Abendspaziergang – der Kettenweg

Man nehme seine blossen Füsse – denn es ist heiss, und die Zehennägel bedürfen der Schonung - und mache sich am Abend vor dem Einnachten auf den Weg, sodass mindestens zwei volle Stunden zur Verfügung stehen, bevor es wirklich dunkel ist. Man schlage den Weg der Saltina entlang ein, rechts oder links macht nichts aus, da sie schliesslich doch zusammenkommen. Man unterquere die Napoleonbrücken – nach oben schauen! – wo ein Steg auf die orographisch rechte Seite führt. Man gehe dem Flussbett entlang, bis zum Kraftwerk, und danach weiter zwischen Suone und Fluss. Auf der einen Seite plätschert das Wasser angenehm, auf der anderen Seite rauscht es mächtig. Man gehe fort und folge den Wegweisern Saltinaschlucht. Ab und zu schaue man hinauf,  da kleben die Reste von Suonen, hoch über dem Flussbett, Zeugen einer alten Technik zum Überleben im trockenen Land. Unten am Fluss sehen wir die Verbauungen gegen das Wasser, oben tobt der Kampf um das Wasser. Suonen führen ihrer Natur nach natürlich auch nach unten, aber weil der Winkel zwischen ihnen und dem Fluss talabwärts immer grösser wird, scheinen sie aus der Schlucht hinaufzusteigen…
 
Eine der alten Suonen, die auf der orographisch linken Seite, ist begehbar. Der Name Kettenweg kommt daher, dass er fast auf der ganzen Seite durch Ketten gesichert ist. Die Gemeinde Brig-Glis empfiehlt jedem von ganzem Herzen doch Abstand zu nehmen von dem Unterfangen, weil sie unten keine Sprungtücher aufhalten könne… Der Weg ist gut begehbar, aber man muss natürlich schwindelfrei und angstfrei sein. Braucht es die Hände, um sich zu halten? – Eigentlich nicht. Nur eine Stelle ist davon auszunehmen, es ist dort ewig feuchtnass und ein Randstück hat den Halt verloren und ist in die Tiefe gesaust. Am Ende des Kettenweges erwartet einen ein wunderschöner Flecken Land und jetzt – ja jetzt kommen die Lichtspiele, derentwegen dies ein Abendspaziergang sein sollte. Der Vordergrund leuchtet in Feuer und Flamme, der Hintergrund verschwindet im Dunkelblau. Das Licht verschwindet hinter dem Gärsthorn und wie von den Strahlen eines Scheinwerfers wird diese Ecke berührt. Als Zugabe gibt es nach dem Schauerlebenis einen Hohlweg hinab, der zur Napoleon-Brücke führt. Nun nicht über die Brücke gehen – höchstens, um kurz nach unten zu schauen – sondern in die Gegenrichtung. Nur ein paar Dutzend Schritte, schon folgt ein steile kleiner Privatweg, gerade breit genug für ein Paar Füsse, und der bringt uns zurück zur Saltina: der Kreis ist geschlossen.

Brig - Saltina flussaufwärts folgen - unter der Napoleonbrücke hindurch - Grindji - Eingang Saltina-Schlucht - zum Kettenweg hinauf - Wickert - Napoleonbrücke - hinab zur Saltina - nach Brig

Alles T1 - aber Kettenweg T3 (Schwindelfreiheit, Trittsicherheit)