Über dem Hochnebelmeer: Mattstock (1936 m) - Raaberg W-Gipfel (1779 m) - Stock (1707 m)


Publiziert von marmotta , 8. Dezember 2014 um 22:49.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum: 5 Dezember 2014
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG   Speer-Mattstock   Zürcher Hausberge 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 1450 m
Abstieg: 1230 m
Strecke:Amden, Hinterstein - Fallenbachbrücke - Strichboden - Walau - Mattstock - Bärenfall - Raaberg Westgipfel - Rah - Hinter Höhi - P. 1406 - Stock - Alp Furgglen - Hüttlisboden - P. 1450 - Altschen - Grossriet - Arvenbüel
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Amden, Hinterstein
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Amden, Arvenbüel

Obwohl ich seit vielen Jahren in den Ostschweizer Bergen unterwegs bin und allein im Kanton St. Gallen rund 150 verschiedene Gipfel bestiegen habe, war ich erstaunlicherweise bis anhin noch nie auf dem Mattstock (1936 m) gewesen! Zu abschreckend wirkten wohl die vielen Lawinenverbauungen, welche wie ein Netz die gesamte Südostflanke des Berges durchziehen und meiner Vorstellung von unberührter Natur und Bergromantik so gar nicht entsprechen…
 
Allein der Aussicht wegen ist der Mattstock jedoch ein lohnendes Tourenziel. Zudem bietet die Sonnenterrasse oberhalb von Amden den in dieser Jahreszeit entscheidenden Vorteil, dass man 1.) in der Regel bereits über der Hochnebeldecke startet und 2.) dank der Südostexposition von Anfang an die wärmenden Strahlen der tiefstehenden Wintersonne geniesst! Im Übrigen konnte ich bei dieser Gelegenheit auch endlich mal den eher unbedeutenden Nebengipfeln Raaberg und Stock einen Besuch abstatten, die für mich als selbständige Tourenziele bislang nie in Betracht gekommen waren.
 
Letzter Tag einer lang anhaltenden Inversionswetterlage mit grauem und trübem Wetter in den Niederungen und viel Sonne und Wärme über dem Hochnebel - und damit das mutmassliche Ende einer unglaublich langen Wandersaison (man erinnere sich: dank des schneearmen Winters herrschten in den nördlichen Voralpen bereits im Frühjahr beste Wanderbedingungen!). Noch auf der Anfahrt zum Ausgangspunkt cff logo Amden, Hinterstein lasse ich die Hochnebeldecke mit einer Obergrenze bei knapp 1000 m unter mir. Lediglich die ersten Meter, auf denen ich den Fallenbach über eine spektakuläre (und infolge der Reifglätte an diesem Morgen sehr rutschige) Metallbrücke überquere, muss ich im Schatten zurücklegen. Dann trete ich ins gleissende Licht der tiefstehenden Sonne, die mich fortan begleitet und mir tüchtig einheizt. Die Fahrstrasse Richtung Strichboden mehrfach über die Wiesenhänge abkürzend, erreiche ich nach gut 20 min. das Holzstübli an der Talstation des Skilifts. Weiterhin weglos halte ich etwas nach NW, bis ich auf den Wanderweg nach Walau (P. 1421) treffe. Diesem folge ich durch die rostigen Lawinenverbauungen hindurch bis auf den Gipfel des Mattstocks (T2, 1 h 30 min. ab Hinterstein). Oben hat es ein Bänkchen (wie nett), eine massive Wetterstation und ein rostiges Geländer, das den schwindelnden Wanderer vor den schaurigen Abgründen schützen soll. Fehlt eigentlich nur noch ein Kaffee- und Süssigkeitenautomat… ;-)
 
Natürlich bin ich nicht der Einzige, der an diesem traumhaft schönen Tag die Sonne und die Wärme über dem Hochnebelmeer geniessen möchte: Zwei Frühaufsteher waren mir bereits im Aufstieg begegnet und während meiner ausgiebigen Gipfelrast trifft ein Bergläufer oben ein. Weitere Wanderer und Bergläufer begegnen mir dann auf dem Abstieg. Nachdem es auf dem Gipfel mit leichtem Ostwind doch etwas kühl geworden war, nehme ich an der geschützten Hauswand des ca. 100 m tiefer gelegenen Hüttchens noch mal ein längeres Sonnenbad.
 
Mit Erschrecken stelle ich fest, dass der Hochnebel zwischenzeitlich bereits um rund 200 m gestiegen ist und ich am späteren Nachmittag wohl im dichten und kalten Nebelgrau nach Arvenbüel (1273 m) werde absteigen müssen. Doch noch liegt ja zum Glück der sonnige Bogen über Raaberg und Stock zum Hüttlisboden vor mir. Um auf schnellstmöglichem Wege zum Westgipfel des Raabergs (1779 m) zu gelangen, quere ich unterhalb der letzten Lawinenverbauungen auf ca. 1600 m die steile, aber gut gestufte Südostflanke des Mattstocks und erreiche so mit wenig Höhenverlust die grosse Karstmulde unter dem Bärenfall (nun weiss ich auch endlich, wo genau sich die SLF-Schneemessstation "Amden, Bärenfall" befindet…).
 
