"Wie wenig Lärm machen die wirklichen Wunder" (Antoine de Saint-Exupéry)


Publiziert von Winterbaer , 5. Oktober 2012 um 23:37.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Ammergauer Alpen
Tour Datum: 3 Oktober 2012
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   D 
Aufstieg: 913 m
Abstieg: 913 m
Strecke:13,6 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Ammerwaldhotel
Unterkunftmöglichkeiten:Ammerwaldhotel
Kartennummer:BY 6 Ammergebirge West Hochplatte, Kreuzspitze 1.25000 Landesamt f. Vermessung und Geoinformation Bayern /DAV

...und wie viel Lärm machen dagegen die Menschen an einem sonnigen Feiertag in Deutschland (Tag der Deutschen Einheit), an dem komischerweise jeder meint, einmal auf den Berg gehen zu müssen, auch wenn er sonst nie geht und nur an dem "gesellschaftlichen Event" des Zusammentreffens mit anderen interessiert ist.

Es war wirklich erstaunlich. In all den Jahren im Ammerwald haben wir den Parkplatz am Hotel nie so überfüllt erlebt. Sogar auf unserem "Zauberberg", der Hochblasse, wo wir meistens bisher alleine waren, mussten wir heute vor laut dozierenden Mitmenschen flüchten, die meinten, mit ihrem angeblichen Wissen und ihren Erlebnissen den ganzen Berg unterhalten zu müssen.
Es könnte der ganze Gipfel mit netten Bergkameraden vollgestopft sein, die wie wir auch nur die wunderschöne Natur, die schöne Aussicht genießen, den Wind und die letzen Hummeln vorbeibrummen hören und ggf. den eigenen Atem wahrnehmen wollen, es würde uns gar nicht stören. Wir haben nie was dagegen, nette Leute zu treffen. Aber diese "Laberköpfe" sind einfach immer wieder eine Seuche!

Die wirklich "erfolgreichen Bergsteiger" sind meistens die ganz bescheidenen und leisen. Die müssen auch nicht immer lauthals herumposaunen, welchen Gipfel sie schon "gemacht" haben. Aber was will man machen, außer der unerwünschten Beschallung zu entgehen zu versuchen...mit Flucht?

Am Schützensteig müssen wir schon einen gehörigen Gang zulegen, um nicht den ganzen Weg hinter uns die Geschichten der anderen hören zu müssen. Dabei mag der Winterbaer gar nicht so den Berg hochrennen müssen. Heute war er am Schützensteig für seine Verhältnisse viel zu schnell:-(.

Volle Entspannung, höchste Konzentration auf das Hier und Jetzt, schon beim Aufstieg...dazu muss es ruhig sein! Wir reden auch den ganzen Weg nix bis auf "besondere Ausnahmeerlebnisse, die uns begegnen"... Entspannung und Konzentration auf den Rythmus des Gehens ist doch nur möglich, wenn man nicht ohne Unterbrechung von viel zu gut verständlichen Menschenstimmen zugequatscht und abgelenkt wird. Die Massen von der Krähe (hier war Bergmesse) und die von der Hochplatte hörte man später bis zu uns herüber schreien. Schade, denn die wirklichen Wunder der Natur sind immer ganz leise, nur die lauten Menschen sehen sie ja gar nie. 

Doch zum Glück, im Köllebachtal am Ochsenängerle angekommen, ist endlich erst mal Ruhe. Sind die Quatschköpfe alle auf den Ochsenälpeleskopf gegangen? Wir genießen ein weiteres Mal dieses wunderschöne Tal. Es wird uns nie langweilig! Die Weite, die bunten Bäume, die Strahlen der schon schräg stehenden Sonne, tauchen diese bezaubernde Landschaft in noch schöneres Licht denn je. Betrachtet man die an den Talrändern aufragenden Felswände von Niederstraußberg links, dann Krähe, Hochplatte, Roggentalsattel, während man auf dem moderat ansteigenden Weg über die sich herbstlich verfärbenden Wiesenmatten neben dem Köllebach aufsteigt, kommt dem besten Winterbaer-Begleiter der Welt in den Sinn: "Die schönsten Kathedralen hat doch schon immer die Natur gebaut". Und wahr ist es!

Super Sicht heute, als wir nach nur ein paar Tagen schon wieder auf "unseren Berg der Berge" steigen. Die Sonne wärmt noch richtig schön.
Zuerst halten sich die Besucherzahlen noch in Grenzen, aber nach und nach kommen immer mehr Leute, vor allem von dem einfacheren Latschenweg über den W-O Rücken hoch. So viele Menschen haben wir hier oben noch nie erlebt, was ja nichts machen würde, da das "Gipfelplateau" eine sehr große Wiesenfläche ist. Jeder könnte sich seinen Platz suchen, wenn die anderen mit ihren Stimmen nicht alle Entfernungen übertönen würden.
Ja, zugegeben, wir sind da sehr empfindlich und das ist unser Problem!

Wir bleiben dann eben in einer Mulde versteckt wieder so lange oben, bis alle anderen weg sind. Die Sonne verbirgt sich zwar zunehmend hinter Schleierwolken, aber egal. Ganz alleine steigen wir schließlich wieder ab, an den inzwischen schlafenden Murmeltieren vorbei, doch noch ein wirklich letztes Mal dieses Jahr zur Jägerhütte. Diese ist heute den letzen Tag geöffnet gewesen und die 2 netten Älpler sind ganz platt von dem großen Trubel heute. Der Flori sagt, wenn es am 3. Oktober schönes Wetter ist, gehen sie alle und dann ist es der schlimmste Tag des ganzen Jahres. Und "wenn jeder Tag so wäre, würd ich in Zukunft was anderes machen". Die armen!

