Mühlebergs Fall zu Wittenberg - kein Luther weit und breit!


Publiziert von Henrik , 14. März 2012 um 20:09. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » Freiburg
Tour Datum:11 März 2012
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-FR 
Zeitbedarf: 2:30
Aufstieg: 180 m
Abstieg: 130 m
Strecke:Einheimische
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖV
Zufahrt zum Ankunftspunkt:ÖV
Kartennummer:Gümmenen - Wallenbuch - Ulmiz - Cressier

 ... man tritt vors Haus, schliesst die Türe und hat ziemlich oft einen grauen Anfang vor sich! Unten grau und oben auch ... die Rede ist vom Trottoir (Gehweg gibt es nicht in der CH) und der Witterung. Dabei gerate ich ins Grübeln, warum die Allmendverwaltung nicht mal gelbe oder grüne Belagsdecken aufbringen könnte, damit der Morgen mal anders beginne. Ich eile zur Tramstation, dort ist die Belagsdecke meist voller uralter Kaugummi und auch keine Ansehnlichkeit... Am Bahnhof SBB scheint der Frühling angebrochen zu sein – die Perrons werden mit neuen roten Sitzgelegenheiten ausgestattet (vandalismussicher?), die Fahrplanstandorte verändert und auf lichtgeflutete Panels eingebracht wie sie an kleinen Bahnhöfen schon anzutreffen sind. Der IR nach Bern ist gestossen voll, so dass wir (Bulbiferum, Helen und ich) uns eigentlich der Tageszeit entsprechend wundern, warum dem so ist – im Gangway hastet eine Person vorbei, die das Anti-Atomsünneli auf ihrem T-Shirt trägt ... und ja, Fukushima durchfährt es uns, der Jahrestag. Dass die allerdings alle auch nach Gümmenen fahren ... davon hatte ich keine Notiz bei der Planung genommen, weil mir, obwohl Mühleberg in der Nähe liegt, kein Kombi-Gedanke dazu gekommen ist. He-nu-so-de! Gerade noch rechtzeitig ergatterte Bulbiferum eine Sitzeinheit für uns drei in der S-Bahn auf Gleis 13 C – danach wurde der Zug regelrecht erstürmt. Irgendwie schienen die Teilnehmer der angesagten Demo in Mühleberg uns nicht zu überzeugen – sie wirkten verschlafen und seltsam ruhig, die Kinder völlig unenthusiastisch. An der Fussgänger-Rampe in Gümmenen fanden wir dann inmitten Hunderter Sünneli-Träger tschiin76 und strumpf im Ergo-Carrier, sodass wir nun nur noch der Rotseeallianz entgegensahen, die für 10.23 ihre Ankunft ankündigten. Zwischenzeitlich blieb Zeit, das Bahnhofsgelände noch ein wenig zu inspizieren: ...die Polizei hielt sich sehr diskret im Hintergrund, die eigenen Sicherheitsleute der Demo-Leute waren da schon aufgeregter. Um halb elf zog die bunte hikr.-Truppe los. Schon zu Beginn eine erste Herausforderung: eine T6-Rampe musste durch den TFK-Geländewagen geschafft werden. Das Ortsschild Wittenberge passte irgendwie zum Anlass, der einige Kilometer weiter im Entstehen war – mir kam Luther sofort in den Sinn. Aber das war’s dann auch schon. Im leichten Anstieg auf den Witte(n)bergwald verpassten wir offensichtlich die Kantonsgrenze, sodass wir bulbiferums GPS zur Hilfe nahmen: wir standen bereits auf Enklave-Boden von Wallenbuch (Kanton Freiburg). Von hier ist auch der Kunstbau des 1899/1900 entstandenen Saane-Viadukts der Bahnlinie Neuenburg – Bern zu erblicken. Einige Schritte weiter beinahe unendliche Weite – zum Jura und zum Voralpenraum Kanton Freiburg/Bern. Dem uns begegneten Licht fehlte noch die Akzentuierung – die es heraushob, um Vergleiche mit der Malerei zu machen oder mit sonstigen Sinneseindrücken. Da staunten wir dann ganz anders beim Anblick dieses Plakates, dem wenig Ironie beizupflichten war, wenn nicht eher schon Entsetzen über dessen Pietätlosigkeit im Zusammenhang mit dem Warnschild „Schulweg“! Die Kapelle in Wallenbuch ist zugänglich – ich dozierte in bewusster Kürze darüber. Danach spazierten wir durch Wohngebiet, an einem Fussballfeld vorbei, übrigens, der WW endet abrupt im kleinen Weiler – WW ohne Fortsetzung, beinahe mehr als nur eine beliebige Notiz.  Als Nächstes rätselten wir über die erneute Kantonsgrenze, die wieder auf Unsichtbar machte. Dafür weitete sich das Land und die Bäume schienen den Himmel, der zunehmend auf Blau umstellte, zu kratzen.  Vorboten für eine neue Saison lieferte auch der hiesige Verein der Hornusser der Gemeinde Ferenbalm – in dessen Feld die Wurfweiten-Markierungsarbeiten soeben abgeschlossen wurden. Der Jura dahinter güxelte uns im fast undurchdringlichen Dunst entgegen... einem Gemälde gleich. 

