Im Okavango-Delta


Publiziert von Delta Pro , 1. Juli 2017 um 07:25.

Region: Welt » Botswana
Tour Datum:17 Juni 2005
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: RB 

Ein Erlebnisbericht aus dem unvergleichlichen Okavango-Delta Botswanas

Der Moremi-Nationalpark im Okavango-Delta ist nicht ganz so ausgedehnt wie die anderen Parks, die wir besuchten, soll sich jedoch ebenfalls durch einen grossen Tierreichtum auszeichnen. Der Moremi-Park liegt auf einer Landzunge, die sich weit ins Okavango-Delta hinein streckt. Das Delta selbst ist ein weltweit einzigartiges Naturphänomen, das Millionen von Lebewesen einen Lebensraum bietet. Ein Delta, mitten in Afrika? Der Okavango nimmt in der Regenzeit in seinem feuchten Einzugsgebiet in Angola grosse Wassermassen auf, welche sich langsam nach Süden bewegen. Wenn sie die riesige Fläche des Okavango-Deltas erreichen, fächert das Wasser in Tausende von Armen aus und füllt ein unvergleichliches Sumpfgebiet. Langsam, aber sicher werden immer grössere Teile des Landes von einer seichten Wasserschicht überflutet. Es ist ein Paradies für Tiere aller Art. Für Menschen ist das Labyrinth aus Wasserarmen, Sümpfen und Inseln, das halb so gross wie die Schweiz ist, nur mit dem Schiff oder dem Flugzeug zugänglich. Jetzt im Herbst (der Südhalbkugel) steigt der Wasserspiegel allmählich an. Im Juli wird das Delta gefüllt sein und in besonders wasserreichen Jahren fliesst das überschüssige Wasser weiter nach Süden und füllt dort riesige Salzpfannen, die tief in der Wüste liegen. Der weitaus grössere Teil der lebensspendenden Feuchtigkeit im Okavango-Delta verdunstet aber in der warmen Luft, so dass grosse Teile der überfluteten Landstriche wieder trocken fallen. Wir freuen uns, in diese einzigartige Welt aus Wasser mitten im vertrockneten Afrika eindringen zu dürfen!

Beim Parktor wird eine saftige Eintrittsgebühr fällig. Eine gute Piste bringt uns durch dichte Mopane-Vegetation nach Norden. Ein Elefant streift gerade die Blätter von einem Baum und verdrückt sich ins Dickicht, als wir näher kommen. Nach einer Stunde treffen wir auf das Ufer der Halbinsel, die der Moremi-Park einnimmt. Von der Hauptpiste aus bieten sich verschiede, kleine Rundfahrten an. Die schmalen Wege – nur zwei Spuren im Sand oder im platt gewalzten Gras – führen uns durch die wunderschöne Landschaft des Okavango-Deltas. Der hohe Wald wird immer wieder von Lichtungen aufgerissen, auf denen sich grünes Gras und in den Vertiefungen Schilf ausbreitet. Regelmässig verteilt stehen Termitenburgen in der Fläche. Leider sehen wir nur wenige Tiere. Sie befinden sich zur Zeit wahrscheinlich im Landesinnern. Da es überall Wasser im Überfluss gibt, sind die Lebewesen nicht wie in Savuti an Wasserlöcher gebunden, wo man sie mit grosser Sicherheit antreffen konnte. Im Moremi-Nationalpark müssen wir eher auf den Zufall setzen. In einem Teich sehen wir einige Hippos, die träge im warmen Wasser liegen. Bei einem riesigen Affenbrotbaum machen wir einen Halt. Elefanten haben den Baum offensichtlich zu ihren Zwecken missbraucht: Um sich zu kratzen, haben sich die Tiere am Stamm gerieben und so tiefe Kerben in Form eines Elefantenkörpers in den Baum geschliffen. Der Baobab ist aber so dick, dass ihm das nichts auszumachen scheint.

Es ist Mittag, als wir das Xakanaka Camp erreichen. Der Name ist auf deutsch nur eine Umschreibung der richtigen Artikulierung, der insgesamt drei Klicklaute enthält, was ihn für uns unaussprechlich macht. Das Camp besteht aus einer ziemlich baufälligen Hütte mit WC’s und Duschen und einigen ausgeschilderten Stellplätzen. Als wir ankommen ist kein Mensch zugegen. Wir entscheiden uns für eine Bootsfahrt. Bis jetzt haben wir noch nicht viel vom Wasser des Okavango-Deltas gesehen. Es war immer versteckt hinter hohen Mauern aus Schilf. Gerade neben unserem Zeltplatz gibt es einen kleinen Hafen für Motorboote. Wer mehr Zeit hat, macht eine mehrtägige Tour im Mokoro, einem Einbaum, der mit Holzstangen angetrieben wird, durch das Delta. Das ist bestimmt um einiges naturnaher, als mit einem lärmigen Schnellboot durch die Idylle zu brausen. Leider fehlen uns dafür die Tage in Afrika, denn sie sind gezählt.

