Überschreitung Oberreintalschrofen und Scharnitzspitze - ein Abstecher ins Reich der Kletterer


Publiziert von algi , 24. November 2011 um 06:54.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Wetterstein-Gebirge und Mieminger Kette
Tour Datum:23 November 2011
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   D 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1450 m
Abstieg: 1450 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Mittenwald nach Leutasch bis zum Ortsteil Klamm. Oberhalb der Hauptstrasse ca. 4 - 5 Parkplätze. Alternativ kann auf dem ersten Besucherparkplatz im Gaistal geparkt werden.

Heute habe ich mir, ausgehend von der Oberreintalscharte, die Gratüberschreitung von Oberreintalschrofen und Scharnitzspitze vorgenommen. Also Westgrat Oberreintalschrofen hinauf, Ostgrat wieder hinunter zur westl. Wangscharte, dann Westgrat Scharnitzspitze hinauf, und Ostgrat hinunter zur östl. Wangscharte. Ein besonderes Schmankerl ist der Abstieg von der östl. Wangscharte, aber dazu später mehr.

Bei der Autofahrt habe ich schon ein schlechtes Gewissen, da ich heute nicht so recht aus den Federn gekommen bin, aber der Verkehr läuft gut, und so kann ich um 8:20 Uhr am Mini-Parklatz in Leutasch-Klamm losgehen. Der bezeichnete Weg führt mich jedoch wieder auf die Westseite des Baches, wo dann auch der Weg vom Gaistal heraufkommt. Heute nutze ich jedoch alle Abkürzungsmöglichkeiten, und kann bis zur Wangalm knapp 20 Min. Zeit gutmachen. Über den Rossbergsattel erreiche ich den Wandfuß der westl. Ausläufer des Oberreintalschrofens, hier quere ich nun leicht abfallend hinüber zum Geröllgraben der von der Oberreintalscharte hinunterführt.
Anfangs halte ich mich an die westl. Seite der Geröllzunge, später als sich der Graben zu einer Rinne verengt, gehe ich abwechselnd am rechten oder linken Rand der Rinne ( immer dort, wo ein bisschen fester Fels aus dem Geröll herausschaut ) hinauf bis zur Oberreintalscharte. Es geht besser als gedacht, aber schön ist was anderes.
Nun verfolge ich den Westgrat bis zum Gipfel des Oberreintalschrofen, der erste brüchige Turm wird südseitig umgangen, dann schotterig hinauf bis zu einer kleinen Scharte, ein schmales Band führt ein paar Meter auf die Nordseite, gerade hoch auf den Turm, und auf der anderen Seite wieder hinunter zum Grat. Nun immer direkt am Grat, oder knapp südlich davon, weiter, bis zum nahezu senkrechten Gipfelaufschwung. Über die rote Rinne überwindet man diese steile Passage ( III ), und steht nun wenige Meter vor der Gipfelstange, die kardirk vor ein paar Wochen aufgerichtet hat. Der Westgrat ist ziemlich schotterig und brüchig, ich bin sehr froh, dass ich dieses Teilstück nicht mehr zurück muss.

Da es erst 11:00 Uhr ist, mache ich mich gleich an den Abstieg über den Ostgrat. Schrofiges IIer Gelände ohne irgendwelche Besonderheiten, der Weg ist auch ohne Zuhilfenahme des Führers immer klar ersichtlich, und halbwegs fest. Gegen 11:30 Uhr habe ich die westl. Wangscharte erreicht.

Vor meiner Mittagspause möchte ich unbedingt noch die Scharnitzspitze erreichen. Nun geht es also wieder den Westgrat hoch ( III ). Die Felsqualität hat sich radikal zum Positiven verändert, so habe ich mir das gewünscht. Zunächst wird der Vorturm überklettert, dann ein paar Meter nach Norden absteigen und in gegliedertem Fels wieder auf den Grat zurück. Die Beschreibung im Führer ist sehr gut, nachdem ich, nach der südlichen Umgehung des gelben Überhangs, wieder am Grat zurück bin, muss ich ihn jedoch nicht mehr weiter konsultieren, sondern verfolge den Grat, nach eigenem Gutdünken, weiter bis zum Gipfel. Dieser wirkt auf mich jedoch ein bisschen enttäuschend, ein unwirtlicher Steinhaufen, in einer Felsspalte steckt die GB-Schatulle, das wars. Hier möchte ich mich auf keinen Fall ausruhen.

Nun folgt der Abstieg über den Ostgrat zur östl. Wangscharte ( III- ). Der Mix aus Schrofengelände und kurzen Kletterstellen fordert immer wieder die Aufmerksamkeit. Die Kletterei ist an einigen Stellen durchaus anspruchsvoll, aber immer bombenfest. Es führt zwar kein richtiger "Weg" hinab, aber die Abstiegsspuren der Kletterer sind deutlich erkennbar, so dass ich auch hier den Führer nicht mehr zu Rate ziehen muss. Kurz vor 12:30 Uhr erreiche ich die östl. Wangscharte. Ich freu mich auf eine kleine Brotzeit, aber Gemütlichkeit will auch hier nicht aufkommen, da über die Scharte ein kaltes Lüftchen fegt. Nach 10 Min. packe ich wieder zusammen, und lege mich nun endgültig auf den hoffentlich warmen Wandfuß für meine Rast fest.

