West Coast Trail (Vancouver Island)


Publiziert von Sibille , 11. August 2010 um 00:10.

Region: Welt » Canada » British Columbia
Tour Datum:12 Juli 2010
Zeitbedarf: 5 Tage
Strecke:Pachena Bay (Bamfield) - Gordon River (Port Renfrew)

Das Abenteuer West Coast Trail begann im Frühling, als es darum ging zwei Startplätze für unser Wunschdatum zu ergattern. Der Ansturm von Hikern aus aller Welt auf diesen 75 km langen Trail des Pacific Rim National Parks wird reguliert, um den Einfluss auf die Natur zu minimieren. So dürfen pro Tag 30 Personen vom nördlichen Trailhead bei Bamfield und ebenso viele vom südlichen Trailhead bei Port Renfrew starten. Jeweils 26 Plätze werden per Telefon einige Monate im Voraus vergeben und 4 Plätze werden auf einer „first come first serve“-Basis vor Ort vergeben. Nach über einer Stunde Dauerwählen via zwei verschiedene Leitungen, konnten wir im Frühling die letzten beiden Plätze für unser ausgewähltes Datum ergattern.
Die Anreise nach Bamfield an der Westküste von Vancouver Island erfolgt entweder mit dem Mietauto, per Anhalter oder mit dem West Coast Shuttle Bus, der zwischen Victoria und Bamfield bzw. Port Renfrew verkehrt. Das Mietauto sollte jedoch nicht fast eine Woche unbeaufsichtigt am Trailhead stehen gelassen werden, da es wohl schon öfters vorgekommen ist, dass Autos dort gestohlen worden sind.
Bevor es losgeht, muss jeder Hiker an einer obligatorischen Informationsveranstaltung teilnehmen, wo auf sämtliche Risiken hingewiesen wird (wildlife encounters, Gezeiten, Springfluten…) und wo betont wird, welche Regeln in einem Nationalpark zu befolgen sind („pack it in and out“). Anschliessend wird die camping permit ausgehändigt, welche auf dem Trail zweimal vorgewiesen werden muss, nämlich beim Überqueren von zwei Flüssen, was nur mit einer kleinen Fähre möglich ist.
Es empfiehlt sich diese administrativen Dinge am Tag vor dem Start zu erledigen, um nicht gleich am ersten Tag Stunden damit zu vertrödeln. Ausserdem kann man so alleine starten und erreicht dadurch einen anderen Rhythmus als die „grosse Masse“, was sich durch einsame Zeltplätze ausbezahlt.
 
Day 1: Pachena Bay – km 23
Um 9 Uhr starten wir bei bestem Wetter beim nördlichen Trailhead in Pachena Bay. Aus diversen Quellen ist zu erfahren, dass dies der einfachste Teil des Trails ist und der Weg somit mit jedem Tag anspruchsvoller werden wird. Da der Rucksack täglich leichter wird und man sich ausserdem an die Last und das lange Gehen immer mehr gewöhnt, erschien es uns ideal, den Trail von Norden her in Angriff zu nehmen. Mein Rucksack wiegt etwa 16 kg, was für mich ungewohnt schwer ist, da ich zuvor noch nie auf einer mehrtägigen Trekkingtour war, wo man sich selber versorgen musste. Bei insgesamt aber maximal 40 kg Gepäck sind wir eher „leicht“ unterwegs, verglichen zum Beispiel mit einem Paar aus Calgary, mit welchem wir gleichzeitig losgehen und welches mit 23 kg bzw. 30 kg insgesamt über 10 kg mehr Gepäck mitschleppt!
Der Trail führt über perfekt hergerichtete Boardwalks bzw. normale Wege durch den Wald und die regelmässig angebrachten Kilometertäfelchen scheinen nur so vorbei zu fliegen. Wir können uns noch nicht wirklich vorstellen, was an diesem Trail so anspruchsvoll sein soll…
Nach den ersten 10 Kilometern machen wir von den Klippen einen Abstecher hinunter Richtung Strand, wo wir eine Seelöwen-Kolonie auf einem Felsen beobachten können... ein erstes Highlight! Kurz danach ist der Pachena Leuchtturm erreicht, wo wir eine längere Mittagspause einlegen und die Sonne geniessen. Anschliessend wandern wir wieder weitgehend durch den Wald bis wir ab km 20 schliesslich noch drei Kilometer am Strand entlang laufen müssen, da es aufgrund der Gezeiten keine Möglichkeit gibt das Zelt vorher aufzustellen. Diese letzten Kilometer ziehen sich extrem in die Länge, das ständige Einsinken im Sand zehrt an den Kräften. Wir werden jedoch mit einem fast leeren Zeltplatz belohnt, da die meisten Wanderer als Tagesziel einen Platz bei km 14 wählen (bei ausgeschilderten Zeltplätzen hat es jeweils ein outhouse, sowie Food-lockers).
 
