Bietschhorn - Biwak Schafbärg - Hogleifa


Publiziert von Schneeluchs , 1. Oktober 2012 um 17:37.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:27 August 2012
Hochtouren Schwierigkeit: ZS-
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 3400 m
Abstieg: 3600 m
Kartennummer:1268

Schon lange war es ein Traum von mir, mal auf der Bietschhornkette zu biwakieren.
Und wieder mal dem König des Lötschentals auf die Krone zu steigen.
Nun ist der Moment gekommen, beides zu kombinieren und gleichzeitig auch noch meine diesjährigen Begehungen Mällischhorn-Wannihorn und Mällischhorn-Hogleifa zu ergänzen.

Am ersten Tag Aufstieg zum Bietschjoch und Schafbärg, wo ich alles für die königliche Besteigung nicht benötigte Material zurücklasse. Pickel und Steigeisen habe ich nach sorgfältiger Abwägung gar nicht erst mitgenommen und vermisse ich auch keinen Moment. Das Bietschhorn wird damit der zweithöchste Berg, den ich ohne Steigeisen und Pickel im Gepäck besteige.
Bei der Bietschhornhütte kehre ich für einen Tee ein und plaudere eine halbe Stunde mit Anni. Ganz angenehm ist das, hier würde sich auch angenehm übernachten lassen - doch das ist heute nicht der Plan, wenigstens nicht Plan A.
Vom Schafbärg folge ich alles der Krete, was landschaftlich fantastisch und ohne Gletscherberührung möglich ist. Der Tiefblick auf den Nestgletscher ist faszinierend.
Ich komme an verschiedenen Biwakmöglichkeiten vorbei, da werde ich noch die Wahl haben...
Es lohnt sich, nicht den direktesten Weg zu nehmen, sondern möglichst tief an den Westgrat zu traversieren. Dort, wo der Gletscher erst in den letzten Jahren abgeschmolzen ist, liegt extrem wackliges Gestein. Bei der kleinsten Berührung können grosse Blöcke sprunghaft kippen!
Der Westgrat... Also, auf der Gratkante zu gehen, ist wohl oft nicht nur schwierig, sondern fast unmöglich, sieht sehr wacklig aus. Folglich MUSS in der Südflanke ausgewichen werden. Dafür sind die Verhältnisse heute günstig, es liegt nur noch stellenweise ein wenig Neuschnee, dem ich meist ausweichen kann. Wo ich zum Schneekontakt gezwungen werde, sind nachher die Sohlen nass, was gar nicht günstig ist zum Klettern.
Bis kurz vor dem Roten Turm ist es technisch nicht besonders anspruchsvoll, die Schwierigkeit liegt darin, keine Blöcke auszulösen, die einen dann in die Tiefe reissen.
Der Rote Turm bietet gut- aber kleingriffige Kletterei in sehr stabilem Fels - ungesichert so ziemlich an der Grenze. Überhaupt ist die Tour ungesichert für meinen Geschmack gerade an der Grenze - wenn sich etwas löst, auf dem man steht, ist man über das Seil froh. Ungesichert kompensiere ich das mit grösserer Vorsicht. Also, am Roten Turm muss ich mich schon ein wenig überwinden, mit dem Berg ringen... Komm ich da auch wieder runter? Ich spüre zudem leicht die Höhe und deutlich die Höhendifferenz ab dem Talgrund, bin langsamer unterwegs und habe stärker als gewohnt das Gefühl, an der Grenze unterwegs zu sein. Zeit habe ich ja noch genug, muss erst bei Sonnenuntergang zurück auf dem Schafbärg sein. Das Wetter ist nicht nur stabil, sondern perfekt. Und ich bin fast oben. Also wage ich es.
Das restliche Gratstück ist wieder leichter, aber es gibt ein kleines obligatorisches Ausweichmanöver in die leicht bepuderte Schattenseite, und ein guter Gleichgewichtssinn ist gefragt.
Schliesslich bin ich nach rund 8 Stunden auf dem Gipfel und kann die überwältigende Aussicht auch auf die Ostseite geniessen.
Das Gipfelkreuz jedoch schmeichelt meinem ästhetischen Empfinden gar nicht. Da hat die Zuvielisation wieder mal zugeschlagen... Auch hier oben noch Beton... Schade, auf der Hogleifa hat das letztes Jahr von 8 Männern hinaufgetragene Holzkreuz richtig viel Charme, hier fehlt dieser gänzlich. Auch gibt es keinen Platz, um bequem die Aussicht zu geniessen. In meiner Erinnerung konnte man im 2003 auf dem Bietschhorn gemütlich eine Stunde sitzen, dafür gab es noch kein Kreuz - aber die Erinnerung ist oft ein wenig positiv gefärbt... Gerne würde ich meinen damaligen Gipfelbucheintrag lesen (ich weiss noch, er war sehr lang), doch das Buch ist leider weg. Einen Gipfelbuchtresor anstatt diesen Klotz... ;) Überhaupt, wohin verschwinden eigentlich all die vollen Gipfelbücher...?
Ich habe den Eindruck, nicht ganz auf dem höchsten Punkt zu sein. Der Grat rüber scheint aber wacklig, und meine Abenteuerlust ist vorerst befriedigt. Also soll's für diesmal gelten, noch was fürs nächste Mal aufgespart, ist immer gut...
Ich mache mich bald an den Abstieg, was erstaunlich gut geht, auch das Abklettern am Roten Turm klappt problemlos.
Wasser finde ich beim P.3142, kann dort auch endlich die Füsse abkühlen. Die Grenze zum Abfrieren ist allerdings schmal...
Ich entscheide mich, direkt auf dem Schafbärg zu übernachten, mag nicht mehr umziehen und war sowieso der Plan. Die Schlafstelle ist etwas unterhalb der Krete, so dass man gegen Nordwind geschützt ist. Stärkerer Wind darf jedoch nicht aufkommen, sonst fliegt alles weg. Der Sonnenuntergang ist prächtig. Leider habe ich keine Kochutensilien dabei, das Gletscherwasser ist nur ganz knapp flüssig...
Mulmiges Gefühl, ganz allein hier oben auf über 3200m, völlig dem Wetter ausgesetzt. Aber ich habe schon viele Biwaks hinter mir, und so schlägt die Aufgeregtheit nicht in Angst um - Schlafschwierigkeiten habe ich aber schon.
Der zunehmende Mond steht bei Sonnenuntergang schön am Himmel und beleuchtet die Szene, ich erfreue mich stundenlang der Romantik.
Es macht sich bezahlt, dass ich den 3-Saisonschlafsack und Biwaksack mitgeschleppt habe - friere keine Minute... was anders wäre mit dem Sommerschlafsack mit wasserfester Aussenhülle ohne Biwaksack... der Schafberg ist nicht das Valgrande...!
Am Morgen folge ich dem Grat bis zum Schwarzhorn, die Wetterprognose sieht zumindest keinen Regen vor. Das Wetter wirkt aber nicht mehr besonders zuverlässig. Früher aufzustehen hätte sich gelohnt, aber der Schlaf war dann schlussendlich so süss und auch wohlverdient. Knapp entscheide ich mich beim Wilerjoch, nicht ab- sondern weiterzusteigen. Der Weg aufs Wilerhorn ist jedes Mal wieder ein Abenteuer, besonders im unteren Teil. Ich umgehe das erste Stück auf dem Bietschgletscher.
Auf dem Wilerhorn ein Wetterupdate... Plötzlich ist doch von lokalen Schauern die Rede! Das ist sehr stressig, denn zurück zum Wilerjoch zieht mich viel weniger als der schöne Grat weiter zur Hogleifa. Innerlich bin ich jetzt hin- und hergerissen. Beschliesse, doch weiterzugehen und zügig. Wie könnte ich das jetzt geniessen bei solchem Königswetter wie gestern!
Das Chastlerhorn... grimmig und wild wie immer...
Habe die Augen offen für den Abstieg vom Chastlerjoch. Die Beschreibung im SAC-Führer ist jedoch von oben nicht zielführend, ich will nicht riskieren, Zeit zu verlieren mit Suche und es geht dann doch nicht.
Auf der Hogleifa die beiden Adler, unbeeindruckt vom grauen Himmel.
Wie gerne würde ich jetzt noch die 5 Minuten zum Hauptgipfel machen, dem Kristall sali sagen und was ins Gipfelbuch schreiben, schauen, was es für Einträge gegeben hat seit meinem letzten Besuch. Ruhen, Aussicht geniessen, mich freuen ob der Leistung und der Ambiance. Mit dem Gleitschirm habe ich 2005 hier oben auf 4200m hochgedreht... wie die Adler... Träumen halt... Aber es beginnt zu tropfen!! Also nur kurz den restlichen Proviant essen und weiter.
Der WSW-Grat erscheint mir viel länger als beim letzten Aufstieg. Ich bin sehr froh, dass die Tropfen aufhören und die schwarzen Flechten trocken bleiben. Und dass ich den Ausstieg kenne. Nun kommen grosse Tropfen.
Aber: Ich erreiche rechtzeitig das Ende des Grates :) Ziehe Regenbekleidung an und freue mich über das nun leichtere Gelände, wo mir kein Regen und Schnee mehr etwas anhaben kann... welche dann aber doch nicht kommen... wie meistens im Wallis...