Für uns war es aber trotzdem ein schöner Tag, kann im Köllebachtal gar nicht anders sein! Ach ja, und am Schluss haben wir beim Abstieg über den Schützensteig die Hirsche wieder röhren gehört:-)
Man sollte jeden Tag da raufgehen können!


Tourengänger: Winterbaer


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Kommentare (7)


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sven86 hat gesagt:
Gesendet am 6. Oktober 2012 um 09:49
Mein Beileid, ein solcher Auflauf wundert mich bei diesem weglosen Berg schon. Die wurden wohl alle durch deine tollen Berichte angelockt? ;)

Winterbaer hat gesagt: RE:
Gesendet am 6. Oktober 2012 um 10:24
Mensch Sven, wenn dem so wäre, sollte ich sie vielleicht sofort alle löschen!? Das wäre echt schlimm! Und ich wäre daran Schuld?
Wir haben uns das wirklich auch überlegt. Aber komisch ist, dass man den unteren Einstieg in den W-O Rücken recht schwer findet, wenn man es nicht weiß. Und den habe ich nie beschrieben. Die meisten kamen aber da hoch... Deshalb glaube ich doch, dass diese Massen an dem Tag den Weg schon vorher gekannt haben müssen, es nur eine unglückliche Anhäufung war?
Wie gesagt, der Berg gehört nicht uns, jeder kann und darf natürlich da hochgehen. Aber einmal die Klappe halten, das würden wir und so wünschen!

Viele schöne, ruhige Touren wünsch ich Dir für den Herbst!

Uschi

Winterbaer hat gesagt: RE:
Gesendet am 6. Oktober 2012 um 12:21
Da fällt mir grad noch ein, als wir spät am Nachmittag wieder gehen wollten, saß da ein nettes, sicher auch ruhesuchendes Pärchen. Die erzählten, sie hätten ein Buch daheim "Unbekannte, einsame Gipfel in den Ammergauern". Da stände auch die Hochblasse drin, sicher mit genauer Wegbeschreibung, die ich nie eingestellt hatte:-) Im Kompass Wanderbuch Ammergauer Alpen vom Garnweidner ist sie ja auch drin die "Stille Rundtour im Schatten der Hochplatte".
Also nicht nur alles meine eigene Schuld? Sei es wie es mag, das Problem, dass die Menschen die Ruhe nicht mehr ertragen können, weil sie dann Angst kriegen, mal über sich nachdenken zu müssen, das besteht m.E. heute immer und überall und das ist wiederum unser größtes Problem. So ein Gelaber, diese ewige Angeberei und das Selbstdarstellen, das ich hören muss und doch gar nicht will und es mir auch nicht gelingt es zu ignorieren, macht mich so aggressiv und verdirbt mir immer den ganzen Naturaufenthalt. Was kann man dagegen machen, ist die Frage, außer immer in vermeintlich ruhigere Gefilde zu flüchten? Wir werden die Menschheit nicht ändern können, leider. Und ich fürchte, das wird alles in Zukunft nicht besser werden. Spaßgesellschaft überall, Beschallung auch, leben heißt eben jetzt ständig Lärm.

Trotzdem Dir viele ruhige Touren!

VG Uschi

maxl hat gesagt:
Gesendet am 6. Oktober 2012 um 15:49
aber, man muss fairerweise sagen, an dem Tag war's schon besonders voll. Meine Laune ist morgens auch an den Nullpunkt angekommen. Aber gottseidank wurd's dann besser... man sollte sich auch durch sowas nicht die gute Grille vermiesen lassen, das lohnt sich nicht.

Winterbaer hat gesagt: RE:
Gesendet am 6. Oktober 2012 um 16:59
Ist bestimmt mein Fehler, aber das schaffe ich nicht:-( Ich konnte schon früher nicht lesen oder lernen, wenn neben mir im Bus/Zug einer ständig gequatscht hat.
Oben auf dem Gipfel hab ich mir gedacht, was ein Blödsinn, dass der Mensch reden kann. Könnte er nicht zwitschern oder sich verständigen wie die Fische...was weiß ich. Du kennst Dich mit diesem zwischenmenschlichen "Problem" besser aus.

maxl hat gesagt: RE:
Gesendet am 6. Oktober 2012 um 17:30
naja, solche evolutionären Errungenschaften bringen eben nicht nur Vorteile mit sich. Aber trotzdem: allein durch Zwitschern wäre z.B. hikr.org (eben so ein Vorteil) ziemlich schwer möglich.
Und sieh's positiv: die Ruhe weiß man doch erst dann richtig zu schätzen, wenn man sich hin und wieder auch mal das nervige Kontrastprogramm antut...
Zuletzt: keine Sorge - ich schaff's meist auch nicht, da gelassen zu bleiben:-)

Winterbaer hat gesagt: RE:
Gesendet am 6. Oktober 2012 um 17:58
Wir könnten doch auf Hikr. auch zwitschern? Die Vögel haben bestimmt auch verschiedene Laute für verschiedene Informationen. Bestimmt unterhalten sich auch die Murmeltiere irgendwie und man hört nix. Man kann ja alle möglichen Informationen digital übermitteln, warum nicht auch das:-)

>ich schaff's meist auch nicht, da gelassen zu bleiben:-)
Wenn ich mich auch nur ein bisschen anfange zu ärgern, ist das Bergerlebnis bei mir im A......

Meinem besten Begleiter von allen hat unser kleiner Sohn richtig heavy Musik auf die Ohren (RHCP und Co.) draufgespielt, damit das das Gelaber im Zug jeden Tag übertüncht. Entspannung sieht aber anders aus! Richtige Entspannung geht nur mit Stille. Ich kann auch nicht schlafen, wenn einer quatscht, und wenn ich noch so müde bin.


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