 ... bei Punkt 515 verlässt der Wanderer den Kanton Bern und steht erneut auf Freiburger Boden. Grenzsteine fanden wir keine vor, dafür gelangten wir in ein kleines Tal der Biberen, die man vermuten würde, sich in die Saane ergiesse – doch ihr Wasser mündet schliesslich in den Canal de Broye, zwischen dem Murten und dem Lac de Neuchâtel! In der an eine Aue gemahnenden Umgebung und friedliebendem Glucksen, welches uns erfüllte, galt es den Bach noch über eine kleine Holzbrücke zu queren – danach erreichten wir den Dorfrand. Mittels GPS (...) fanden wir den Bauernhof, der uns 2 ¾   Stunden mit Dinieren „beschäftigte“, allerdings mit Nebengeräuschen: bei der Bestellungsaufnahme mussten wir uns sagen lassen, dass bei sechs unterschiedlichen Menüs der Koch überfordert sei... so kam es, dass statt sechs Varianten lediglich fünf aufgetischt wurden. Das gibt eindeutig Punkteabzug und so was hat keiner von uns jemals zuvor erlebt... Uns ist auch aufgefallen, dass hernach der Service durch eine junge Frau erfolgte...! Zur Entlastung: Wein (Rotwein gestiftet durch bulbiferum – herzlichen Dank) und Essen schmeckten vorzüglich. Auch strumpf wurde aufmerksam unterstützt und ein Novum für tschiin76, dessen „Gaiferlätz“ wurde mit Henriks mitgeführten Klämmerli diskret befestigt! Die Nachspeise, in der Schweiz besser als Dessert bekannt, wurde sowohl im Glas als auch im Holzmucheli gereicht. Manchmal sind Beizen ja zu eng für unternehmungslustige Kleinkinder – draussen gab es eine Rutsche, Spielzeug sowie Autos und Trottinets: an dem fand strumpf einen lang andauernden Spass. Auch grosse Kinder mögen so was.  Nach dem Mahle sollst du ruhen ... meine Aufforderung zum Weit(er)wandern wurde ohne Mucks angenommen und umgesetzt. Zwischenzeitlich segnete uns die Sonne mit frühlingshaften Temperaturen, doch auch die Bise blies uns in den Nacken. Wir verliessen den WW und spazierten nun auf einer breiten Forststrasse durch den Galmwald bis zum Galmguet. Ins Freie heraustretend erneute Weite, wobei wir nicht schlüssig wurden, welche Höhenzüge sich vor uns ausbreiteten (es dürfte die Plasselber Region sein). Eher unvorteilhaft für WW-Nutzung ist das häufige Vorbeikriechen eines nicht endend wollenden Stromes von PWs, Besucher des Galmguets, das ein Pflegeheim auf seinem Grund stehen hat. Wir befinden uns übrigens am Röschtigraben: Jeuss ist deutschsprachig, Cressier (FR) französisch sprechend – wo genau die Sprachgrenze zwischen diesen beiden Dörfern verläuft, ist nirgends aufgezeichnet, diese Verläufe halten sich nicht an die politischen Grenzen.  Auch das Licht nicht: es gleisst blendend, dahinter ein sattes Blau – Hodler hat vielen seiner Landschaften eine weite blaue Fläche zugeteilt, nicht nur dort, wo er die Alpen ziseliert abzubilden versuchte.
 
