Auf Wildschweinpfaden zur Volterraio-Burg (395 m)


Publiziert von Fico , 18. Mai 2014 um 15:45.

Region: Welt » Italien » Toskana
Tour Datum:16 Mai 2014
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 3:00
Aufstieg: 395 m
Abstieg: 395 m
Strecke:Spiaggia dell'Ottone - Volterraio-Burg - Spiaggia dell'Ottone
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Buslinie Portoferraio-Bagnaia, Haltestelle "Villa Concia"
Zufahrt zum Ankunftspunkt:gleich wie Ausgangspunkt
Unterkunftmöglichkeiten:Camping Rosselba Le Palme (www.rosselbalepalme.it/de/), Hotel Villa Ottone (www.villaottone.com/index.php?lang=deu), verschiedene weitere Hotels und Unterkünfte in der Nähe.

Der Besuch bei Freunden, die ich seit ein paar Jahren nicht mehr gesehen hatte, war der eigentliche Grund für meinen Kurzurlaub auf Elba: alles in allem je ein halber Tag Reise, ganze zwei Tage Inselaufenthalt. Mit dem Direktflug von Zürich landet man nach anderthalb Stunden auf der Insel, die für mich zu den schönsten im ganzen Mittelmeer zählt. Für mich die Insel schlechthin – jene Insel, die bekanntlich jeder braucht, ob mit oder ohne Palmenstrand...
 
Die Volterraio-Burg ist eines der Wahrzeichen von Elba. Trotz der vergleichsweise bescheidenen Höhe von 395 m über Meer, die der Felsen hat, auf dem sie steht, ist sie weithin zu sehen. Die meisten Touristen, die sie besuchen, fahren mit dem Auto auf der Passstrasse, welche die Ebene im Golf von Portoferraio mit Rio nell’Elba und Rio Marina an der Ostküste verbindet, bis zum Parkplatz unter der Burgruine. Das ist bequemer, aber weit weniger reizvoll als buchstäblich auf Meereshöhe beginnend hinauf zu wandern. Jedenfalls kommt mir spontan kein anderer Berg in den Sinn, bei dem man so leicht zu Fuss von ganz unten, vom Meeresspiegel, bis auf den Gipfel gelangen kann. So einfach Strecke und Höhenmeter auch sind, so gibt es dafür einige Herausforderungen bezüglich Wegfindung.
 
Den einzigen freien Tag auf Elba hätte ich eigentlich auch am Strand verbringen können. Doch bereits nach dem Frühstück packt mich die Abenteuerlust. Ausgerüstet mit einer Reise- und Wanderkarte, Massstab 1:25'000, Jahrgang 1988, mache ich mich auf den Weg. Eine dicke, rot gestrichelte Linie auf der Karte weist auf einen „Pfad in Vorbereitung“ hin, der angeblich von Bagnaia zur Volterraio-Burg führen soll. In der Zwischenzeit müsste er längst fertiggestellt sein – falls er wirklich realisiert wurde und falls er seither auch regelmässig unterhalten worden ist. Unter diesen Voraussetzungen halte ich mich lieber gleich an die feinen, schwarz gestrichelten Linien, die Fusswege anzeigen, die bei der Herausgabe der Karte tatsächlich einmal vorhanden waren – und es vielleicht immer noch sind.
 
Die Tour beginne ich an der „Spiaggia dell’Ottone“ – am Strand von Ottone und somit ganz genau auf Meereshöhe. Auf einem gut ausgebauten Weg geht es ein kurzes Stück hinauf zur Hauptstrasse und zur Bushaltestelle „Villa Concia“ an der Linie Portoferraio-Bagnaia. Die Tour ist somit grundsätzlich auch mit dem ÖV machbar. Nach knapp 100 m Richtung Bagnaia, gleich zu Beginn einer Linkskurve, verlasse ich die Strasse und damit auch die Zivilisation. Nun beginnt das Abenteuer durch die üppige, mediterrane Macchia. Werde ich auf diesem Weg wirklich bis zur Volterraio-Burg kommen? Dessen sicher bin ich mir noch keineswegs. 
 
Wäre da nicht die rot-weisse Absperrkette neben dem gemauerten Wasserzählerhäuschen gewesen, wäre ich vermutlich gar nicht auf die Idee gekommen, dass es hinter dem dichten Blätterwerk einen Weg gibt. Neugierig betrete ich den verbotenen Pfad und steige in einer Art hohlen Gasse auf einer breiten, halb verfallenen Treppe den Pinienhain hinauf. Alsbald komme ich auf eine Anhöhe und zu einem Haus, das zur Zeit nicht bewohnt ist. Hinter dem Haus zeigt sich bereits die Volterraio-Burg, mein heutiges Tagesziel, und weist unzweifelhaft die Richtung, in die ich zu gehen habe. Und ungefähr in dieser Richtung hat es tatsächlich einen schmalen Pfad, der weiterführt. Unbegründet waren meine Bedenken, der Fussweg könnte bereits beim Haus hier zu Ende sein.
 