Wie kommt man denn nun von der östl. Wangscharte wieder runter? Die Kletterer seilen ab, dies scheidet schon mal aus, weiter westl. entdecke ich einen Klettersteig mit Eisenbügeln, der in meinem antiquiertenFührer noch gar nicht verzeichnet ist, scheidet auch aus. Ich möchte diese Tour ohne künstliche Hilfsmittel zu Ende bringen, von Süden ist der leichteste Zugang zur Scharte eine IVer-Tour, das sog. Plattenband. Dazu steigt man erstmal 15 m den Westgrat zur Schüsselkarspitze hoch, und dann geht es richtig los. Es folgt ein sehr ausgesetzter Quergang in die steilen Südwandplatten hinein, kurz auf ein Köpfl hinauf, und dann 10 m eine Verschneidung und eine Riß abklettern, ehe man auf den markanten, der Wand vorgelagerten, Felszacken übertreten kann. Noch ein paar Meter abklettern, und absteigend über Schrofen zum Beginn des eigentlichen Plattenbandes, einer etwas stärker geneigten, etwa 15 - 20 m langen, grauen Felsplatte. Anfangs sind die Griffe und Tritte noch im Überfluss vorhanden, doch je weiter ich mich zur anderen Seite vorarbeite, desto spärlicher werden die Möglichkeiten. Zuletzt stehe ich vor einer ca. 2 m breiten Platte ohne Griffe und Tritte. Wie soll das bitte gehen ? Ich untersuche die Platte genauer, und finde für den linken Fuß eine kleine Delle, die als Reibungstritt herhalten muss. Ich komme zwar mit den Fingerspitzen oder Fußspitzen auf die andere Seite der Platte, aber dann bin ich so dermaßen überstreckt, dass ich nicht kontrolliert loslassen kann, diese einfache Möglichkeit scheidet also aus. Nach einigem Hin und Her finde ich in Plattenmitte noch eine 2 - 3 mm breite Kante für die Finger, was heißt Finger, das ist ein "Fingernagelgriff". Es vergehen fast 5 Minuten bis ich mich mit dem Reibungstritt und dem "Fingernagelgriff" anfreunden kann, es bleibt mir ja auch nichts anderes übrig. Mit links auf dem Reibungstritt antreten, die linke Hand  kann ich nur zur Stabilisierung an die Wand anlehnen, nun mit der rechten Hand schnell, aber nicht hektisch, den guten Griff loslassen, und das Fingernagelvehikel greifen. Nun mit der linken Hand zur Kante greifen, Trittwechsel, und mit dem linken Fuß auf den guten Tritt hinübertreten. Das Ganze dauert nur wenige Sekunden, aber die Anspannung ist gewaltig. Als ich drüben bin, durchströmt mich ein Gefühl des Triumphes. Danach nochmal gut 20 m im IIer und IIIer Gelände abklettern, dann stehe ich, ca. um 13:15 Uhr, am Wandfuß.

Jetzt suche ich mir ein warmes Plätzchen für meine Siesta, bestaune die Bergdohlen bei ihren witzigen Flugkunststücken, und kann sogar einer Seilschaft an der Schüsselkar beim Klettern zusehen.

Um 14:00 Uhr breche ich wieder auf, es geht hinüber zum großen Geröllfeld unter dem Oberreintalschrofen. Ca. 80 % des gesamten Hangs kann man auf dem losen Geröll abfahren, sowas lobe ich mir. Die Wettersteinhütte hat sogar noch auf, aber ich habe leider kein Geld mitgenommen, da ich damit nicht mehr gerechnet habe.

Übersicht über die Aufteilung der Schwierigkeiten ( so ungefähr ):

Wandfuß - Obrreintalscharte T5, II
Westgrat Oberreintalschrofen T6, III
Ostgrat Oberreintalschrofen T5, II
Westgrat Scharnitzspitze T4, III
Ostgrat Scharnitzspitze T4, III-
Plattenband T4, IV

Schee wars.

Gruss Albert

Tourengänger: algi


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Kommentare (4)


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ADI hat gesagt:
Gesendet am 24. November 2011 um 08:45
grandiose Tour für Könner!
Gratulation!

VLG, ADI

kardirk hat gesagt:
Gesendet am 24. November 2011 um 16:05
Hallo Algi,

wieder eine echt coole Tour von Dir. Den O-Grat des Oberreintalschrofens hab ich für nächstes Jaht im Visier um dann eine Überschreitung zu machen, muß allerdings sehen, ob ich den Aufstieg auf die westl. Wangscharte packen kann, denn ein IIIer ist doch meine absolute Obergrenze.
Gabs mein Gipfelbuchglas noch?

VG
Dirk

algi hat gesagt: RE:
Gesendet am 24. November 2011 um 19:23
böser Schreibfehler.

Hallo Dirk,

aber an das Gipfelbuchglas habe ich leider nicht mehr gedacht :-(((

Anton hat gesagt: ins Reich der Kletterer
Gesendet am 26. November 2011 um 22:38
Hallo Albert,
wie immer super Tour, die Wettersteinhütte ist off. vom 2.11.-27.12.11 geschlossen. Aber die Beate hat Herz, Sie hat mir am 15.11. auch zu einem Bier und einer netten Unterhaltung verholfen, was nicht alltäglich ist in unserer Zeit. Habe Bilder zur Arnspitze hochgeladen.
Gruß Anton


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