Corno Grande (2912 m) - höchster Berg zwischen Alpen und Ätna


Publiziert von 83_Stefan , 20. Oktober 2014 um 10:25.

Region: Welt » Italien » Abruzzen
Tour Datum:13 August 2014
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 900 m
Abstieg: 900 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Via SS17bis oder mit der Seilbahn von Fonte Cerreto zum Hotel di Campo Imperatore; dort kostenfreier Großparkplatz.
Unterkunftmöglichkeiten:Hotel di Campo Imperatore (ca. 2130 m) am Ausgangspunkt.
Kartennummer:Kompass 2476 - Parco Nazionale del Gran Sasso e Monti della Laga.

In Mittelitalien, etwa auf der Höhe von Rom, erhebt sich die Gebirgskette des Gran Sasso d'Italia. Nähert man sich aus Norden von der Adria her, beeindruckt ihre Wuchtigkeit ganz besonders - sie übersteht auch einen Vergleich mit den Alpen unbeschadet! Ihr höchster Gipfel, der Corno Grande, überragt alle Nachbarn um fast 300 Meter und erhebt sich über dem Städtchen Isola del Gran Sasso d'Italia 2500 Meter in den Himmel - was für ein Berg! Dass es sich beim Corno Grande um eine Aussichtskanzel erster Güte handelt ist klar, denn keine Erhebung zwischen Alpen und Ätna ist auch nur annähernd so hoch wie er. Mit seinem kleinen Calderone-Gletscher auf der Nordseite - dem südlichsten Gletscher Europas - weist er ein weiteres Superlativ auf und zudem führt unter ihm der längste zweiröhrige Straßentunnel Europas hindurch.
So wild wie sich der Berg von Norden her gebärdet, ist er in Wirklichkeit aber nicht - der einfachste Anstieg ist nicht schwierig und leitet überwiegend in einem Schuttkar nach oben. Viel interessanter als der Normalweg ist hingegen die Überschreitung des Berges via Südflanke und Westgrat - der steile Felsanstieg von Süden sorgt für den einen oder anderen Adrenalinschub und der Abstieg am aussichtsreichen Westgrat lädt zum Schauen und Staunen ein...


Los geht's am Hotel di Campo Imperatore. Hier am Rande des gleichnamigen Hochplateaus wurde im Zweiten Weltkrieg der "Duce" Benito Mussolini festgehalten, bevor er von einer deutschen Sondereinheit befreit wurde. Ein breiter Steig leitet zunächst nach Nordwesten am Rücken bergan, quert anschließend die Ostflanke des Monte Portella und erreicht die Sella die Monte Aquila, wo unter anderem der Normalweg zum Corno Grande abzweigt.

Man folgt dem Steig, der durch Matten hinauf zum Monte Aquila leitet - zwar nur ein kleiner Fisch im Gegensatz zum Corno Grande, aber dafür völlig problemlos zu erreichen. Neben einem ausgezeichneten Blick auf den Felskoloss hat man noch eine ganz nette Aussicht nach Norden sowie auf die Hochebene Campo Imperatore.

Auf Steigspuren geht es hinunter zur Sella del Corno Grande. Dem markierten Weg folgt man an den Gipfelaufbau des Corno Grande heran, bis der Steig zum Bivacco Bafile nach rechts abzweigt. Nun beginnt der spannende Teil des Anstiegs: den grünen Dreiecken folgend, hält die Route auf eine steile, kaminartige Rinne zu, in der es recht direkt (bis II) nach oben geht. Auf einem Band wird ein Stück nach rechts gequert, bis es nach einer kurzen Felsplatte (technische Schlüsselstelle, II+) wieder in einer steilen Rinne aufwärts geht (bis II). Oben weitet sich die Rinne in einen Kessel und durch schrofiges Gelände geht's weiter bergan, eine kurze, ausgesetzte Querung ist mit einem soliden Bohrhaken versichert. Knapp unterhalb des Westgrats wird der ungeheuer aussichtsreiche Gipfel (Kreuz und Buch) durch gutmütige Schrofen erreicht. Was für ein Ausblick: die Berge des Gran Sasso, im Nordosten die Adria, das mediterrane mittelitalienische Hügelland, im Süden die Hochebene des Campo Imperatore und im Westen das glitzernde Auge des Lago di Campotosto. Der Ausblick vom Corno Grande wird jedem noch so verwöhnten Berggänger besonders in Erinnerung bleiben.

