zu 1.673 Metern, beherbergt er ein Fünftel des gesamten Süsswasser-Vorkommens dieser Erde, etwa das 480-fache an Wasserinhalt des Bodensees. Sein Wasser ist nahezu überall von allerbester Trinkqualität, dafür sorgen abermillionen von Flohkrebsen, die das kühle Wasser des Baikal auf natürliche Weise klären. Von Mitte November bis weit in den Mai hinein ist der Baikalsee zugefroren. Im Sommer steigt die Wassertemperatur nur an wenigen Stellen über 10 Grad Celsius. Da der See über einer tektonischen Spalte liegt, sprudeln entlang seines Ufers zahlreiche heiße Quellen, denen heilende Kräfte zugesprochen werden. Der Baikalsee wird von mehr als 300 Flüssen und Bächen gespeist und seine Uferlinie erstreckt sich über 2.000 km. Die Stimmung an diesem schier endlos erscheinenden See ist mystisch, die Farben-, Wind- und Wolkenspiele wechseln mit jedem Augenblick. So ist es kein Wunder, nennen ihn die Einheimischen „das heilige Meer“.

Die Einheimischen, das sind neben Russen vor allem Burjaten, Nachfahren mongolischer Stämme. Auch Volksgruppen der Jakuten, Tuwa, Ewenken und Tschuktschen leben in den Gebieten rund um den Baikalsee. An seinen geheimnisvollen Ufern hat der Schamanismus eine lange Tradition. Während die Ostburjaten in der Vergangenheit zum Buddhismus bekehrt wurden, blieben die Westburjaten dem Schamanismus verbunden. Die zu Sowjetzeiten verbotenen Rituale dürfen heute wieder frei praktiziert werden und so erlebt der Schamanismus eine Art Aufschwung. Seit 1997 sind sogar etwa 50 Mitglieder in einem offiziellen Schamanenverband organisiert. Bewegt man sich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, so steigt an mancher Haltestelle schon mal ein Schamane mit seinem eindrucksvollen Kostüm in die Marschrutka zu, auf der Heimreise von einer seiner Touri-Performances auf der Insel Olchon.

Der See und sein Umland beherbergen aber noch weitere Lebewesen, etwa 1500 Tier- und 1000 Pflanzenarten, zwei Drittel davon sind endemisch. In den Nationalparks leben Luchse, Bären und Wölfe. Somit ist der Baikal ein unschätzbares und einmaliges Ökosystem und seit 1996 Teil des UNESCO Weltnaturerbes. Aber nicht nur das, der Baikalsee berührt die Seele, er ist ein geheimnisvoll faszinierender Ort, an dessen Ufern eine Wanderung zu einem einzigartigen und unvergesslichen Erlebnis wird.

Tag 1: Irkutsk - Listwijanka - Bolschije Koty
Am Nachmittag springe ich auf eine der vielen Marschrutki, die mich vom Markt in Irkutsk in etwa einer Stunde nach Listwijanka an den Baikalsee bringt. Listwijanka ist ein Badeort, der viele Touristen anlockt und nicht unbedingt zum Verweilen einlädt. Es gibt jedoch einen kleinen Markt, auf dem man nicht nur Souveniere, sondern auch lokale Leckereien, wie geräucherten Omul kaufen kann. Die Strände sind schon jetzt im Juni voll mit Sonnenanbetern und Picknick-Fans, durch die Luft weht ein Geruch von Schaschlik und Plov.

Auf die Fahrpläne der öffentlichen Boote ist wenig Verlass und so warte ich nun am Hafen auf ein privates Boot, auf dem mir ein Bekannter einen Platz zur Überfahrt nach Bolschije Koty vermittelt hat. Den Namen des Bootes kannte er nicht, da der Besitzer wohl ein paar Probleme mit den Papieren hatte und so das Boot ab und zu einmal umbenennen musste. Erst kurz vor Ankunft des Schiffes erfahre ich, dass mich „Lars“ über die Wellen schaukeln wird, finde das geräumige Boot am Kai, nehme Platz an Deck und plaudere ein wenig mit dem freundlich-neugierigen Käpt‘n und seinem Maat.

