Ritter rojosuiza bezwingt den Ritterpass - bei Schneeregen und Graupelschauer


Publiziert von rojosuiza , 20. Oktober 2012 um 18:56.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum: 4 Oktober 2012
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   I 
Zeitbedarf: 16:00
Aufstieg: 1400 m
Abstieg: 2100 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Binn (Binntal)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Iselle Stazione
Unterkunftmöglichkeiten:Binn, Alpe Veglia, San Domenico,

   
Die Nacht weicht, die Sonne scheint. Beim ersten Tageslicht trifft rojosuiza mit dem Postauto in Binn ein. Er läuft bald oben auf dem Wanderweg hoch über der Auto-Strasse nach Heiligkreuz, entzündet zu Ehren der Frau Mutter eine Kerze in dem Wallfahrtskirchlein, und macht sich daraufhin an den Aufstieg zum Ritterpass.
 
Den ersten Teil des Weges kennt er schon; er ist ihn gegangen, als er vom Steinejoch herunterkam. Es ist ein guter Weg und ausreichend markiert. Man kann nicht fehlgehen. Bei rund 2000 Meter heisst es Bodi; zum Steinejoch ginge es jetzt nach südwest, dem Mättitalwasser nach hinauf. Das Bodi ist voll im Herbstschmuck, viel gelb und rot, zauberhaft. Statt hinauf geht es jetzt erst ein paar Schritte bergab, Richtung südost, aber schon bald geht es wieder kräftig bergauf. Das erste Zwischenziel ist der Stausee des Chummewassers auf 2097 Metern. Er liegt prachtvoll in der Sonne, an seinem Ende folgt noch etwas Tal und dahinter befindet sich der Kesselabschluss mit hohen Wänden; der Kesselrand ist auf 2800 Metern. Dort oben am Rand hat es etwas Gewölk, und es bläst Nebel herein von Italien. Aber noch ist rojosuiza unten, und es geht sehr gemütlich dem kleinen See entlang. Danach folgt das ganze, doch recht lange Tal, das überraschend flach liegt, und man wandert gemächlich immer dem Flüsslein entlang.
 
Wer die Berge liebt, muss auch die Steine lieben! rojosuiza muss sich unentwegt bücken, um mal dieses, mal das zu beschauen. Als Kind hat er bei diesen Gelegenheiten immer die grössten Steine mitnehmen wollen; man konnte ja versuchen, die Stein’ im Rucksack des Vaters unterzubringen. Der aber, ein echte Walliser, wandert schon lange nicht mehr. Des Sohnes Steine werden die letzten Jahre auch immer kleiner. Sie passen leicht in die Hand und manche sind nur Fingerspitzen-gross. – Was soll rojosuiza denken von dem kopfgrossen weissen Stein, der weiter oben im dann schon trüben Licht schimmert wie eine schwache Lampe? 5 bis 10 Kilo, keiner der ihn wegträgt. rojosuizas Ausbeute von diesem Marsch passt in die Brusttasche, hauptsächlich ‘Glas’, wie der Vater es nennen würde.
 
Der Aufstieg zum Pass beginnt. rojosuiza folgt brav den Markierungen. Gehört es sich aber nicht, dass einer im Gelände den Weg zur Not auch selber findet? Also späht er im Gelände herum nach dem Durchschlupf zum oberen Stockwerk. Just jetzt passiert’s. rojosuiza denkt  seinen eigenen Pfad gefunden zu haben – und er verliert dafür den eigentlichen Weg. Schon recht hoch ist er gekommen, da wird’s recht ausgesetzt. Sollte hier wirklich ein Weg durchführen?  rojosuiza sucht links: ausgeschlossen! rojosuiza sucht rechts: da! Ganz, ganz weit unten sieht er eine Markierung. – Was bleibt schon übrig? Auch wenn’s weh tut, man muss absteigen, bis eine risikolose Querung möglich ist. Schliesslich ist man wieder auf der Route. Das Steigen geht nicht wirklich flüssig; es muss oft angehalten werden, damit der Atem  nicht wegbleibt. Das Wetter verschlechtert sich jetzt stark. Es nieselt. Die schrägen Platten und Steine werden glatt. Dann graupelt es, rojosuiza ist erst froh – Graupel, da bleibt man eher trocken. Aber die dünne Schicht überzieht bald alles, die Schrägen werden lästiger und gefährlicher. Ja, und  es deckt die Markierungen zu! Was da flach liegt, taugt nicht mehr als Wegweiser! Zum Glück sind sie gross, die Walliser Markierungen, aberjetzt gibt es plötzlich gar keine mehr. Es wäre eigentlich Zeit, umzukehren. Aber was hinter mir liegt, will ich bei diesem Wetter lieber nicht wiederholen. Der Höhenmesser zeigt jetzt 2600m, der Pass ist nicht mehr fern, er ist auf 2760 Metern. Der Kompass zeigt, wo Süden ist, da muss der Wanderer hin, auch wenn nun wirklich jede Markierung abhanden gekommen ist. Das Wetter ist jetzt ganz schlecht, es weht ein eiskalter Wind. Alles sagt, umdrehen jetzt! Aber dieses Blockzeugs, unter dem ganzen Graupelmatsch? Dort, was ist das? – Eine Markierung, und sie führt nach Süden. Neuer Tatendrang füllt die Brust und schon bald ist die Grenzmarkierung gefunden. Das Graupeln hört auf. Der Wind legt sich. Bevor neues Ungemach heraufzieht, hüpft  rojosuiza über die Grenze! Zum Fotografieren auf dem Pass ist kaum Zeit. Die Sicht ist nicht gross. Neuer Graupelregen droht. Ausserdem frieren die Hände fast ab, wenn sie aus den Handschuhen sind. In Italien wallen die Nebel – aber in etwas Abstand. Auf den ersten Höhenmetern liegt auch dort noch etwas Graupel-Matsch, aber nur zehn, zwanzig Meter tiefer ist er weg. Es meldet sich das Telefon mit einer dringenden Botschaft: Du bist in Italien. Es ist der einzige Fleck mit Telefonverbindung, gerade unterhalb des Passhöhe, und nachher ist der Spass wieder vorbei für lange Zeit. rojosuiza muss lachen, als er die Markierungen hier sieht: sie sind klein, oh so klein!
 
