Vom Toggenburg ins Appenzell: Alpsteindurchquerung mit Schneeschuhen


Publiziert von marmotta , 17. März 2013 um 11:16.

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum:16 März 2013
Schneeshuhtouren Schwierigkeit: WT4 - Schneeschuhtour
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alpstein   CH-AI   CH-SG 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1560 m
Strecke:Unterwasser - Chüeboden - Alpli - Thurwis - Gerstein - Flis-Schafboden - Rotsteinpass - Oberchellen - Bötzelsattel (P. 1865) - Bötzel - Widderalpsattel - Widderalp - Sämtis - Plattenbödeli - Brüeltobel - Pfannestiel
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Unterwasser, Post
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Brülisau, Kastenbahn, im Winter PubliCar (Tel. 0848 55 30 60) nach cff logo Weissbad oder cff logo Appenzell
Kartennummer:LK 1115 Säntis (1:25.000)

In einem Buch über Schneeschuhtouren in der Ostschweiz, das mir neulich zufällig in die Finger kam, ist die winterliche Alpsteindurchquerung (wohlgemerkt mit Start auf dem Säntis!) als die "ultimative Herausforderung für alle Hochleistungs-Schneeschuhläufer" beschrieben. Damit war das bei mir schon lange gehegte Interesse an einer derartigen Unternehmung natürlich erst recht geweckt! Nicht, dass ich ein Hochleistungs-Schneeschuhläufer wäre - aber eben ein Alpsteinliebhaber, der gerne auch mal eine "Herausforderung" annimmt.
 
Allerdings wollte ich die Tour, die über den Widderalpsattel nach Brülisau führen sollte, nicht auf dem Säntis, sondern in Unterwasser im Toggenburg starten. Wenn schon, denn schon…
 
Eigentlich hatte ich diese Tour immer als Skitour durchführen wollen, für einen Alpsteinfan wie mich eigentlich Pflicht! Nachdem aber das SLF von nur "einigen Zentimetern Neuschnee" sprach und ich nicht wusste, wie weit ich die Skis rauf- bzw. runtertragen muss, nahm ich dann -nach langem Hin- und Herüberlegen- doch die Schneeschuhe. Der falsche Entscheid, wie sich im nachhinein herausstellen sollte!
 
In Tat und Wahrheit hat es speziell im Alpstein einiges an Neuschnee gegeben. 20-30 cm, teilweise sogar bis zu 40 cm! Dank eiskalter Temperaturen blieb der Schnee während der ganzen Tour pulvirg-fein, und das bis in die Täler. Verhältnisse, wie man sie in den Voralpen um diese Jahreszeit nicht oft antrifft!
 
Da ich nicht wusste, wie viel Zeit ich für diese Tour benötigen würde und für den Nachmittag bereits Wolken angekündigt waren, starte ich bereits um 7.15 Uhr in cff logo Unterwasser, Post (906 m). Nach einem halbstündigen "Warm-up" auf der schwarz geräumten Fahrstrasse nach Laui (1072 m) mit aufgebundenen Schneeschuhen, sollte die Tour am Alpli (1090 m), wo der gebahnte (Winterwander-)Weg endet, richtig lanciert werden. Dort treten jedoch unerwartete Schwierigkeiten auf, die zu einer erheblichen Verzögerung führen sollten: Wieder einmal hatte ich den Fehler gemacht, meine Stöcke nach der letzten Tour zuhause nicht auszutrocknen oder sie wenigstens noch im warmen Postauto auszuziehen. Bei Temperaturen von -10 ° C waren diese nun vollkommen eingefroren. Als alle bewährten Methoden (Feuerzeug, Anhauchen, Anwärmen unter dem warmen Wollpullover, warmer Tee, Gewalt etc.) nichts bringen (ausser einem blutigen Finger) und ich mich nicht in der neuen Handicap-Variante "Schneeschuhlaufen ohne Stöcke" versuchen will, bleibt mir nichts anderes übrig, als einen Abstecher auf die Westseite des Alpli zu machen, wo bereits die wärmende Sonne hinkommt. Dort geben die Stöcke dann nach einiger Zeit ihren Widerstand auf und lassen sich ausziehen, so dass die Tour doch noch ihre Fortsetzung finden kann.
 