Nach der Landung in Bolschije Koty, kehre ich im Gasthaus „Lesnaya 7“ ein, dessen Besitzer Alexej ein Weltenbummler mit den schönsten Fotoalben ist, die ich je gesehen habe. Die kleinen Schlafhütten sind liebevoll aus Holz gestaltet, es gibt einen Yoga-Raum und das Sofa auf der Veranda im Garten ist ein lauschiges Plätzchen, von dem aus man den Blick über das Dorf und auf den See schweifen lassen kann. Bolschije Koty wurde im 19. Jahrhundert als Goldgräbersiedlung gegründet und ist im Sommer ausschliesslich per Boot oder zu Fuss zu erreichen. Ein verzaubertes Dörfchen, in dem scheinbar die Zeit stehen geblieben ist. Wenige alte Holzhäuser mit bunten Gemüsebeeten, ein paar Pferde futtern sich durch die grasbewachsenen Vorgärten und Strassen. Geräusche von handwerklichem Tun, mal eine Säge, mal Gehämmer. Ein so friedlicher Ort, nur im Tante-Emma-Laden verkauft man alten Fisch.

Tag 2 + 3: Bolschije Koty - Skriper - Teufelsbrücke - Kap Kadilnaja (ca. 15km, 5h) und retour
Am nächsten Tag regnet es und ich gehe erst spät auf Schusters Rappen los. Am Ortsende führt ein guter Wanderweg die Steilküste hinauf und nach etwa 20 Minuten steigt man entweder auf den „dangerous trail“ ein, oder zum Strand des Baikal hinab. Das gefährliche an diesem Wegstück ist die Querung von Erdrutschen, was bei sehr regnerischem Wetter dann auch wirklich unangenehm werden kann. Ich entscheide mich daher gerne für den Strandweg zum Kap Sibirjakowo, nach dem auch die beiden Pfade wieder zusammen und hinauf in einen saftig grünen Birkenwald laufen. Darin liegt ein bunter Teppich aus orangenen und weissen, wilden Anemonen und blauer Akelei. Bald fällt der Blick auf ein Felsmassiv aus rötlichem Kieselkonglomerat. Ein Schamanenfelsen, welcher über einen Weg entlang der Steilküste, hinein in das Tal der Bolschaja Sennaja und anschliessend über einen steilen Aufstieg in Serpentinen zu erreichen ist. Drei Aussichtspunkte bieten auf dem sogenannten „Skriper“ einen tiefen und weiten Blick über den Baikal. Dort zu verweilen ist ein grosses Schauspiel und so lege ich eine ausgedehnte Rast ein, geniesse den weiten Blick, die Wolkenspiele und Wetterwechsel über dem Baikal.

Vom Skriper folge ich dem Pfad durch einen lichten Birkenwald hinab wieder zum Baikalufer und klettere über Ufergeröll, über Wiesen, vorbei an einem Sandstrand am Kap Sobolev zum zweiten Felsmassiv, dem Zajatschi. Dort endet der Strand und der Pfad führt empor einer Felswand zur Teufelsbrücke, einem schmalen Wegstück etwa 10 Meter über steilem Abgrund, welches künstlich in den Felsen gehölt wurde. Nach dem Abstieg vom Felsmassiv führt der Weg wieder über bunte Wiesen in die Kernzone des Pribaikalski Nationalparkes und nach etwa einer weiteren Stunde zum Stützpunkt des Nationalparkes am Kap Kadilnaja. Hier beschliesse ich, wie eine Woche zuvor auch Dmitri Medwedew, die Nacht zu bleiben. Für ihn hatte man allerdings kurzfristig mal das gesamte Gebiet ab Bolschije Koty hermetisch abgeriegelt.

Der Nationalparkwächter Wowa zeigt mir die Unterkunft. Ein holziger und wortkarger Kerl, der sich ein wenig zu steif bewegt und damit fast so gruselig wirkt, wie die leicht in die Tage gekommene Unterkunft. Doch nachdem ich mein Essen auf den Herd gestellt hatte kommt Wowa wieder, setzt sich neben mich auf die Treppe mit einem Bilderbuch Schweiz und möchte wissen, in welchem dieser Seiten ich denn wohne. Ich beschliesse, Kap Kadilnaja ist ein freundlicher und friedlicher Ort und geniesse am Ufer des Baikal eine der grossartigsten Vollmondnächte meines Lebens.

Am nächsten Tag gehe ich auf selben Weg zurück. Doch auch gleiche Wege werden am stimmungsvollen und launischen Baikal nie langweilig.