Den Weg zu finden, es ist hier gewiss viel leichter als im Geschiebe und auf den Blöcken unweit des Passes, aber was ein wenig Schnee hier anrichten würde… Schliesslich erweisen sich sich als ganz ausreichend für rojosuiza. An allen wichtigen Stellen sind sie, und sie begleiten ihn treu bis ganz hinab nach Iselle, und auch in der Nacht leisten sie ihm den jetzt wirklich dringenden Dienst.
 
rojosuiza steigt ab zum Plan d’Erbioi, vor der Nase immer den Pizzo Moro, der bei diesem Wetter stattlich und mächtig wirkt. Er gelangt durch eine parkähnliche Landschaft mit Alpenrosen, Arven, Heidelbeeren zum Plan du Scricc, einer Hoch-Ebene, mit Alpwirtschaft. Aber der Plan du Scricc ist immer noch etwas über 2000m hoch. Schnell weiter, eine Stufe hinunter zur Alpe Veglia, da ist Zivilisation. Auch in parkähnlicher Landschaft kann man ausgleiten, wenn man nicht aufpasst, und gerade das geschieht. Gibt es Cappuccino auf der Alpe Veglia? – Leider weiss rojosuiza es nicht, da ihm der Tag davonläuft und das Gebäude des Italienischen Alpenclubs einen Umweg von gerade mal hundert Metern nötig machen würde. Eine halsbrecherische Strasse führt hinunter nach San Domenico, wenn nicht gerade etwas abgerutscht ist. Ab hier kennt rojosuiza den Weg von der Tour um den Monte Leone. Am Fluss unten im San Domencio ist’s wirklich Nacht. Der Öffentliche Verkehr hier oben ist längst schlafen gegangen; und wer von den Bewohnern wird wohl noch hinab nach Varzo wollen? – Autostopp ist da keine Option. Aber die Stirnlampe hilft. Ich wähle die aufgelöste Strasse am orographisch rechten Ufer des Torrente Cairasca; ein Schild verbietet mir den Durchgang, vor kurzem ist ein Erdrutsch niedergegangen aber die Passage ist begehbar, auch in der Nacht und mit Stirnlampe. Schliesslich kommt die ‘mulattiera’ nach Trasquera, hier fühle ich mich sicher. Die beiden kristallenen weissleuchtenden Scheibchen?  – eine Katze im LED-Licht! Die Mulattiera hat ausgesetzte Stellen über einem fürchterlichen Abgrund hoch über Varzo; bei Nacht sieht man das beruhigenderweise überhaupt nicht. Vor Trasquera ist der Ofen aus. Keinen Meter geh ich noch. Bis nach Iselle hinab, um den den letzten Verlade-Zug um 23.28 Uhr zu erwischen? – Unmöglich! Ich lege mich hin und will nur noch schlafen. Ich ruhe eine Viertelstunde. Aber wird es nicht regnen? Was mache ich dann, mitten in der Nacht, in einem von jeden lebenden Seele verlassenen Trasquera? Die Viertelstunde hat mir gut getan. Im Nu stehe ich in Trasquera (1100m). Tatsächlich völlig ausgestorben. Es ist 22:00 Uhr. Die ‘mulattiera’ nach Iselle dann? – 1 Stunde Gehzeit, sagt das Schild. Iselle stazione liegt auf 600m. Wenn ich den Weg in der Nacht nur noch finde… Wenn Füsse und Knie noch wollen… in einer Stunde? – Es reicht. Um 22:05 ist rojosuiza unten im Bahnhof Iselle. Um 22.28 fährt der letzte Zug durch den Simplon-Tunnel nach Brig. Nach Mitternacht liegt rojosuiza im eigenen Ferienbett.      
 
 
 

Tourengänger: rojosuiza


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