Mit einer dreiviertelstündigen Verspätung beginne ich also den Aufstieg zum Rotsteinpass (2122 m), der zunächst dem Sommerweg via Thurwies (P. 1260) - Schafboden (1729 m) folgt und dann durch die Talmulde unter der Fliswand verläuft. Zwischen Thurwies und Gerstein (1360 m) ist ein steiler, erlenbestandener Hang zu queren, durch den sich ein breiter Lawinenkegel zieht. Danach einfach immer aufwärts, aufwärts, aufwärts. Trotz meines zeitlichen Verzugs schaffe ich es noch, vor den an diesem Tag allgegenwärtigen Säntisabfahrern (sowohl diejenigen, die von Stütze 2 abgefahren waren, als auch diejenigen, welche via Meglisalp kommen) den Rotsteinpass zu erreichen. Das heisst natürlich auch, dass es wieder einmal an mir liegt, eine erste Spur durch den frischen Schnee zu legen. Der gesamte Aufstieg verläuft im Schatten, doch erst oben am Rotsteinpass, den ich nach ca. 2 h erreiche, spüre ich die Kälte, die durch den schneidenden Wind noch massiv verstärkt wird. Auf der Kuppe etwas weiter westlich (P. 2154) lässt es sich jedoch in der Sonne leidlich aushalten.
 
Lang halte ich mich dennoch nicht auf, da nun ein regelrechter Rummel rund um den Rotsteinpass einsetzt. Es dürfte wohl der perfekte Tag für die Säntisabfahrt gewesen sein: Allein während meines Aufenthalts am Pass und dem anschliessenden Abstieg zum Spitzigstein (1617 m) strebten an die 100 Tourengänger dort hinauf. Die Säntisbahn - Fluch und Segen zugleich (wie man es eben sieht…).
 
Der vor allem im oberen Bereich steile und zum Zeitpunkt meines Abstiegs noch ohne eine einzige Abfahrtsspur daliegende Nordhang vom Rotsteinpass Richtung Oberschellen - Spitzigstein war hinsichtlich der Schneequalität allererste Sahne: Ein wahrhaftiger Pulvertraum - wie gerne hätte ich jetzt meine Powderlatten unter den Füssen! Immerhin geht auch der Abstieg mit den Schneeschuhen sehr rassig vonstatten, der Pulverschnee ist so leicht, dass es nur so stiebt und immer wieder kleine Lockerschneerutsche ausgelöst werden. Unterdessen fegt der starke Wind den feinen Schnee aus den Felsflanken des Altmannmassivs und löst in der Folge sogar eine kleine Lockerschneelawine aus, die 2 aufsteigende Tourengänger zu Boden reisst. Zum Glück harmlos, doch sollte man bei solchen Verhältnissen vielleicht sicherheitshalber etwas weiter westlich aufsteigen…
 
Möglichst direkt quere ich von Oberchellen (1665 m) hinüber zur Aufstiegsroute, welche via Bötzelsattel (P. 1865) zum Widderalpsattel (1856 m) führt. Hier hat es bereits eine vielfach getretene, harte Aufstiegsspur. Die höhehaltende Querung zwischen Bötzel und Widderalpsattel unter den Nordwänden von Freiheit und Hundstein hindurch schenke ich mir und steche stattdessen in die Senke mit anschliessendem Wiederaufstieg zum Widderalpsattel. Dies zum Einen, weil Querungen mit Schneeschuhen naturgemäss etwas mühsam sind, zum Anderen will ich den Skitourengängern ihre schöne Spur nicht zerstören. :-)  
 
Auch der Abstieg vom Widderalpsattel unter den eindrücklichen Felswänden der Widderalpstöck verläuft in sehr feinem, angenehm weichen Pulverschnee, an der Widderalp (1644 m) fegt allerdings ein derart scharfer Wind den Schnee durch die Luft, dass ich mich zeitweilig in einem veritablen Schneesturm befinde. Im unteren, steilen Abschnitt ist der Schnee entsprechend ungleich verteilt und teilweise sehr tief (Triebschnee). Dies ist mit den Schneeschuhen nicht immer angenehm, insofern bin ich froh, als ich die sonnendurchflutete Ebene der Alp Sämtis erreiche. Ich lege an einer Alphütte nochmals eine Pause in der Sonne ein, doch selbst an der geschützten Hauswand ist der Wind etwas unangenehm, so dass ich mir eine längere Rast verkneife.
 
