Schiara Überschreitung


Publiziert von Bembelbub , 9. Mai 2009 um 23:27.

Region: Welt » Italien » Venetien
Tour Datum:12 Mai 2000
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Klettersteig Schwierigkeit: K4 (S)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1870 m
Abstieg: 1870 m
Strecke:Belluno - C.se Bortòt - Cap. Biv. S. Lussato (Rif. 7° Alpini) - Ferr. Zacchi - Ferr. Berti - Schiara - Ferr. Marmòl - Rif. 7° Alpini - C.se Borotòt - Belluno
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem Zug nach Belluno, dann ein Stück mit dem örtlichen Bus und den Rest zu Fuss zur Case Bortòt (hier auch PW Parkplatz).
Unterkunftmöglichkeiten:Rif. 7° Alpini oder, wenn das Rifugio noch geschlossen ist, im daneben liegenden Biv. S. Lussato.
Kartennummer:Tabacco 024 (1:25000)

Es ist schon eine sehr lange Zeit her, dass ich diese Tour auf die Schiara unternommen hatte. Da sie auf Hikr noch nicht publiziert ist, aber vor allem weil die Überschreitung der Schiara eine fantastische Tour ist, möchte ich etwas in meinen Erinnerungen kramen und sie hier mit doch reichlicher Verzögerung beschreiben. Leider hatte ich zu dieser Zeit keine Kamera bei mir, daher ein bilderloser Bericht; nicht einmal mit Röntgenbild, aber dazu später.

Wieso auf die Schiara? Zu dieser Zeit lebte ich in England und war zu einem Kongress nach Pordenone geflogen. Da ich noch drei Tage dran hängen konnte, bevor ich wieder auf der Insel sein musste, wollte ich die Zeit nutzen, um dort in der Gegend die Berge zu erkunden. Auf dem Hinflug nach Italien zeigte mir der Blick aus dem Fenster, dass der Schnee in den südlichen Dolomiten schon reichlich geschmolzen war und auch etwas höhere Berge möglich waren. Die Beschreibung der Klettersteige konnte ich dem Rother Klettersteig Atlas entnehmen.

Hüttenaufstieg: Nach dem Kongress nahm ich den Zug nach Belluno, welches ich mittags trotz Streik der italienischen Eisenbahner erreichte. Nun begann der Fussmarsch zur Case Bortòt, den ich aber mit Busunterstützung etwas verkürzen konnte. Eigentlich wollte ich hier einen Teil meines Gepäcks verstecken (im Bahnhof hatte ich kein Schliessfach gefunden), fand aber keinen passenden Platz. Von der Case Bortòt ging es auf dem Weg 501 zum Rif. 7° Alpini. Hier kommt man auch in den Nationalpark Bellunesische Dolomiten und kann sich an dem satten Grün, welches einem bis zum Rifugio begleitet, satt sehen. Eine herrliche Landschaft! Leider war das Wetter etwas unbeständig und auf halben Weg erwischte mich ein Gewitter. Glücklicherweise fand ich einen trockenen Platz unter einem Fels und konnte sogar einen kurzen (Nach)Mittagsschlaf halten. Das verschlossene Rif. 7° Alpini erreichte ich dann am Abend und quartierte mich im benachbarten Biwak (S. Lussato) ein. Später bekam ich sogar noch Besuch von einem Vater mit Sohn, sah aber am nächsten Tag auf der ganzen Tour keine Menschenseele.

Gipfelaufstieg: Für den Aufstieg hatte ich mir die Via Ferrata Luigi Zacchi (503) ausgesucht, welche durch die Südostwand der Schiara zur Forcla de la Gusela herauf zieht. Vom Rifugio erreichte ich in gut einer halben Stunde den Einstieg zum Klettersteig. Der erste Teil ist identisch mit der Ferrata Marmòl, welche ich zum Abstieg benutzte, hält sich dann bald aber links und verläuft über einen Pfeiler durch die Felsabstürze der Schiara. Einfach grandios! Problematisch wurde es für mich kurz vor dem Biv. Ugo Dalla Bernardina, die Maisonne hatte den Schnee noch nicht geschmolzen und es folgte eine unangenehme Querung zur Forc. de la Gusela. Nachdem ich dieses Stück geschafft hatte, folgte die Via Ferrata Antonio Berti über den Südwestgrat auf die Schiara. Dieser Klettersteig war dann doch etwas windig und teilweise noch im Schatten gelegen, aber glücklicherweise schneefrei, so dass ich den Gipfel problemlos erreichen und die herrliche Aussicht geniessen konnte.