Day 2: km 23 – Dare Point (km 39)
Um 10 Uhr brechen wir zusammen mit Todd und Kathy, dem Paar aus Calgary, auf und fahren mit einem Cable Car über den Klanawa River. Zuerst zwei grosse Rucksäcke und zwei Personen in die kleine Metallkiste dieser “Bahn“ unterbringen, dann bis zur Flussmitte runtersausen und anschliessend sich auf gegenüber liegende Seite hochziehen erfordert doch einiges an Geschick und Kraft, ist aber sehr cool!
Die Strecke des zweiten Tages habe ich als enorm vielseitig und wunderschön in Erinnerung. Der Weg führt mehrheitlich durch den Wald, nun immer mehr über Brücken und Leitern, dazwischen werden wir immer wieder mit wunderbarer Sicht auf die Küste, felsige Klippen und kleine Sandbuchten belohnt. Ein Highlight ist ausserdem der „Tsusiat Fall“, ein extrem schöner, breiter Wasserfall direkt am Strand, wo wir wahrscheinlich das beste Wasser des ganzen Trails abpumpen konnten, wobei hier das Pumpen aufgrund der guten Wasserqualität wahrscheinlich überflüssig war..
Kurze Zeit später ein Dämpfer: Todd und Kathy müssen aufgeben, da Kathy’s Schmerzen im Knie (verursacht durch einen Fehltritt am ersten Tag) zu gross werden, um den Trail beenden zu können. Glücklicherweise haben sie – im Gegensatz zu uns – mit ihrem Handy Empfang, können Hilfe anfordern und werden am nächsten Tag ausgeflogen. Evakuationen erfolgen je nach Witterung und Gezeitenstand per Helikopter oder Boot, was aber nicht täglich möglich ist.
Wir wandern weiter, nun in etwas erhöhtem Tempo, da die Überquerung der „Nitinat Narrows“ ansteht, ein breiter Fluss, der nicht umgangen oder durchwartet werden kann, sondern mit einer Fähre überquert werden muss. Wir erreichen das Ufer des Flusses kurz vor 16.30 Uhr, was gleichzeitig (gemäss Plan) das Ende der Betriebszeit der Fähre bedeutet. Hätten wir die Fähre verpasst, hätten wir etliche Kilometer zurücklaufen müssen, um einen Platz zum Zelten zu finden. Glücklicherweise taucht die Fähre nach bangen 10 Minuten auf und transportiert uns auf die andere Seite, wo wir von der Familie des Fährmanns frisch zubereitete Krabben geniessen... wunderbar! Ein Festessen, was verdient werden muss da der Umgang mit dem entsprechenden Werkzeug (insbesondere bei Heisshunger!) einiges an Geduld erfordert.
Nach diesem leckeren Mahl laufen wir gestärkt noch 6 Kilometer weiter und schlagen beim „Dare Point“ (keine facilities, dafür nur drei weitere Personen) das Zelt auf.
 
