Handy verloren am Lisengrat


Publiziert von 1Gehirner , 23. Juli 2013 um 23:35.

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum:19 Juli 2013
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alpstein   CH-AI   CH-SG   CH-AR 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1820 m
Abstieg: 420 m
Strecke:11.7 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖV von Regensdorf via Zürich, Sargans und Buchs nach Wildhaus
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Seilbahn nach Schwägalp, dann via Urnäsch, Gossau, Zürich HB nach Regensdorf
Unterkunftmöglichkeiten:Zwinglipasshütte
Kartennummer:map.wanderland.ch

Eine an sich wunderschöne 2-Tages-Tour mit meiner Frau, mit geplantem, aber nicht durchgeführtem Biwak und mit einem Makel: Mein Handy ist auf ziemlich idiotische Weise auf den letzten Metern sinnfrei in einer Felsspalte "verschwunden"...

Los gings am Freitag nach einer tollen Fahrt im Doppeldecker-Postbus um 12 Uhr von Wildhaus. Wir stiegen mit unseren vollgepackten Rucksäcken (meiner 20kg, der meiner Frau 10kg) zunächst durch den feuchten, schattigen und stellenweise ziemlich rutschigen Flürentobel (trotzdem schön!) zur Alp Tesel auf, wo wir Murmeltiere beobachten und die Blumenpracht bewundern konnten. Einen Laufkäfer (Art unbekannt, vermutlich Athous haemorrhoidalis - wie er zu dem Namen wohl gekommen ist...) haben wir dort auch gefunden, wichtig für die Doktorarbeit meiner Frau ;)

Aufwärts gings dann im Wolkenschatten, für den wir sehr dankbar waren, zur Chreialp, immer zickzack die Wand hoch auf gut gesichertem und blumenreichem Weg. Völlig überraschend taucht dann auf einmal beim Ausstieg der Girenspitz vor uns auf, wirklich ein beeindruckender Anblick! (Wir kennen uns im Alpstein noch nicht so gut aus...)

Immer noch unter Wolken gings zur Zwinglipasshütte, die wir erstmal links liegen liessen, obwohl wir erfreut feststellten, dass sie nicht nur eine Notunterkunft, sondern sogar einfachen Hüttenbetrieb bietet. Wir wollten aber noch versuchen, zum Altmannsattel aufzusteigen und später auf dem Chreialpfirst zu biwakieren. Die Wettervorhersage hatte am Abend vorher und sogar am Morgen noch gut ausgesehen...

Die wenigen Eisentritte auf dem Weg oberhalb des Zwinglipasses und die Schneefelder machten meiner Frau psychisch etwas zu schaffen und als wir das letzte, fast durchgehende Schneefeld vor dem Sattel sahen, das auch etwas steiler war als die waagrechten davor, beschlossen wir kehrtzumachen. Im selben Moment donnerte es mehrmals ziemlich laut - das Gewitter kam ziemlich heimtückisch hinter dem Altmann herangezogen, für uns unsichtbar! In Windeseile liefen wir zur Zwinglipasshütte zurück, keine Minute zu früh -- es fing direkt nach unserer Ankunft an zu regnen und zu graupeln. Die Biwakpläne wurden begraben, zwei Schlafplätze angefragt und mit mehreren netten Leuten auf der Hütte ein schöner Abend verbracht.

Hier sei jedem, der die "Hotelisierung" der Berge misstrauisch beäugt, diese Hütte ans Herz gelegt. Sehr schnucklig, nicht übermässig modernisiert, mit Panorama-Toiletten und noch ohne Duvets und Kissen. Das Essen war fantastisch, der Kaffee auch... Wir haben uns sehr wohlgefühlt und das am selben Tag angekommene Hüttenteam war so nett, dass wir am liebsten gleich wieder hingehen würden :)

Am nächsten Tag wollten wir zunächst den Weg zum Hohen Kasten nehmen, den wir am Abend auch zwei deutschen Wanderinnen empfohlen hatten. Irgendwie packte uns dann aber der Ehrgeiz, es nochmal Richtung Altmann zu versuchen. Am etwas steileren Schneefeld angekommen, ging ich voraus und schlug die Tritte, während meine Frau komfortabel hinterherstapften konnte. Wir versuchten möglichst schnell den Schnee zu verlassen und stiegen deshalb bei der ersten Möglichkeit auf die lange Schuttzunge um, die vom südöstlichen Altmannsattel (dem "echten", in der LK auch so benannten) herunterkommt. Weiter oben geht sie in halbwegs treppenförmiges Gras-und-Schutt-Gemisch über, das für mich gut begehbar war, an meine Frau aufgrund der Steilheit aber erheblich höhere Anforderungen stellte als von mir erwartet (ich würde sagen T4+).