Abstieg: Für den Abstieg wählte ich den (Weiter)weg über die Via Ferrata Berti zum Biv. Marmòl und dann die Via Ferrata Marmòl zurück zum Rif. 7° Alpini. Die Via Ferrata Marmòl eignet sich besser für den Abstieg, da sie einfacher ist als die Ferrata Zacchi. Ausserdem hatte ich keine Lust auf die Querung über das ausgesetzte und mittlerweile aufgeweichte Schneefeld. Der Abstieg bis zum Biv. Marmòl über die Ferrat Berti war schnell geschafft und der erste Teil des Abstieges über die Ferrata Marmòl auch, denn diese ist im oberen Teil Gehgelände. Nun begann aber der Spass, denn der Weiterweg ging in eine schattige Rinne hinab. Es waren keine Spuren zu sehen, aber die Richtung war doch zu erahnen. Glücklicherweise hatte ich ein Eisbeil dabei und der Schnee war ideal zum stapfen, dennoch war es etwas unheimlich ins Ungewisse abzusteigen. Aber alles wieder zurück? Zwischendurch kam ich wieder an Felsen und musste nur noch über ein zweites Schneefeld absteigen. Letztendlich ging alles besser als zunächst gedacht und ich erreichte schon reichlich müde die Gabelung von Ferr. Marmòl und Ferr. Zacchi. Etwas weiter unten passierte es dann, ich machte einen kurzen Pendler am Stahlseil und knallte mit dem Oberkörper an den Fels. Mir blieb die Luft weg, aber der Schmerz beim ersten Einatmen war doch noch erträglich. So oder so, ich musste weiter absteigen und erreichte auch bald wieder das Rif. bzw. das Lussato Biwak, in dem mein restliches Gepäck lag.
Der weitere endlos lange Abstieg nach Belluno war hart; die Rippe schmerzte, ich hatte Blasen and den Füssen, das Gepäck war schwer und vor allem ich hatte schon eine doch ziemlich lange Tour hinter mir. Irgendwie schaffte ich es und war froh, dass ich in Belluno schnell ein Hotel fand.

Nachgeschichte:
Die Rippe quälte mich noch für die nächsten Wochen. "Du musst zum Arzt dich röntgen lassen!" hatte ich dann oft gehört, aber ich kam in den Genuss des NHS (National Health Service). Nach 3 Stunden Wartezeit, hörte der Arzt mich kurz ab während ich "Ninety-nine" sagte. Kein Blut in der Lunge, ich solle mir ein Schmerzmittel kaufen und in den nächsten Wochen kein Marathon laufen. Es ging auch so. Aber wie gesagt, nicht ein mal ein Röntgenbild habe ich von der Tour.

Fazit: Mittlerweile habe ich noch viele Touren unternommen, aber diese Überschreitung der Schiara ist mir immer noch sehr präsent. Nicht nur weil ich mir dabei wahrscheinlich eine Rippe gebrochen hatte, sondern vor allem wegen der grandiosen Landschaft, durch die diese Klettersteige verlaufen. Absolut empfehlenswert!


Tourengänger: Bembelbub


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Kommentare (1)


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ma90in94 hat gesagt: Schiara
Gesendet am 10. Mai 2009 um 16:38
Hei,
da kann ich Dir nur zustimmen. Beim Austritt aus dem Wald kurz vor der Hütte und Blick auf die Felskulisse der Schiara bleibt einem schon die Spucke weg. Der niedere Ausgangspunkt hat auch so seinen Reiz, besonders wenn Du im Mai unterwegs bist.
Irgenwie gehts doch zuerst flach und bergab bis man endlich bergauf durchstarten darf. Is schon lange her, war 1988. Hab irgendso ne Kletterwand auf eine der Terza Palas mitgenommen um die Schiara dann von West nach Ost zu überschreiten. Es war ein traumhafter Spätoktobertag ohne eine Menschenseele. Beim Abstieg quert man mal einen phänomenalen Felskessel. Einzigartig. War als Tagestourist zugange, da meine Freundin beim Auto blieb und wir auch darin nächtigten und alleine konnte ich sie nicht lassen. Am nächsten Tag fuhren wir von Belluno mit dem Zug in die schon leere Lagunenstadt um die müden Beine bei einem Cafe
am Quai zu entschlacken.
Kann dir leider keine digitalen Bilder zukommen lassen. War noch nicht erfunden.
Freut mich, mal von so etwas besonderem hier zu lesen.
Gruß Günter


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