Schöner, aber etwas langatmiger Ausmarsch via Plattenbödeli und Brüeltobel zum Pfannenstil (941 m), von wo mich das telefonisch bestellte PubliCar nach Appenzell fährt.
 
Vom Plattenbödeli kann mit den Skis derzeit noch bis Brülisau (entweder via Brüeltobel oder Ruhsitz) abgefahren werden. Somit wäre tatsächlich nur auf dem ersten Abschnitt von Unterwasser bis zum Chüeboden (1032 m) wegen fehlender bzw. zu dünner Schneeauflage eine Portage erforderlich gewesen. Diese könnte mit dem Umweg von Wildhaus über Gamplüt umgangen werden, oder mit dem (Daumen-)Taxi…
 
Fazit:
 
Die winterliche Alpsteindurchquerung vom Toggenburg ins Appenzell über Rotsteinpass und Widderalpsattel ist seit jeher ein Skitouren-Klassiker. Die Tour kann aber auch für Schneeschuhe empfohlen werden und ist weitaus weniger fordernd als ich ursprünglich annahm. Zwar habe ich keinen einzigen Gipfel bestiegen, doch führt die Route durch eine eindrückliche, alpine Umgebung und gewährt sowohl fantastische Ausblicke (vom Rotsteinpass reicht die Sicht vom Bodensee bis zu den Berner Hochalpen) als auch atemberaubende Ansichten der wilden Alpsteinwände aus nächster Nähe. Ideale ÖV-Tour!        

Tourengänger: marmotta


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Kommentare (13)


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alpstein hat gesagt:
Gesendet am 17. März 2013 um 11:31
Tolle Winter- und Stimmungsbilder hast Du aus dem Alpstein mitgebracht. Die Route würde mich auch mal reizen. Fünf marmotta Stunden in alpstein-Einheiten umgerechnet ergäbe dann aber eine doch zu lange Tour :-)

Grüße
alpstein

marmotta hat gesagt: RE:
Gesendet am 17. März 2013 um 11:50
Danke Hans-Peter! Die Zeitangabe von 5 h bezieht sich auf die reine Gehzeit (mit Foto- und Verschnaufpausen, aber ohne die längeren Pausen für Essen, Sonnenbaden, Stöcke auftauen usw.)

Wegen der konditionellen Anforderungen hätte ich bei Dir keine Bedenken, doch es gibt da noch eine andere Sache, die Dich vielleicht von dieser Tour abhalten könnte... ;-)

Beste Grüsse

Michael

alpstein hat gesagt: RE:
Gesendet am 17. März 2013 um 14:25
Dann müsste ich die Tour eben hin- und zurück angehen :-)

Gelöschter Kommentar

alpstein hat gesagt: RE:
Gesendet am 18. März 2013 um 17:49
richtig, 1 Beiz am Weg gehört irgendwie einfach dazu :-)

marmotta hat gesagt:
Gesendet am 18. März 2013 um 20:06
Beizen hätt´s im Alpstein mehr als genug - nur sind die meisten im Winter geschlossen. Du hättest also bis zum Plattenbödeli durchhalten müssen. Über die Osterfeiertage hat dann auch das Berggasthaus Rotsteinpass geöffnet.

Alpin_Rise hat gesagt: Alpsteinagain
Gesendet am 17. März 2013 um 12:12
Welch wunderbare Tour und Bilder, dank dir ist der hikr-Leser im auf dem Laufenden über die Alpsteinverhältnisse! In Zeiten der Säntisbahn bin auch ich zu faul, um von Unterwasser loszulaufen, die initialen 1000hm sind bei solchen Verhältnissen einfach zu verlockend!