Trotzdem erreichten wir glücklich den Sattel -- und mussten feststellen, dass der "Weg" auf den Altmann von uns beiden nicht als solcher erkannt wurde ;) Wir hatten trotz vorheriger Recherche mit deutlich weniger Kletterei gerechnet und sagten die Gipfelbesteigung ab.

Da wir eigentlich nicht geplant hatten, es nochmal in dieser Richtung zu versuchen, verlief die restliche Tour nach dem Prinzip "Wir schauen mal, wie weit wir kommen". Der Säntis wurde das neue Ziel. Ich wusste ungefähr, was uns am Lisengrat erwartet, vertraute aber sonst auf die netten weiss-rot-weissen Wegweiser zum Rotsteinpass... Tja, und dann kam -- nach mehreren Stellen zwischen den beiden "Altmannsätteln", an denen der Weg aufgrund der Regenfälle leicht abgerutscht war -- der "Fliswand-Klettersteig" :/

Ich kann ja verstehen, dass man versucht, japanische und amerikanische Touristen mit Untertreibungen der Wegschwierigkeit durch den Alpstein zu locken... aber ein Weg, der von vorn bis hinten mit Stahlseilen abgespannt ist, fällt für mich nicht unter die Beschreibung "Ausgesetzte Stellen können mit Seilen oder Ketten gesichert sein. Eventuell braucht man die Hände fürs Gleichgewicht. Falls markiert: weiss-rot-weiss. Zum Teil exponierte Stellen mit Absturzgefahr". Die Fliswand lässt sich eher so beschreiben: "Ausgesetzte Stellen machen 90% des Weges aus und sind durchgehend mit Seilen gesichert, man braucht ständig die Hände fürs Gleichgewicht, es gibt ausschliesslich exponierte Stellen mit Absturzgefahr". Auch der Grosse Mythen gilt noch als T3 und schon Rigi Hochflue ist T4-... naja. Meine Frau war danach jedenfalls ziemlich matschig und wir brauchten am Rotsteinpass erstmal eine Pause.

Danach beschlossen wir trotzdem weiterzugehen und nicht nach Schafboden abzusteigen, "mal sehen, wie weit wir auf dem Lisengrat kommen". Ich hatte im Kopf, dass er T3+ bis T4- sein sollte... letztendlich war er für uns beide aber sehr viel leichter als die Fliswand, es ist wirklich eine Wander-Autobahn. Es gibt allerdings auch jetzt im Juli immer noch mehrere, deutlich geneigte Schneefelder, mit gut getrampelter Spur zwar, aber ohne Stöcke wäre mir das zu kritisch gewesen.

Und dann passierte es: Nach all den gemeisterten Schwierigkeiten war da diese verlockende Schneehöhle direkt neben dem Weg... Ich bat meine Frau, ein Bild von mir in dieser Höhle zu machen, und wollte bei der Gelegenheit selber eins von ihr schiessen. Auf ihre Frage, was ich da mache, sagte ich noch scherzhaft "Ich schmeiss nur grad mein Handy in eine Gletscherspalte" und dachte "Jetzt aber bloss aufpassen und keinen Mist bauen" *schwupp* *plong* *tock tock tock* und da lag (bzw. liegt) das gute Stück, nur einen Meter tiefer in der Spalte zwischen zwei tonnenschweren Kalksteinblöcken, schön auf einem Plateau, das Display nett leuchtend nach oben zeigend, aber die Spalte so eng und tief, dass kein Arm hineinpasst bzw. hinreicht... WAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAHHH!!!

Irgendwie gelang es mir eine halbe Stunde später, mich wieder an der schönen Aussicht auf dem Säntisgipfel zu freuen, den wir mittlerweile erreicht hatten... aber die Wut über die eigene unendliche Dummheit liess nur sehr langsam nach ;)

Abwärts nahmen wir mit Rücksicht auf die Knie die Seilbahn und genossen es, die Heimfahrt mit dem ÖV absolvieren zu können.

Die Sache wird, wenn nichts dazwischenkommt, ein Nachspiel haben: Ich habe mir eine Rettungskralle konstruiert und will die nächsten Tage wieder hochfahren, um entweder endgültig Abschied vom Handy zu nehmen oder es aus der Spalte zu zerren... Man kann auch die dümmste Gelegenheit als Herausforderung sehen ;)

Nachtrag 25.7.2013:
War heute wieder am Lisengrat (bei deutlich schönerem Wetter!) und konnte das Handy tatsächlich aus der Spalte bergen, obwohl sie deutlich tiefer, unebener und weniger gerade war, als ich in Erinnerung hatte... Jetzt muss ich zwei Tage warten, bis das Kondens- und Regenwasser raus ist, es ist vor allem im Display etwas feucht. Sonst scheint aber alles ok zu sein :) "Freuet euch mit mir; denn ich habe meinen Groschen gefunden, den ich verloren hatte." (Lk 15, 9b)

Tourengänger: 1Gehirner


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