Day 3: Dare Point (km 39) – Walbran Creek (km 53)
Nach dem langen zweiten Tag brechen wir erst gegen halb elf auf und wandern zuerst dem Strand entlang, wo uns schliesslich der steigende Wasserpegel zur Eile antreibt, da der entsprechende Strandabschnitt vor Carmanah Leuchtturm nur bis zu einem bestimmten Wasserstand passiert werden kann.
Nach diesem Leuchtturm wandert man durch ein weiteres Indianer Reservat, wo sich ein aussergewöhnliches „Restaurant“ befindet. In einer Zeltbaracke, direkt am Strand lebt eine Familie und verkauft Burger… selten hat ein Stück Fleisch so gut geschmeckt und es versteht sich von selbst, dass sich kaum ein Hiker diesen Gaumenschmaus entgehen lässt. Da ich aber den eher verwahrlosten Eindruck der Familie, insbesondere des kleinen Jungens, sowie die unhygienischen Zustände nicht ausblenden kann, beelendet mich diese Begegnung mehr als ich sie geniessen kann, ganz im Gegensatz zur Begegnung am Vortag mit der Familie aus dem Indianer Reservat bei den „Nitinat Narrows“.
Der weitere Weg dem Strand entlang ist so monoton, dass wir unseren eigenen Gedanken nachhängen und dabei fast über eine Babyrobbe stolpern, welche ganz alleine am Strand liegt. Wie uns später versichert wurde, ist dies keine Seltenheit, sondern kann des Öfteren beobachtet werden, wenn die Mütter von Babyrobben fischen gehen.
Ab Kilometer 51 entscheiden wir uns – der Abwechslung halber – die letzten beiden Kilometer im Wald zurückzulegen. Unvorstellbare fast zwei Stunden (!) benötigen wir, um Baumstämme zu überklettern, gigantische Schlammfelder zu durchqueren, unbeschadet über rutschige Boardwalks zu wandern, bis wir schliesslich mit einem weiteren Cable Car den überfüllten Zeltplatz bei Walbran Creek erreichen.
 
Day 4: Walbran Creek (km 53) – Camper Bay (km 62)
Am vierten Tag legen wir nur gerade mal neun Kilometer zurück, wobei sich das Mitbringen von Gamaschen definitiv gelohnt hat, da sehr viele schlammige Passagen zu bewältigen sind.
Dass dieser Tag von der Distanz her relativ kurz ausfällt hängt damit zusammen, dass es zwischen km 62 und km 70 keinen gesicherten Zeltplatz gibt. Zwar wird in unserem Führer erwähnt, dass es beim „150 Yard Creek“ (km 66) im Wald Platz für zwei Zelte gibt, da wir aber den Zeltplatz bei Walbran Creek als Letzte verlassen und wissen, dass drei andere Personen bereits planen dort zu nächtigen, müssen wir wohl oder übel bereits bei Camper Bay unser Zelt aufschlagen. Wiederum ist sehr viel (zu viel!) los und zum ersten Mal nehmen wir bewusst wahr, dass der West Coast Trail auch von Europäern begangen wird. Davor haben wir vor allem Kanadier und Amerikaner angetroffen.
 
