Auf den Spuren der Neugrabenflöße


Publiziert von lainari , 19. Juni 2013 um 21:24.

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Erzgebirge
Tour Datum:16 Juni 2013
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CZ   D 
Zeitbedarf: 6:15
Aufstieg: 280 m
Abstieg: 280 m
Strecke:24 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto bis Deutschgeorgenthal
Kartennummer:1:33.000, SK Nr. 03 Osterzgebirge

Von Fláje (Fleyh) zur Rachelbrücke
 
Aus gegebenem Anlass mündete mein I follow rivers!-Projekt in einer Fließgewässerphobie, eine Fortsetzung der Flusswanderungen scheint wegen hochwasserzerstörter Infrastruktur in diesem Jahr nicht mehr sinnvoll. Als ersten Therapieschritt gönnte ich mir heute folglich etwas Halbtrockenes.
 
Im Erzgebirge existierte ausgehend vom böhmischen Fleyh (Fláje) ein vom Wasser der Flöha gespeister ca. 18 km langer Kunstgraben zum Zwecke des Holzflößens bis zur Einmündung in die Freiberger Mulde in Clausnitz. Das bis Freiberg weitertransportierte Holz diente im dortigen Bergrevier als Grubenholz und Brennstoff. Das Neugrabenflöße oder (Fleyh-) Floßgraben genannte Bauwerk wurde von 1624 bis 1629 errichtet und war bis 1874 in Betrieb. Eisenbahntransporte und die Verfügbarkeit von Kohle machten es bedeutungslos. Zwischen Fleyh und Georgendorf (Český Jiřetín) wurde der Kanal noch bis 1948 zur Wasserzuführung für eine Papierfabrik genutzt. Der Floßgraben war eine ingenieurtechnische Meisterleistung seiner Zeit. Mit gleichmäßig geringem Gefälle (optimale Fließgeschwindigkeit) und sanften Radien (Vermeidung von Holzstau) folgte das durchgehend 2 m breite Gewässer der hügeligen Landschaft und querte dabei 13 Fließgewässer, darunter den größeren Rauschenbach. Dabei war es teilweise an den Flanken von bis zu 45° steilen Hängen trassiert. Zur Regulierung des Wasserstandes und der Ableitung ungewollter Zuflüsse bei Unwettern waren als Sicherheitseinrichtungen in verschiedenen Abständen sogenannte Fluter vorhanden. Die Reste des historischen Bauwerkes Neugrabenflöße wollte ich heute in Augenschein nehmen.
 
Am frühen Morgen machte ich mich mit dem Auto auf den Weg. In Rechenberg-Bienenmühle wurde der Verkehr Richtung Neuhausen umgeleitet. Die üblichen „frei bis“ Schilder fehlten. Auch die nächste Straße über Clausnitz sollte nicht befahrbar sein. Also fuhr ich wie angegeben über Sayda nach Neuhausen. In Cämmerswalde stellte ich fest, dass auch die Zufahrt aus der Gegenrichtung gesperrt war. Hinter der Ortslage Cämmerswalde zeigte sich dann, dass die von mir zuerst beabsichtigten Zufahrten von Rechenberg-Bienenmühle oder Clausnitz nach Deutschgeorgenthal offen waren. Umsonst einmal mit der Kirche um das Dorf gefahren! Endlich angekommen stellte ich das Auto auf einem Parkplatz ab und startete meine Tour mit dem Grenzübertritt nach Český Jiřetín (Georgendorf). Nach den berüchtigten Einkaufsmöglichkeiten „Supermarket alles billig“ und „Kaufhaus alles billiger“ ging ich auf einer Anliegerstraße bergwärts. Nun passierte ich die hübsche Holzkirche, die beim Talsperrenbau aus dem Ort Fláje hierher umgesetzt wurde. Mein Weg führte durch eine Wochenendsiedlung, wo prachtvolle Häuser und einfache Hütten einen seltsamen Kontrast bildeten. Der Weg wurde zum Flurweg und trat in den Wald ein. Durch den Wald gelangte ich zur Vodní (auch: údolní) nádrž Fláje (Talsperre Fleyh). Die Pfeilerstaumauer wurde nach dem Vorbild der Lucendro-Staumauer am Gotthard errichtet.
 