>Nicht, dass ich ein Hochleistungs-Schneeschuhläufer wäre
Oh doch, verglichen mit dem Gros der SS-Läufer. Deine Quote
>den Skitourengängern ihre schöne Spur nicht zerstören
unterstreicht das.
Im Bedretto durfte ich wieder mit ansehen, wie SS-Gänger aus der südlichen Alpenhemisphäre genüsslich die Skispur zertrampelten, obwohl 20 Meter daneben ein pistenähnlicher, plattgewalzter Korridor aus Abfahrtsspuren zu finden war... ich denke eher null Erfahrung als null Rücksichtsnahme war dort die Ursache...

Falls du dich mal mit Ski in den Alpstein wagst für ein Sulztürli (hätte da ein paar Ideen!), bin ich mit von der Partie! Selbstverständlich mit ÖV, im Alpstein ist das Pflicht ;-)
G, Rise

marmotta hat gesagt: RE:Alpsteinagain
Gesendet am 17. März 2013 um 16:15
Danke für die Komplimente!

Was das (Nicht-)Benutzen der Skiaufstiegsspur anbelangt: In einem ganz kurzen Abschnitt, im Anstieg zum Bötzelsattel habe ich die vorhandene Spur benutzt - diese war jedoch so hart, dass ich mit den Schneeschuhen keine Löcher hinterlassen habe. Im Übrigen wäre hier eine neue Spur extrem ineffizient und sinnlos gewesen, da die vorhandene, gute Aufstiegsspur mehr oder weniger die Ideallinie in dem hängenden Gelände vorweggenommen hat.

Wenn ich selber mit Tourenskis unterwegs bin, stört es mich übrigens nicht, wenn die Spur zuvor von Schneeschuhläufern benutzt wurde (Ausnahme: Zertreten der Spur in heiklen Passagen wie steilen Hangquerungen etc.).

Sulzskitürli im Alpstein - da bin ich mal gespannt! Bin gerne dabei!! Und, ÖV oder nicht - das ist für mich sowieso keine Frage... :-)

G.
marmotta

Marko1204 hat gesagt: Genial
Gesendet am 17. März 2013 um 15:41
Wunderbare Tour und wunderbare Bilder hast Du da mitgebracht! :-)
Ich war gestern auch im Alpstein unterwegs vom Eggli auf den Kamor, den Heissluftballon habe ich auch gesehen. Ganz schön mutig bei dem böigen Wind gestern mit dem Ballon.
Wie hoch schätzt Du die Lawinengefahr auf Deiner Route ein? Würde die Tour evtl. auch mal machen, mit Schneeschuhe natürlich, Ski fahre ich noch zu wenig gut.

Herzliche Grüsse,
Marko! :-)

marmotta hat gesagt: RE:Genial
Gesendet am 17. März 2013 um 16:23
Danke! Den Kamor hatte ich während des Abstiegs nach Brülisau gut im Blick - ist ja auch ein sehr schöner Aussichtsgipfel.

Auf meiner Route hat es schon Passagen, die bei entsprechender Lawinengefahr kritisch zu beurteilen wären, namentlich der steile Hang unter der Fliswand kurz vor dem Rotsteinpass und der oberste Abschnitt des Nordhangs unter dem Rotsteinpass.

Ich denke, diese Tour ist für jeden einigermassen geübten und trainierten Schneeschuhgänger gut zu machen, auch wenn -wie in meinem Fall- ein Grossteil der Strecke selber gespurt werden muss.

G.
marmotta

TeamMoomin hat gesagt: Wirklich
Gesendet am 17. März 2013 um 16:41
sehr schöne Bilder hast du da mitgebracht. Scheint ja immer noch tiefster Winter im Alpstein zu herrschen, da müssen die tollen Kraxeltouren wohl noch etwas warten.
Wie sieht der Aufstieg zur Scharte Hochhus momentan aus?

Lg Oli und Moomin

Felix hat gesagt:
Gesendet am 28. März 2013 um 06:54
echt eindrücklich; Gratulation!

marmotta hat gesagt: RE:
Gesendet am 28. März 2013 um 20:17
Danke, Felix!

Habe es sehr genossen, obwohl ich so langsam den vielen Schnee nicht mehr sehen kann... :-)


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