Der Rückweg verläuft auf dem deutlich einfacheren Westgrat. Dazu steigt man auf dem breit ausgetretenen Hauptweg am Westgrat zur Verzweigung ab. Der Normalweg verlässt hier den Grat nach rechts und leitet im Kar bergab, doch man folgt den deutlichen Markierungen am Grat und in Gratnähe meist durch schrofiges Gelände abwärts. Ein paar Mal muss Hand an den Fels gelegt werden (I, eine kurze Stelle versichert), so richtig schwierig wird's aber nie. Schließlich erreicht der Steig wieder den Normalweg, dem man nach links folgt. Er quert absteigend die Südwestflanke des Corno Grande und in einem Gegenanstieg wird schließlich wieder die Sella di Monte Aquila erreicht, wo man auf den Aufstiegsweg trifft. Auf ihm zurück zum Ausgangspunkt.

Schwierigkeiten:
Monte Aquila vom Hotel di Campo Imperatore: T2 (unschwierig).
Via Südflanke zum Corno Grande: T5, II+ (anhaltende Kraxelei mit mehreren Passagen im zweiten Grad, durchgehend festes Gestein).
Abstieg über Westgrat: T4, I (einige Kletterstellen bis I, häufig schrofiges Terrain).

Fazit:
Eine 5*-Traumtour auf einen beeindruckenden Aussichtsberg der Sonderklasse! Die hier vorgestellte Kombination von Südflanke und Westgrat ist ganz besonders lohnend: der Anstieg durch das Rinnensystem ermöglicht dank des festens Gesteins schönste Kraxelfreuden, während man beim kurzweiligen Abstieg am Westgrat nochmals den Ausblick genießen kann. Ein Helm ist beim steinschlaggefährdeten Südanstieg sehr empfehlenswert!

Mit auf Tour: Delphi.

Kategorien: Abruzzischer Apennin, Gruppenhöchste, Sonnenaufgangstour, 5*-Tour, 2900er, T5.

Tourengänger: 83_Stefan


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Kommentare (4)


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kardirk hat gesagt:
Gesendet am 20. Oktober 2014 um 15:52
Na da Gratuliere ich, auch geschafft, bei Euch war deutlich weniger los. Das ist halt der Vorteil eines frühen Aufstieges, da konnte ich mich bei meinen Freunden nicht so ganz durchsetzten. Die Diritissima sieht ja auch ganz schön aus. Bei diesem Zeitfenster hättet Ihr eigentlich noch das Corno Piccolo locker mitnehmen können :-).

Viele Grüße
Dirk

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 20. Oktober 2014 um 18:21
Hallo Dirk, vielen Dank! Im Nachhinein war es ein großes Glück, so früh gestartet zu sein, denn somit waren wir die ersten in der steinschlaggefährdeten "Via diretissima". Eigentlich wollten wir "nur" über den Westgrat hoch, aber so war's sicherlich schöner. Und ja, den Corno Piccolo hätten wir sicherlich noch "mitnehmen" können - wenn wir nur dran gedacht hätten ;-) . Beste Grüße zurück!

DonUlmar hat gesagt: Danke für den Post
Gesendet am 5. Juli 2022 um 17:54
Vielen Dank für die ausführliche Beschreibung. Die Markierungen sind mittlerweile Rotgelb aber sonst hat sich nichts geändert ;) Für mich ebenfalls eine 5*-Traumtour. Wem die Kletterei gefallen hat dem sei noch die Via Laghetti (II-III) auf den Monte Prena empfohlen. Viele Grüße, Florian

83_Stefan hat gesagt: RE:Danke für den Post
Gesendet am 8. Juli 2022 um 06:31
Hallo Florian, vielen Dank für deine Rückmeldung und die Aktualisierung! Es freut mich immer, wenn einer meiner Berichte für jemanden nützlich war. Viele Grüße!


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