Tag 4: Bolschije Koty - Listwijanka (ca. 20 km, 7h)
Die Wanderung nach Listwijanka führt auf gut ausgebautem, jedoch unmarkiertem Weg und ist Teil des Projektes „Great Baikal Trail“. Der Pfad führt über die weichen Nadelmatten der Zedernnwälder und über saftig-grüne Hangwiesen, auf denen sich Birken als lichte Wäldchen tummeln, zwischen denen bunte Blumen wie Teppiche blühen. Beim Überqueren der kleinen Zuflüsse des Baikal, ist die Natur üppig mit Moosen und Farnen übersät. Mal führt der Pfad entlang der Steilküste und mal über die weiten Kiesstrände des Sees. Das Wasser des Baikal schimmert tiefblau, smaragdgrün und manchmal auch weiss. Dann scheint es, der See würde mit dem Horizont verschmelzen. Am anderen Ufer thronen, leicht im Nebel verschleiert, die schneebedeckten Gipfel des Chamar-Daban-Gebirges. Das Rauschen des Baikal erinnert ans Meer. Ich komme vorbei an Lichtungen mit Jurten und kleinen Pferdeherden, dessen Fohlen geradewegs übermütig über die Wiesen tollen.

Einige Zeit nach Passieren des ausgesetzten Pfades zum Kap Tolskij, an einem kleinen Rastplatz, wähle ich den Weg, welcher sich vom See abwendet und zunächst mässig, dann immer steiler in einen brandgeschundenen Wald hineinführt. Somit umgehe ich die kniffligen und bei Regen glitschigen Kletterstellen entlang der Steilküste vor Listwijanka. Im Abstieg folge ich dem Flüsschen Bolschaja Tscheremschanka hinab in den Ort. An der Ecke Gorkova- und Gudina-Strasse stehe ich wieder am Ufer des Baikalsee. Unweit von hier fährt die Marschrutka, die mich zurück nach Irkutsk bringt... um eine grossartige Natur-, Wander- und Menschenerfahrung reicher.   

Tourengänger: eisblume


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Kommentare (8)


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silberhorn hat gesagt:
Gesendet am 1. Oktober 2013 um 00:08
Guter, interessanter und informativer Bericht. Von einem Landstrich den ich gerne bereist hätte. Da ich gewiss nie hin gehe freue ich mich an Deinen Bilder.

eisblume hat gesagt: RE:
Gesendet am 1. Oktober 2013 um 09:19
Hallo Silberhorn,

DANKE für dein feedback!

Und schön dass ich dir eine Freude bereiten und zumindest eine kleine virtuelle Reise an den Baikal ermöglichen konnte ;-)

silberhorn hat gesagt: "Great Baikal Trail" Link
Gesendet am 1. Oktober 2013 um 00:11
Zu Beginn spinnt er und hat später "einen Sprung in der Platte". Nur mit meinem PC?

eisblume hat gesagt: RE:"Great Baikal Trail" Link
Gesendet am 1. Oktober 2013 um 09:28
mmmh, das Spinnen kann ich nicht bestätigen.

Aber den "Sprung in der Platte" hat es definitiv in der deutschsprachigen Version. Ich durfte in Ulan-Ude den Initiator des Projektes kennen lernen, sie arbeiten mit ganz kleinen Mitteln und fast ausschliesslich mit Freiwilligen. Dementsprechend "technisch amateurhaft" ist wohl das Video erstellt.

Gute Info rund um den GBT und das Reisen am Baikal findest du auch unter www.baikalinfo.com

viel Spass beim Schmökern & sonnige Grüsse

silberhorn hat gesagt: RE:"Great Baikal Trail" Link
Gesendet am 1. Oktober 2013 um 13:09
Habe soeben den Anfang des Links nochmals angeschaut und er lief problemlos. Die Ursache des Spinnens muss woanders gelegen haben.

Werde auf jeden Fall bei GBT schmökern insofern die Beiträge auf Deutsch sind.

Danke! und Gruess
silberhorn


silberhorn hat gesagt: RE:"Great Baikal Trail" Link
Gesendet am 3. Oktober 2013 um 17:03
Habe mich bei balkalinfo durchgeklickt. Viel Interessantes und werde einige Zeit bei dieser Webseite verbringen.

eisblume hat gesagt: RE:"Great Baikal Trail" Link
Gesendet am 4. Oktober 2013 um 15:21
... aber Achtung, da lauern Risiken und Nebenwirkungen, das gemeine Baikal-Virus nistet sich schneller ein als du denkst :-)

silberhorn hat gesagt: RE:"Great Baikal Trail" Link
Gesendet am 4. Oktober 2013 um 20:19
Zu spät!;-). War schon zuvor infiziert. Grob beschrieben von Polen über Moskau bis Wladiwostok und allen Länder drum herum. Ohne das jeweilig Negative zu ignorieren.


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