Durch Luch und Ländchen: Mit dem Fahrrad vom Nusswinkel in den Tritz


Publiziert von ABoehlen , 20. Oktober 2008 um 20:54.

Region: Welt » Deutschland » Norddeutsches Tiefland
Tour Datum:28 September 2008
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   Havelland   Ländchen Rhinow 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 50 m
Abstieg: 50 m
Strecke:Rathenow – Semlin – Ferchesar – Lochow – Schönholz – Eislaake – Hohennauen – Rathenow
Zufahrt zum Ausgangspunkt:RE2 von Berlin nach Rathenow
Unterkunftmöglichkeiten:Restaurant & Pension «Zur alten Stadtmauer» in Rathenow
Kartennummer:Topographische Freizeitkarte 1:50’000 «Naturpark Westhavelland Nord» oder Topographische Karte DDR 1:50’000: N-33-109-D Rhinow / N-33-121-B Rathenow

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Auch am Sonntag satteln wir wieder unsere Fahrräder und begeben uns auf die Kreisstrasse 6320, die von Rathenow durch die Wälder der Hüttenberge nach Semlin am Hohennauener See führt. Wie schon gewohnt, wird auch diese Strasse auf der ganzen Länge von einem Radweg begleitet, was die Fahrt sehr angenehm macht. Im Gegensatz zu gestern, ist es heute von Beginn an sonnig, für den weiteren Tagesverlauf ist aber Regen angesagt. Mal sehen…

Semlin, das zu Rathenow gehört, ist ein beliebter Ferienort in ruhiger Lage zwischen See und Wald gelegen. Nicht nur der Ort wirkt sehr gepflegt, auch die Strasse Richtung Semlin Ausbau und Ferchesar ist neu gepflästert und in einem hervorragenden Zustand. Allerdings führt sie nicht dem Ufer entlang, sondern durch das Hinterland, sodass man den See nur ab und zu mal durch die Bäume hindurch zu Gesicht bekommt. Der fjordartig sich verengende See wird im hinteren Teil Ferchesarer See genannt, nach dem Ort an seinem Ende.

Hinter Ferchesar erstreckt sich das ausgedehnte Waldgebiet des Nusswinkels, dessen Teile auch Namen wie Ferchesarer Heide, Lochower Heide oder Rhinsmühlener Heide tragen; klare Indizien dafür, dass dieses Gebiet nicht immer bewaldet war. Heidekrautbestände sind indes noch immer vorhanden, jedoch dominiert heute eindeutig der Wald, welcher wie fast überall hier von der Kiefer geprägt ist, einer Baumart, die auf den sandigen, trockenen Böden ausgezeichnet gedeiht.

Quer durch diese hügelige Waldlandschaft zieht sich ein schmaler Plattenweg, bis ins jenseitige Tal nach Lochow, einem Dörfchen weitab von Lärm und Hektik. So schmal die Strasse in den Ort hinein ist, so schmal ist auch jene, die auf der anderen Seite weiterführt. Hier beginnt das «Luch», wie im Havelland die tief gelegenen, oft sumpfigen Ebenen genannt werden. Das Gegenstück dazu sind die «Ländchen», die wie Inseln aus den Niederungen herausragen und Moränenreste der Eiszeiten sind. Ein Ländchen, den Nusswinkel, haben wir soeben kennen gelernt, das nächste, jenes von Rhinow, können wir bereits deutlich am Horizont ausmachen, jedoch ist es noch ein weiter Weg bis dorthin. Zuvor muss der «Tritz» durchfahren werden. Dies war einst ein grosser sumpfiger Wald, der weite Teile dieser Niederung bedeckte. Heute bezieht sich dieser Name auf den nördlichen Teil, wo sich zwischen den Ländchen von Rhinow und Friesack noch ausgedehnte Sumpfwälder befinden. Wir durchfahren dagegen entwässerte und grösstenteils gerodete Gebiete, die nun als Weide genutzt werden, vielfach aber auch brach liegen. Zahlreiche Hecken und Dickichte sorgen aber dennoch für ein abwechslungsreiches Landschaftsbild und sind zudem für die einheimische Tierwelt sehr wertvoll. Diese weist mit der Grosstrappe sogar eine der schwersten flugfähigen Vogelarten der Welt auf (ca. 15 – 17 kg.). Die vom Aussterben bedrohten und sehr scheuen Vögel sind aber ausserordentlich schwierig zu beobachten. Am ehesten hätte man wohl im Grosstrappenschongebiet bei Buckow, östlich von Rathenow, Aussicht auf Erfolg.

Wir aber lassen den Tritz hinter uns und erreichen sanft ansteigend das Dörfchen Schönholz im Ländchen Rhinow. Über Schönholz lesen wir im «Rathenower Heimatkalender» von 1960 folgendes:

Bald ist das frühere Vorwerk Schönholz erreicht. Früher befanden sich hier nur sehr wenige Einwohner, die größtenteils als Gutsarbeiter für sehr geringen Lohn, in primitiv gebauten Katen untergebracht, ihr karges Dasein fristeten. Heute, im Zeitalter der Fortentwicklung des Sozialismus, ist die Einwohnerzahl auf ca. 200 gestiegen. Entlang des Weges, zu beiden Seiten, stehen zwar kleine, aber schmucke und saubere Häuschen auf eigenem Grund und Boden der werktätigen Bauern. Jeder von ihnen hat eine landwirtschaftliche Nutzfläche von ca. 5 bis 10 ha und außerdem eine Waldparzelle von ca. 2 ha. Fast alle Bauern des Dorfes sind Mitglieder der LPG "Walter Ulbricht"; Sie haben die Verpflichtung übernommen, ihre LPG bis 1960 rentabel zu gestalten und ohne Staatszuschüsse zu arbeiten. Für die vermehrte Rinderhaltung und -aufzucht wurde ein Offenstall bereits fertig gestellt, während ein weiterer sowie ein großer Schafstall der Vollendung entgegensehen.

Ob es die Bauern geschafft haben, ihre LPG rentabel zu gestalten, entzieht sich meiner Kenntnisse. Heute machen die Ställe, etwas ausserhalb des Ortes gelegen, jedenfalls einen verwahrlosten Eindruck. Das Dorf ist aber immer noch hübsch mit «schmucken und sauberen Häuschen», wie sich der Autor des zitierten Berichtes ausdrückt.

Über einen kleinen Pass zwischen den Rönebergen und dem Wuthenowsberg gelangen wir ins Gebiet des Fluplatzes Stölln, das uns bereits bekannt ist. Leider müssen wir aber feststellen, dass am bisher makellos blauen Himmel immer mehr dunkle Wolken aufziehen und so entscheiden wir uns, nach Süden weiterzufahren. Erneut befinden wir uns auf einem Plattenweg, der kilometerweit durch die hügeligen, einsamen Wälder des Rhinower Ländchens führt. Durch Eislaake und vorbei am Kohlhof gelangen wir so wieder auf die B102, unweit der Abzweigung nach Spaatz.

Somit ist der Rückweg gegeben; die Strecke auf dem Radweg längs der B102 ist uns bereits bestens bekannt und wir kommen nach 45 km wohlbehalten und bei sich bereits wieder aufhellendem Himmel in Rathenow an.

Tourengänger: ABoehlen, Stini


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