Nach diesem ersten Erfolgserlebnis wandere ich frohen Mutes weiter. Wald und Buschwerk werden immer dichter, der Pfad schmaler und schmaler, bis mir einzig noch herumliegende, abgeschnittene Äste die Zuversicht geben, dass ich mich auf dem richtigen Weg befinde. Oder besser gesagt darauf hinweisen, dass hier vor unbestimmter Zeit schon einmal eine Menschenseele unterwegs war. Irgendwann hat es auch keine abgeschnittenen Äste mehr. Zumeist in gebückter Haltung kämpfe ich mich weiter vor. Ausdrücklich entschuldigen möchte ich mich bei all den Spinnen, deren Tageswerk ich dabei zerstört habe. Spinnengewebe im Gesicht sind das kleinste Problem beim Gang durchs Dickicht. Gut möglich, dass ich nicht immer den richtigen Weg erwische - wobei „Weg“ in diesem Zusammenhang ein allzu grosses Wort ist. Immerhin bleibt mir das befürchtete Dornengestrüpp erspart, das mich unweigerlich zum Rückzug gezwungen hätte. Dies möglicherweise auch deshalb, weil der felsige Boden zu karg und zu trocken ist.
 
Ab und zu schaue ich auf meine Karte. Auf welcher schwarz gestrichelten Linie und wo genau ich mich wirklich befinde, ist alles andere als klar. Es gibt nichts, woran ich mich orientieren könnte, ausser dass die Himmelsrichtung stimmt und ich allmählich an Höhe gewinne. Wenn es sonst gar nichts mehr hat, das mir den Weg weist, dann sind es die Spuren der Wildschweine, die auf der Suche nach Nahrung den Boden umgepflügt haben. Oft ist dadurch ein recht breiter Weg entstanden - oder vielmehr erhalten geblieben, falls es sich tatsächlich um einen auf der Karte verzeichneten Fussweg handelt. Darin bestätigt fühle ich mich, als ich, auf einer Anhöhe angekommen, auf der linken Seite das Meer und rechts oben die Volterrraio-Burg erblicke. Nochmals kräftig wächst meine Zuversicht, als ich die ersten roten Markierungen entdecke. Obwohl etwas verblichen, scheinen sie untrüglich jenen von Bagnaia herkommenden Wanderweg anzuzeigen, der laut Karte damals noch in Vorbereitung war.
 
Schon lange nicht mehr habe ich mich derart über Wegmarkierungen gefreut. Es ist, als wäre ich bereits am Ziel. Dessen Erreichung steht nun nichts mehr im Wege. Wenig später begegne ich einem deutschen Ehepaar. Meine Frage, ob sie von Bagnaia aus gestartet seien, verneinen sie: „Vom Parkplatz gleich da unten kommen wir her!“ Die frischen, rot-weiss-roten Markierungen auf den Steinen bringen die Bestätigung, dass ich mich bereits auf dem offiziellen Wegstück von der Passstrasse zur Burg befinde. Voller Freude steige ich weiter hinauf. Obwohl nun viel steiler, ist es ein Spaziergang im Vergleich zum Dickicht weiter unten. Der Weg ist gut unterhalten, ein etwas abschüssiges Stück ist sogar mit einem Geländer aus dicken Hanfseilen gesichert.
 
Auf die Besichtigung der Burgruinen verzichte ich und kraxle lieber ein wenig auf den Felsen rund um die Burg herum. Ein Pfad führt auf der Ostseite zu einem weiteren Gipfel – und endet dort: Aus der erhofften Überschreitung wird nichts, ringsum geht es steil hinunter. So geniesse ich stattdessen die fabelhafte Fernsicht: In südlicher Richtung taucht aus dem Meer Montecristo auf. Hinter dem Monte Capanne, mit 1019 m der höchste Gipfel auf Elba, sind auf der rechten Seite das Cape Corse und die Insel Capraia zu erkennen. Auf der linken Seite – man hält es kaum für möglich – sieht man am Horizont die schneebedeckten Berge auf Korsika.
 
Auf dem Heimweg bleibe ich auf der Passstrasse, die um diese Jahreszeit noch wenig befahren ist. Es dauert keine Stunde, bis ich wieder unten am Strand bin. Zum Abschluss der Tour ein erfrischendes Bad im bereits angenehm warmen Meer. An einem menschenleeren Strand, den ich ganz für mich allein habe. Es ist das erste Mal, dass ich im Mai auf Elba bin, und ich komme zum Schluss, dass es wohl die beste Jahreszeit ist: angenehme Temperaturen, sowohl Luft als auch Wasser, nicht zu heiss, nicht zu kalt, überall blühende Blumen, die wunderbar duften – und fast keine Touristen, die in den Sommermonaten Strassen und Strände bevölkern. Und dass diese Insel viel mehr zu bieten hat als Sonnenschirme und Strände, ist längst ein offenes Geheimnis.

Tourengänger: Fico
Communities: Alleingänge/Solo


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