Day 5: Camper Bay (km 62) – Gordon River (km 75)
Ursprünglich wollten wir den West Coast Trail in 6-7 Tagen zurücklegen, was dem durchschnittlichen Zeitbedarf entspricht. Da wir aber in den ersten vier Tagen gut vorangekommen sind – dies sicherlich auch dank dem unglaublichen Wetterglück (keinen einzigen Tropfen Regen!)– wollen wir versuchen den Trail am 5. Tag zu beenden.
Wir brechen deshalb kurz vor acht Uhr auf und klettern diverse Leitern in den Wald hoch, wo wir die nächsten zwei Kilometer des Trails zurücklegen. Beim so genannten „Beach Access A“ entdecken wir eine grosszügige Waldlichtung, welche Platz für etwa fünf Zelte bietet und perfekt als Zeltplatz für die Nacht davor geeignet gewesen wäre!
Die folgenden fünf Kilometer dem Strand entlang sind extrem abwechslungsreich, da sich die Küste mit jedem Kilometer verändert: von sandig zu felsig zu steinig… Gleichzeitig wird das Gehen immer anspruchsvoller, da die Steine/Felsen immer grösser und gleichzeitig rutschiger werden. Es braucht enorme Konzentration, um von Felsblock zu Felsblock zu hüpfen, immer mit dem Blick auf den nächsten Ort, wo der Fuss einen mehr oder weniger sicheren Stand finden wird. Das Überklettern der Felsblöcke braucht ebenfalls Kraft und das Balancieren ist mit dem Gewicht des Rucksacks auch etwas ungewohnt. Ein Fehltritt und die Tour kann auch auf den letzten Kilometern noch ein abruptes Ende nehmen… Von diesem sehr anstrengenden Steckenabschnitt habe ich leider kein einziges Bild, da ich zu sehr damit beschäftigt war, ohne zu stürzen einen Weg durch diese „Boulders“ zu finden.
Bei Thrasher Cove, dem letzten möglichen Zeltplatz des Trails, geht's über unzählige Leitern steil hoch zum eigentlichen Weg durch den Wald. Dieser Weg führt nun auf den letzten Kilometern ständig hoch und runter. Kaum hat man an Höhe gewonnen, geht’s wieder runter über eine Brücke über ein Bächlein und auf der anderen Seite wieder über Leitern hoch. So erklimmt man schliesslich auf den letzten paar Kilometern auch noch den höchsten Punkt des Trails. Gemäss Literatur soll auf diesem letzten Abschnitt des Trails pro Kilometer eine Stunde einberechnet werden. Glücklicherweise sind wir schneller, sodass wir müde, aber glücklich und stolz nach nicht ganz 7 Stunden bereits am fünften Tag die 75-Kilometer-Markierung und somit das Trailende beim Gordon River erreichen. Auch dieser Fluss kann nur mit einer Fähre überquert werden, weshalb eine gute Planung vorteilhaft ist.
 
 
Übersicht:
Day 1: Pachena Bay – km 23; 8 Stunden
Day 2: km 23 – Dare Point (km 39); 9 Stunden
Day 3: Dare Point (km 39) – Walbran Creek (km 53); 9 Stunden
Day 4: Walbran Creek (km 53) – Camper Bay (km 62); 4.5 Stunden
Day 5: Camper Bay (km 62) – Gordon River (km 75); 6.75 Stunden
(Die angegebenen Zeiten sind reine Wanderzeiten und beinhalten keine Pausen)
 
Wildlife:
Während des ganzen Trails bimmelte eine kleine Kuhglocke (aus dem Touristenshop in Luzern) an meinem Rucksack vor sich hin, um eine überraschende Begegnung mit einem cougar oder einem black bear zu verhindern. Dies kann insbesondere gefährlich werden, wenn man zwischen die Tiere und ihre Jungen gerät.

Nützliches:
Bike-Handschuhe schützen die Hände nicht nur bei den unzähligen Holzleitern oder den Cable Cars sondern auch beim Überklettern der grossen Felsblöcke (auf dem letzten Strandabschnitt), welche mit messerscharfen Muscheln übersäht sind.
Gamaschen erleichtern das Durchwaten von Schlammfeldern, welche selbst bei bestem, trockenem Wetter zahlreich vorhanden sind.
Um den doch grossen Massen zu entfliehen unbedingt weniger typische Tagesetappen planen und an der Informationssession am Vortag teilnehmen.
 
Buchtipp:
Tim Leadem „Hiking the West Coast Trail“ (ISBN: 1-55365-155-3)
Der Trail wird in sechs Tagesetappen ausführlich beschrieben.

Tourengänger: Sibille


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