Wir steigen zu zweit in ein offenes Motorboot. Der Pilot sitzt hinter uns am Steuer. Durch einen Kanal im Schilf erreichen wir das offene Wasser. Eine ganz neue Perspektive eröffnet sich uns. In der schon tief stehenden Sonne glitzert die spiegelglatte Wasseroberfläche. Langsam fahren wir vorbei an wunderschönen Seerosen. Unzählige Wasservögel nisten im Schilf. Wir tuckern durch enge Kanäle zwischen Wasserpflanzen und gelangen immer wieder in neue Arme des weit verzweigten Gewässers. Dazwischen erheben sich kleine Inseln aus den ruhigen, glänzenden Wasserflächen. Bäume und Termitenhügel zeigen an, dass diese Bereiche nicht überflutet werden. Arm in Arm sitzen wir auf der vorderster Bank des kleinen Bootes und lassen die wunderschöne Landschaft an uns vorbeiziehen. Ein kleines Krokodile liegt faul am Ufer und verdaut wohl gerade das Mittagessen. In einem schmaleren Seitenarm sehen wir das Wasser fliessen. Die Oberfläche ist leicht gekräuselt – das Wasser füllt das Okavango-Delta. Unser Pilot beschert uns einen fulminanten Abschluss der einstündigen Bootsfahrt. Mit Vollgas brausen wir mitten durchs Schilf. Er folgt einem engen, gewundenen Kanal, der gerade die Breite des Schiffes hat. Unerwartet folgt Kurve über Kurve, die das Boot mit viel Schräglage meistert.

In der Nacht hören wir die Rufe von Hyänen. Ein hohes, fast herziges „uipuip“ tönt durch die Nacht. Um sechs Uhr stehen wir auf und fahren mit dem ersten Dämmerungslicht des neuen Tages los. So früh am Morgen ist es noch ganz ruhig im Park.  Doch auch heute Morgen wollen sich die Tiere nicht so richtig zeigen. Immerhin können wir einen Wasserbock beobachten, eine Antilope, die wir bisher noch nie gesehen haben. Das grosse Tier ist mit seinen leicht geschwungenen Hörnern und den weissen Kreisen im Fell um Hals und Hintern ein gutes Fotoobjekt. Auf kleinen Pisten kämpfen wir uns weiter durch Wald und Lichtungen. Abgestorbene Bäume ergeben zusammen mit den unzähligen Termitenhügeln ein bizarres Bild ab. Langsam breitet sich das Morgenlicht über dem Moremi-Park aus. Die Stimmung ist wunderschön und friedlich. Teilweise sieht man ganz feine Nebelschwaden über dem feuchten Gras liegen. Ein Pavian sitzt stolz auf der Spitze einer Termitenburg und blickt nachdenklich in die Umgebung.  Als wir auf eine Lichtung fahren, über deren Gräser soeben die ersten Sonnenstrahlen streichen, sehen wir eine grosse Raubkatze mit dickem, langen Schwanz gegen den Wald zu traben. Mit einem Blick ist es uns klar. Das ist ein Leopard! Er hat es eilig und steuert auf den nächsten Busch zu. Sein gepunktetes Fell und seine geschmeidigen, katzenhaften Bewegungen brennen sich in unsere Erinnerung ein. Der Leopard wird von einer Gruppe von Pavianen verfolgt. Was sie sich genau davon erhoffen, ist unbekannt. Die Paviane sind listige und intelligente Tiere. Wahrscheinlich sind sie sich bewusst, dass der Leopard morgens nach der Jagd nicht hungrig und deshalb ungefährlich ist. Die Raubkatzen verstecken den Teil ihrer Beute, den sie nicht zu fressen vermögen, gerne im Wipfel eines Baumes. Hoffen die Paviane vielleicht, dass sie der Leopard zum Rest seiner Beute führt? Fleisch stellt für die Affen eine willkommene Abwechslung auf dem Speiseplan dar, da sie Allesfresser wie wir sind.

Plötzlich kommen die Tiere zum Vorschein. An jeder Ecke sehen wir äsende Antilopen. Giraffen verdrücken sich ins Unterholz, Steppen- und Bergzebras suchen nach Nahrung. Besonders schön sind die seltenen Lechwe-Antilopen. Die Tiere haben ungefähr die Grösse von Springböcken, leben aber nur in Sumpfgebieten. Ihre braunen Rücken und weissen Bäuche leuchten in der Morgensonne. Man erkennt sie von weitem an den zu lang geratenen Hinterläufen. Die Vorderbeine sind viel kürzer. Vielleicht erleichtert dies ihnen das Grasen. Wir fahren auf einer kaum sichtbaren Spur durch hohes, gelbes Gras, als zwanzig Meter vor uns eine Katze auf dem Weg davon trabt. Was ist das? Das Fell ist gelb und schwarz gepunktet wie bei einem Leoparden. Aber das Tier ist viel kleiner. „Jööh, ein Büsi!“  Wir sehen einen sogenannten Serval. Die kleine Raubkatze ist nur wenig grösser, als unsere Hauskatzen und ist mit ihrem wunderschönen Fell in der afrikanischen Vegetation bestens getarnt. Als uns das Kätzchen sieht, verdrückt es sich schnell ins Gras. Mit aufmerksamen Augen blickt er einige Sekunden zu uns hinüber und verschwindet dann für immer im schützenden Dickicht. Jedes seiner Ohren ist fast so gross wie der Kopf selbst. Die kleinen Katzen sind sehr scheu und wegen ihrer Grösse und der guten Tarnung normalerweise unsichtbar. Wären wir nur wenige Sekunden früher oder später an diese Stelle gekommen, hätten wir den Serval verpasst.