Nach Überquerung der Staumauer lief ich an der Straße talwärts. Eine rechts neben der Straße befindliche unscheinbare Treppe führte später nach Flájský náhon zum heutigen Beginn der Neugrabenflöße. Die einst links neben der Straße befindliche Wasserfassung an der Flöha (Flájský potok) fiel dem Talsperrenbau zum Opfer. Der ab hier talwärts weitgehend intakte und streckenweise wassergefüllte Floßgraben wird von einem Wanderweg begleitet. Informationstafeln in tschechischer/deutscher Sprache geben Wissenswertes wieder. 2000 m vom früheren Fassungspunkt entfernt liegt der Ruhsteinfluter und 2700 m entfernt der Burgheidenfluter. Die spektakulärste Stelle der Neugrabenflöße folgt bei der Passage des Steinfelsens (Spitzthurm). Das Risiko eines Holzstaus verhinderte hier die Anlage eines Tunnels, so dass der Graben mühsam offen mit viel Materialabtrag durch den Fels getrieben werden musste. Auch der talwärtige Kontrollpfad bekam hier noch einen Platz. 3600 m entfernt vom früheren Fassungspunkt befindet sich der Dellenfluter. Danach folgten der Wasserabfluss der Georgendorfer Papierfabrik (1870-1948) und der Georgendorfer Wasserfall (künstlich angelegt 1875). An arbeitsfreien Tagen stürzte hier einst das gesamte Wasser des Floßgrabens 70 m in die Tiefe. Heute wird der Wasserfall von einem Bergbächlein permanent gespeist. 4400 m vom früheren Fassungspunkt entfernt liegt dann der Anselsfluter. Später verlässt der offizielle Wanderweg die Neugrabenflöße. Im Verlauf ist der Floßgraben mehrfach eingeebnet, man folgt der gedachten Höhenlinie und die Trasse ist gut erkennbar. Die „Schlinge“ führt um einen Ortsteil von Georgendorf. Nach der Straßenüberquerung muss zunächst ein Grundstück umgangen werden. Orange Markierungen „FPK“ (Flájský plavební kanál) erleichtern die Wegfindung. Eingeebnete und gut ausgeprägte Abschnitte wechseln sich ab. Selbst ohne Vorhandensein des Wanderweges gibt es weiter Info-Tafeln und die Trasse ist von Jungwuchs und Totholz beräumt. Am Waldrand ist ein Rastplatz vorhanden. Auf den herrlichen Blühwiesen ist der Verlauf der eingeebneten Neugrabenflöße mit Pfählen abgesteckt. An dieser Stelle muss das Engagement der tschechischen Verantwortlichen ausdrücklich gelobt werden. Weit geht die Trasse nun an der Bergflanke ins Rauschenbachtal hinauf. Am Rauschenbach ist die deutsche Grenze erreicht. 7800 m vom früheren Fassungspunkt entfernt liegt der Rauschenbachfluter, der das kurz oberhalb eingefädelte Gewässer wieder entlässt.
 
Nun auf deutschem Territorium ändert sich das Bild. Weite Abschnitte sind mit deutscher Gründlichkeit als Forstweg eingeebnet, vorhandene intakte Abschnitte verbuschen und sind von Totholz bedeckt. Ein Wandern auf dem Damm ist äußerst mühsam und die Versuche musste ich mehrfach abbrechen und wieder auf den Waldweg wechseln. Gesamthaft konnte ich drei lapidare Übersichtstafeln der Denkmalbehörde entdecken, das war alles an Erklärung. Nach Überqueren einer Straße verließ ich die Trasse nach rechts und folgte einem Waldweg zu einem Parkplatz. Ab hier lief ich am Straßenrand nach Clausnitz. Im oberen Ortsteil bog ich nach links auf einen Feldweg ein. Eine aussichtsreich positionierte Bank bot sich als Rastplatz an. Weitergelaufen kam ich zur Einkerbung der Rachel, ein Bächlein, dessen Erweiterung den Floßgraben über Clausnitz zur Mulde führte. Ich bog am Rand nach links ab und überschritt später die historische Rachelbrücke. Kurz oberhalb befindet sich der Clausnitzer Pass (680 m. ü. M.), der die Wasserscheide zwischen Flöha und Mulde darstellt. Der Floßgraben ist auf der Passhöhe eingeebnet. Am Rand einer Fahrstraße lief ich nun nach Cämmerswalde hinunter. Geradewegs über die Hauptstraße verließ ich den Ort und bog nach dem Bundespolizeiobjekt nach links auf einen Feldweg ab. Später nach rechts gewandt, folgte ein leicht steigender aussichtsreicher Wegabschnitt. Ein Rastplatz war ideal für eine Pause. Abwärts gehend kam ich schließlich nach Deutschgeorgenthal zurück.
 
Die Gehzeit betrug pausenbereinigt 6 h 15 min. Die Strecke ist größtenteils als T1 zu bewerten, Dammbruchstellen sowie Dammanfänge und -enden mit T2. Der Weg zur Talsperre Fleyh ist unmarkiert. Der Verlauf des CZ-Wanderweges entlang der Neugrabenflöße ist mit einem grünen Strich markiert, ohne Wanderweg auf CZ-Gebiet Hinweis mit orangen Buchstaben „FPK“. Auf deutscher Seite wird entlang der Neugrabenflöße streckenweise ein grüner Schrägstrich (Lehrpfad) verwendet.
Für die Grasabschnitte zum Schutz vor Disteln und Brennnesseln unbedingt lange Hosen tragen! 

Tourengänger: lainari


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Geodaten
 16397.kml

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Kommentare (2)


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laponia41 hat gesagt:
Gesendet am 19. Juni 2013 um 21:52
Sehr schöner Bericht mit wunderbaren Fotos. Erinnert mich an meine Wanderungen im Bayerischen Wald und an unsere Partnerstadt Hluboka.

Liebe Grüsse
Peter

lainari hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. Juni 2013 um 22:02
Herzlichen Dank für den Zuspruch!

Viele Grüße
Holger


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