Galenstock Nordgrat: Versuch-Irrtum-Abbruch


Publiziert von morphine , 20. November 2011 um 22:32.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum: 1 November 2011
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-UR 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1200 m
Kartennummer:1231 Urseren 1:25000

Auf dem Galenstock...

...hab ich bereits vor elf Jahren gestanden. Damals wählte ich die Route über den Rhonegletscher. Leider fehlte der Fotoapparat in meinem Urlaubsgepäck. So habe ich von dieser schönen Tour an einem sonnigen Septembertag keine Bilder machen können. Vermutlich auch deshalb wollte ich 2006 nochmal auf den Gipfel. Allerdings über die Nordgratroute. Dabei wurde ich jedoch durch den tückisch eingeschneiten Bergschrund  unterhalb der Felsen, die den Zustieg zum Nordgrat vermitteln, gestoppt. So plante ich seit ein paar Jahren das Ganze nochmal zu wiederholen und hoffte dabei, bessere Bedingung anzutreffen. Dieses Jahr war es soweit, und ich wollte meinen Plan in die Tat umsetzen.


Start in Tiefenbach

Von der Furkapassstraße bis unter den Hüttenfelsen der Albert-Heim-Hütte lag gar kein oder recht wenig Schnee. Ich stieg nicht bis zur Hütte auf, sondern folgte Markierungen und Spuren in westlicher Richtung zum Beginn des Tiefengletschers.

Hier montierte ich die Steigeisen und stapfte auf der flachen Gletscherzunge bis zum ersten Steilaufschwung. Ich folgte vorhandenen Spuren, die im rechten Teil (im Aufstiegssinn) des Steilstücks hinaufführten. 

Ungefähr in der Mitte querte ich oberhalb von Spalten schräg links hinüber. Über teilweise blanke Stellen erreichte ich so eine Geröllmoräne, die ich zunächst weiter leicht bergauf verfolgte und so links eine weitere Spaltenzone umging.

Schon bald verließ ich die Geröllzone wieder und stieg über den flachen Gletscherboden flankiert von mehr oder weniger großen Felsbrocken immer weiter in Richtung Tiefenstock.

Dort, wo die ausgeaperten Felsen westlich von mir endeten, vollzog ich eine Kehrtwende nach links und stieg so auf den immer steiler werdenden oberen Gletscherflügel weiter in Richtung Galenstock hoch.

Der Gletscherhang wurde weiter oben unangenehm steil und war teilweise blank. An der Nahtstelle zwischen Blankeis und durchgehender Schneebedeckung stieß ich beim Sondieren auf eine schmale aber tiefe Längsspalte. Ich überschritt diese und sondierte im glücklicherweise nicht sehr tiefen Schnee weiter. Auf dem jetzt wieder etwas flacheren Gletscherhang stieß ich dabei aber nur noch auf hartes Eis. So erreichte ich den oberen Gletscherrand unter den Einstiegsfelsen zum Nordgrat.

Die Situation hatte sich seit 2006 stark verändert. Der Schrund schien an dieser Stelle verschwunden. Stattdessen war der Gletscher deutlich abgesackt und es zeigte sich eine ansehnliche windkesselartig geschwungene Firnmulde unter den Felsen.


Das Scheitern

Ich schaute mir die Felsen genauer an. So steil und leider völlig ohne Firnbedeckung hatte ich sie nicht in Erinnerung.  Von oben hing ein dünnes wenig vertrauenerweckendes Seil herunter.

Dennoch voller Vorfreude auf die nun anstehende Kraxelei, packte ich die Steigeisen weg und verstaute meinen Pickel. Doch bereits nach ein paar Schritten wurde ich rechts von steilen kompakten Felsen gestoppt. Kein Griff, kein Tritt. Zumindest nicht für mich. Links waren die Felsen schon strukturierter aber praktisch senkrecht und alles war außerdem bröckelig und lose. Keine Chance. Von unten sah das viel leichter aus.

Ich querte weiter rechts hinüber. Doch auch hier fand ich keine Griffe und Tritte.

Ich stieg nochmal komplett runter auf den Gletscher und schaute mir die Sache aus der Entfernung an. Meine "Problemzone" bestand aus nur wenigen Metern steilem Fels. Darüber lehnt sich das Gelände auf einem Felsband, welches zum Nordgrat hochzieht, merklich zurück.

Da hat der Berg mich doch tatsächlich fast an der gleichen Stelle abgeschüttelt wie vor sechs Jahren.


Lange Pause

Jetzt hatte ich ja noch reichlich Zeit. Also setzte ich mich auf den Schneefirst des Windkessels und ließ mir meinen Proviant schmecken.

Ein paar Dohlen wollten ihren Teil abhaben, aber ich war noch zu frustriert, um mit ihnen zu teilen. Im Gegenzug ließen sie sich nur widerwillig fotografieren und flogen meist kurz vor dem Auslösen davon. So ärgerten wir uns gegenseitig und die Zeit verging.

Mein Pausenplatz, nah unter dem Galenstockgipfel, lag dann aber recht früh am Tag im Schatten. Hier oben wurde es dann auch noch windig und damit ziemlich ungemütlich. Also machte ich mich wieder auf den Weg zurück. 


Abstieg

Bergab verfolgte ich einfach meine Aufstiegsspur. Im steilen Teil mit den Blankeispassagen war beim Setzen der Steigeisen nochmals volle Konzentration gefordert, bevor es in spitzer Rechtskurve wieder zum flachen Gletscherboden ging.

Immer wieder schaute ich zurück und um mich herum. Viele der eindrücklichen Felsgipfel und Spitzen wurden jetzt von der Nachmittagssonne beleuchtet. Ich selbst lief dem Sonnenschein heute jedoch nur noch hinterher.

Nachdem ich den Gletscher bereits verlassen hatte, sorgte die schöne Abendstimmung doch noch für ein gelungenes Ende der Tour. 


Fazit und Schwierigkeitsbewertung

Irrtümlich hatte ich die Kletterschwierigkeiten zu leicht eingeschätzt. Von meinem letzten Versuch hatte ich steile schneegefüllte Rinnen mit Aufstiegsspuren in Erinnerung, die auf das darüberliegende Felsband zum Nordgrat führten. Die jetzt angetroffene fast senkrechte Felspassage war jedoch für mich klar zu schwierig. Hier half nur der geordnete Rückzug.

Da ich die Tour nicht zu Ende gehen konnte, hab´ ich die Hochtourenschwierigkeiten wie diverse Vorgänger und aufgrund der recht steilen Blankeispassage im Anstieg auf dem oberen Gletscherflügel (Hangquerung) mit WS+ bewertet. Bei den Kletterschwierigkeiten habe ich wegen dem Abbruch allerdings keinerlei praktische Erfahrung sammeln können und diese deshalb offen gelassen.

Im Nachhinein, beim Betrachten meiner Bilder, war´s für mich trotzdem sehr eindrucksvoll. Schließlich befand ich mich bei Abbruch der Tour auf über 3300 m und hatte von dort oben einen entsprechend umfassenden wenn auch nur "halben" Panoramablick von den Glarner Alpen bis zu den Tessiner Bergen mit dem Basòdino.

Tourengänger: morphine
Communities: Alleingänge/Solo


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