Mit Hilfe des GPS gelingt es uns, wieder etwas Orientierung zu gewinnen. So finden wir schliesslich auf einer tiefsandigen Piste durch dichten Mopane-Wald zur Third Bridge. Diese Brücke über einen Wasserarm des Deltas ist aus Holzknüppeln gebaut. Tragen diese das Gewicht des Fahrzeugs? Die Äste sind nicht einmal fixiert, sondern nur lose auf ein Gerüst aus anderen Stämme gelegt, die in den Sumpf gerammt wurden. Die Brücke knirscht und ächzt, als wir sie überqueren, doch sie hält. Links und rechts ragen hohe Papyrusstauden in den Himmel. Im Camp unmittelbar neben der Brücke ist es ganz ruhig. Kein Mensch ist zu sehen. Abends wird sich der Zeltplatz füllen, denn die beschränkten Stellplätze in den Camps im Moremi-Park sind oft schon Monate im Voraus ausgebucht.  Deutlich sind Weglein zu sehen, die ins Wasser führen. Dort kommen nachts mit Sicherheit die Flusspferde ans Land, um zu fressen. Wir stellen den Wagen dezent an den Rand, um den allfälligen, nächtlichen Besuchern den Weg nicht zu versperren. Vögel zwitschern, im Wasser hören wir Frösche quaken und Grillen zirpen. Wir geniessen die Ruhe und die wärmende Sonne. Von den vielen Tieren, die es auf diesem Campingplatz geben soll, ist im Moment nichts zu sehen. Es kursieren unzählige Warnungen, die so weit gehen, dass man diesen Ort gar ganz meiden sollte. Paviane würden die Lebensmittel vom Tisch stehlen, des Nachts würden Raubkatzen durch das Camp streifen. Das tönt alles recht abenteuerlich! Wir sind gespannt, was der heutige Abend mit sich bringen wird. Vorsichtig sind wir schon jetzt und verstauen alle Esswaren hinter verschlossenen Autotüren. Wer weiss, was sich die Paviane noch alles aushecken – wir sind nach dem Abenteuer in Savuti ja vorgewarnt.

Wir planen eine Rundfahrt um eine Landzunge. Diesmal passen wir gut auf, die Orientierung nicht zu verlieren. Doch auf den verschlungenen Pisten und dem unübersichtlichen Flickwerk aus Sümpfen, Wäldern und Lichtungen ist das aussichtslos. Immerhin erreichen wir unser erklärtes Ziel, die „Dead Tree Island“, die Insel der toten Bäume. Tatsächlich sieht es aus, wie wenn eine Bombe eingeschlagen hätte. Aus der Ebene ragen unzählige, kahle Baumstämme. Noch immer sind die Äste weit verzweigt und strecken sich mit bizarren Verrenkungen in den Himmel. Die Witterung hat schon längst alle Rinde wegradiert und so bleiben nur noch weisse Baumleichen übrig. Dieser Teil der Insel ist in den letzten Jahren offensichtlich etwas abgesunken und wird jetzt oft überflutet. Deshalb sind die Wurzeln der Bäume verfault. Die Wiese zwischen den Stämmen ist so fein gemäht wie ein Golfrasen. Die Hippos leisten ganze Arbeit. Gleichmässig sind die Grashalme auf einem Zentimeter Höhe abgebissen. Dazwischen gibt es einzelne Flecken von höheren Gräsern, die von den Flusspferden anscheinend verabscheut werden.

Wir sehen verschiedene Antilopen, Giraffen und Zebras. Es ist aber die Landschaft, die den grössten Reiz ausübt.  Eine schlanke Raubkatze schleicht über die Ebene. Das letzte Abendlicht färbt das Gräser um den Gepard rötlich und lässt das wunderschöne Fell leuchten. Alle paar Meter bleibt das Raubtier stehen und blickt sich um. Dass ein Fahrzeug direkt vor ihm steht, scheint ihn überhaupt nicht zu kümmern. Er huscht gerade auf uns zu und trabt drei Meter hinter unserem Auto durch. Anschliessend erklettert er einen Termitenhügel und mustert seine Umgebung aufmerksam. Bald ist er im hohen Gras verschwunden. Als die Dunkelheit über das Third Brigde Camp fällt, entschliessen wir uns, die sichere Umgebung des Autos nicht mehr zu verlassen.


Tourengänger: Delta, Xinyca


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