Tourengänger: Schneeluchs


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Kommentare (5)


Kommentar hinzufügen

Fenek hat gesagt: einfach herrlich...
Gesendet am 1. Oktober 2012 um 19:15
dein Bericht!
Gefällt mir ausserordentlich und herzliche Gratulation zu diesen Gipfeln!!

morphine hat gesagt: Guter Stil!
Gesendet am 1. Oktober 2012 um 22:22
Hallo Schneeluchs,

neben den klasse Bildern gefällt mir besonders der Stil, in dem Du die Tour beschreibst. Das mit sich selbst ringen und auch mal zweifeln können. Das Ganze dabei immer gut auf den Punkt gebracht. Kompliment!

Gruß
morphine

Felix hat gesagt: RE: Guter Stil!
Gesendet am 2. Oktober 2012 um 21:07
ich schliesse mich den Worten von morphine vollumfänglich an - gratuliere!
lg Felix

Schneeluchs hat gesagt: Danke :)
Gesendet am 2. Oktober 2012 um 00:50
Vielen Dank für eure Komplimente. Freut mich, dass mein Bericht euch gefällt :)

Sputnik Pro hat gesagt: Gratuliere
Gesendet am 2. Oktober 2012 um 08:57
Hallo Schneeluchs!

Ein prächtiger Bericht zu einem tollen Berg. Die Tour gefällt mir ausserordentlich und mit einem Biwak ists ja noch schöner :-)

Gruss, Sputnik


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