Da ich den Legföhrenfetisch mancher User nicht teile und mir intimere Kontakte der kratzigen Gesellen zuwider sind, wähle ich vom oberen Ende des Schlepplifts eine komplett baumfreie Route durch eine grasige Rinne zu den Gipfelfelsen des Westlichen Raabergs (bei normalen Verhältnissen T3, bei den vorherrschenden Verhältnissen mit Rauhreif im Schatten und plattgedrücktem, verdorrtem Gras eher T4). Um den Gipfelblock mit dem stilisierten Metallpickel zu erreichen, sind nun einige Kletterzüge und exponierte Schritte auf dem Gipfelgrat erforderlich (T5, II). Den Gipfelblock selbst umgeht man dabei am besten erst auf der Südseite, um ihn dann von Norden zu erklettern (III). Der höchste Punkt bietet allerdings kaum Platz für eine gemütliche Gipfelrast, zudem ist der Fels auf der Nordseite wegen überfrorener Feuchtigkeit ziemlich rutschig, so dass die Turnerei gar nicht so ohne ist!
 
In der Annahme, nun den höchsten Punkt (P. 1779) und damit den Gipfel des Raabergs bestiegen zu haben, ziehe ich eine Überschreitung des legföhrenbestockten Grates nach Osten nicht in Betracht. Zum Einen habe ich meinen Rucksack am Fuss der Grasrinne unter dem Raaberg-Westgipfel deponiert und zum Anderen ist mir in diesem Moment nicht bewusst, dass es weiter östlich tatsächlich noch eine zweite kotierte Erhebung gibt, die (wie ich zuhause feststellen musste) auf der LK exklusiv mit "Raaberg" bezeichnet wird. Mir erscheint es allerdings nicht logisch, den niedrigeren Punkt eines Bergkammes zum (Haupt-)Gipfel zu erklären, zudem dürfte dieser Punkt auch wesentlich mühsamer zu erreichen sein - weshalb ich ihn einfach von meiner "Liste" streichen werde…:-)
 
Einen Ra(a)ben habe ich am Raaberg übrigens nicht gesehen, dafür kreiste plötzlich ein Steinadlerpaar über meinem Kopf! Eine eindrückliche Szene, "natürlich" schraubten sie sich schnell höher, als sie mich wahrnahmen, so dass ich leider keine Gelegenheit hatte, ein einigermassen scharfes Foto zu schiessen.
 
Die Traversierung der Raaberg-Südflanke Richtung Alp Rah / Hinter Höhi ist bei diesen Verhältnissen nicht zu empfehlen: In der steilen, kaum gestuften Grasflanke ist die Gefahr, auf den ausgedörrten Grashalmen wegzurutschen, nicht gerade gering. Ich steige daher auf einem Sporn etwas ab, um dann auf ca. 1450 m einigermassen höhehaltend zur Hinter Höhi (1416 m) zu gelangen. Von dort auf dem Fahrweg durch das Hochmoor und weiter der Beschilderung Richtung Furgglen-Hüttlisboden folgend. In den schattigen Passagen ist es augenblicklich gefühlte 10 °C kälter, der Boden und die Pfützen sind hier ganztags gefroren. Es ist halt doch nicht mehr Sommer, auch wenn es in den Südflanken noch so aussieht…
 
Kurz vor Erreichen der Alp Furgglen verlasse ich den Wanderweg und steige durch ziemlich verkrautetes und mit Totholz durchsetztes Gelände steil die NW-Flanke des Stock empor. Bald legt sich das Gelände jedoch zurück und ich sehe, dass die bis auf den Gipfel führenden Weideflächen über diverse Pfade auch deutlich weniger mühsam zu erreichen wären (T2). Der "kleine Bruder" des bekannteren Gulmen (1789 m) bietet nach Norden einen eindrücklichen Tiefblick auf die schattige Alp Elmen, nach Süden ist der Blick durch den Baumbestand leider etwas verstellt. Bei einer sonnigen Rast geniesse ich dafür den Rückblick auf die zuvor bestiegenen Gipfel Mattstock und Raaberg (West).
 
Der Abstieg nach Südosten erfolgt auf offensichtlicher Route durch eine steile Grasrinne (T3). Kurz hinter der Alp Furgglen (1495 m) treffe ich wieder auf den Wanderweg, der mich auf den schönen Aussichtshügel am Hüttlisboden (1510 m) führt. Am liebsten wäre ich von dort gar nicht mehr weiter abgestiegen, denn der Hochnebel war mittlerweile auf über 1400 m angestiegen und drohte, mich gleich zu verschlucken. Auf Höhe des Wegweisers bei P. 1450 war das Unvermeidliche dann jedoch nicht mehr abzuwenden: Ich tauchte in den dichten und kalten Nebel ein - nur mit einem T-Shirt bekleidet, war ich nun natürlich reichlich "underdressed"! Mit Jacke, Handschuhen und Mütze bewaffnet, ging es via Altschen durch den Wald hinunter nach Arvenbüel. Dabei hätte es mich auf dem gefrorenen und mit Rauhreif bedeckten Boden um ein Haar gleich mal auf den Hintern gelegt. Ausserhalb des Waldes war die Nebelsuppe so dicht, dass ich mich selbst im einfachsten Gelände (durch das ja eigentlich ein markierter Wanderweg führt) nicht mehr orientieren konnte. Nach einigen Irrwegen erreichte ich glücklich die ersten Häuser von Arvenbüel (die erst wenige Augenblicke zuvor schemenhaft aus dem Nebel auftauchten). Immerhin reichte es bis zur Abfahrt meines Busses trotzdem noch für eine Einkehr im Ammlerhof. Die (wenige Schritte entfernte) Bushaltestelle habe ich dann allerdings auch erst nach längerem Herumirren im Nebel gefunden. Unglaublich, aber wahr: Durch die weissliche Lackierung "getarnt", war der dort wartende Bus von der gegenüberliegenden Strassenseite noch nicht zu erkennen!   

Tourengänger: marmotta


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