  ... um kurz vor 17 Uhr stehen wir in Cressier (FR) am Bahnhof, in zehn Minuten wird ein Zug nach Neuchâtel uns mitnehmen, zurück in die Agglos. Bern kommt schon gar nicht in Frage, denn wie sich später herausstellt, haben 8000 Demonstranten dem Anlass in Mühleberg Folge geleistet – in Neuchâtel kann bulbiferum das Rückgeld am Schalter einfordern, den der Ticketkauf in Cressier generierte – auf einer Chipkarte. Während die Rotseeallianz auf ihre Verbindung nach Olten eilt, sind uns mit tschiin76 und strumpf noch weitere köstliche Minuten vergönnt – der TFK wird im Konstanzerzug verstaut, damit gelangen wir von Biel auch nach Olten. Mit einem sehr gut besetzten IR (die Gotthardstrecke ist immer noch gesperrt) schliesslich finden wir zurück nach Basel, wo bis Ostern jeden Sonntagabend die Fasnacht ge-„endstreicht“ wird – z’ Basel sait me däm dr Fasnachtsbummel.
 
 ... das Blau ist zwischenzeitlich intensiver ... nicht umsonst eine blaue Stunde


Der Senf von bulbiferum

 Als wir heute in Basel in den Zug nach Bern steigen fallen uns die vielen Leute auf. Der Zug ist ziemlich voll und bei jedem Halt steigen neue Passagiere hinzu. Allmählich dämmert es uns, wir sind im Anti AKW Demo Zug. Die haben alle das gleiche Ziel wie wir, die wollen auch alle nach Gümmenen. Es wird eng werden im Regionalzug. Dank Henrik's Erfahrung im Bahnfahren wissen wir, im Gegensatz zu unseren Sitzplatzkonkurrenten, genau wo wir hin müssen und können uns so noch einen Platz im Regionalzug ergattern. In Gümmenen suchen wir nach tschiin76 und strumpf und Henrik entdeckt sie auch schnell. Zusammen setzen wir  in eine ruhigere Ecke des Bahnhofs ab um auf Tobi und Lagopus zu warten. strumpf sorgt dafür, dass die Wartezeit kurz ausfällt.
 
 Unser Bummel führt uns zuerst in den kleinen Ort Wallenbuch, dann weiter über Felder zum Flüsschen Bibere nach Ulmiz. Unterwegs wurde viel geplaudert und fotografiert. Jeder entdeckt seine eigenen Sujets und es ist immer wieder interessant zu sehen, wie unterschiedlich wie wir die Umgebung wahrnehmen. Im Restaurant Bauernhof wartet ein schön gedeckter Tisch auf uns und wir lassen es uns gut gehen. Die Bandbreite der Menüs reicht von Salat über Currycremesuppe, Suure Mocke, Läberli, Kalbshaxe, Rindsteak, Schnitzel bis zu eingelegten Kirschen an Vanilleglace.
 
Wir bleiben lange sitzen. Zum Ausgleich beschliessen wir bis nach Cressier zu gehen und dort den Zug zu nehmen. Die Zeit vergeht wie im Fluge. In Cressier kämpfen wir, Helene und bulbiferum mit dem Ticketautomaten. Schliesslich spuckt er unsere beiden Billette aus, das Retourgeld von Fr. 53.- kommt nicht in bar sondern in Form einer Chipkarte. In Neuenburg können wir sie zum Glück wieder tauschen.
Hier in Neuenburg trennen sich leider auch unsere Wege. Tobi und Lagopus erwischen gerade noch eine ideale Verbindung nach Hause. Tschiin76 und strumpf verlassen uns in Olten in Richtung Züribiet. So endet ein schöner Sonntag den wir nicht missen möchten. Im Zug zurück nach Basel kommen dann schon Ideen für den nächsten TuT Anlass.
 
Vielen Dank an dich Henrik, wir haben dank deiner Initiative wieder neue sympathische Menschen kennengelernt und waren so nebenbei wieder in einer uns kaum bekannten Gegend unterwegs.

Nachwort von tschiin76: Wenigstens können wir sagen: wir waren dabei, am Geschehen des 11. März 2012, politisch wie auch geniesserisch.
Danke fürs Schieben, Hüten, Unterhalten, eine-schöne-Zeit-Verleben.


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Kommentare (1)


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Alice49 hat gesagt:
Gesendet am 15. März 2012 um 16:20
Sorry, Luther herrschte in Wittenberg, Wittenberge (De) liegt mehr in Meck/Pom.

LG Dorle


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