Von Stein über Gulmen (1789 m) und Mattstock (1936 m) nach Amden


Publiziert von Fico , 24. Oktober 2011 um 00:40.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:22 Oktober 2011
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG   Speer-Mattstock   Zürcher Hausberge 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1450 m
Strecke:Stein-Vorder Höhi-Gulmen-Hinter Höhi-Mattstock-Amden
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Stein
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Amden
Kartennummer:1134 (Walensee)

Genau weiss ich es nicht mehr. Es war schätzungsweise vor 30 Jahren, als ich zum ersten Mal auf dem Mattstock stand. Später, nach jahrelangen alpinistischen Auszeiten, benützte ich ihn als Trainingsberg, bevor ich es wagte, wieder auf den Säntis zu steigen. Dabei liess ich mich jeweils von Amden mit dem Sessellift bis auf knapp 1300 m hinauftragen und nahm nur noch die restlichen gut 600 Höhenmeter unter die Füsse. Dies heute zu wiederholen schien mir wenig attraktiv, so dass ich mir eine anstrengendere, aber lohnende Tour aussuchte. Und für den Fall, dass doch mehr Schnee als erwartet liegen sollte, könnten die Gipfelziele (oder eines davon) einfach weggelassen werden, ohne den Rückzug antreten zu müssen.

Als der Zug um halb acht in Wattwil (613 m ü.M.) anhält, ist es noch finster. Zu sehen ist nur dicker Nebel und Frost am Boden und an den Bäumen. Schwer vorstellbar, dass daraus ein Wandertag mit Traumwetter würde. Eine halbe Stunde später in Stein (838 m ü.M.) ist es nicht nur hell geworden, auch der Nebel liegt weiter unten. Aber es ist bitterkalt, der Boden unter meinen Schuhen knirscht, eine Viehtränke ist von einer dicken Eisschicht bedeckt. Um mich warmzuhalten, beschleunige ich meinen Schritt. Bereits kurze Zeit später im Wald, wo die Abstrahlung weniger stark ist, hat es keinen Bodenfrost mehr und es ist spürbar wärmer. Der gelb markierte Wanderweg führt dem wilden Dürrenbach entlang, der mit zahlreichen, imposanten Verbauungen gezähmt ist. Obwohl nur wenig Schnee da ist, sieht es aus wie im Winter. Nach dem Badhus (P. 1194 LK) weitet sich der Blick. In der Morgensonne, vor einem wolkenlosen Himmel, der Alpstein. Auf der Vorder Höhi (1537 m) mache ich Halt und geniesse die wärmenden Sonnenstrahlen. 

Der Weiterweg auf den flachen Gulmengipfel scheint problemlos. Gleich zu Beginn verlasse ich den Bergweg und steige zu Trainingszwecken weglos - und vom Ziel her gesehen sinnlos - dem Ostgrat entlang über Graspolster und Schrofen hinauf. Wirklich lohnend ist dieser Ausflug nicht, häufig muss ich zum Vorwärtskommen die Hände zu Hilfe nehmen. So bin ich ganz froh, als ich etwa 50 Höhenmeter weiter oben bereits wieder die erste weiss-rot-weisse Markierung sehe. Der Bergweg verläuft nun ebenfalls parallel zum Ostgrat und führt am Schluss über eine nur mässig steile, südostwärts gerichtete Flanke zum höchsten Punkt des Gulmen (1789 m). Dort begegne ich einer Familie, die mich nach dem Weg fragt. Auf ihrer alten Wanderkarte ist - rot gestrichelt - eine Route  eingezeichnet, die direkt zur Alp Furgglen (1495 m) hinabführt. So jedenfalls glaube ich es gesehen zu haben. Der kurze Blick auf diese Karte hat genügt, um meine Abenteuerlust zu wecken und mich in Versuchung zu führen. Während die Familie vernünftigerweise zum Vorgipfel mit dem Kreuz zurückkehrt und den normalen Bergweg benützt, mache ich mich auf die Suche nach dem alten Weg. Eine eindeutige Spur unter den zahlreichen, vom Vieh zurückgelassenen Trampelpfaden ist nicht auszumachen. Mühsam taste ich mich den gefrorenen Graspolstern entlang voran. Wo nachher der Weg durch die zu vermutenden Felsen bei den Bäumen weiter unten führen könnte, ist mir völlig schleierhaft. So setzt sich auch bei mir die Vernunft durch: Statt hinab steige ich aufwärts und komme zwischen der Hütte und dem Kreuz wieder oben an. Inzwischen ist Mittagszeit, die Bank unter dem Kreuz lädt zum Verweilen ein. Also nütze ich die Gelegenheit, um mich zu stärken und um die Aussicht zu geniessen.

Der Abstieg auf dem markierten Weg zur Alp Hüttlisboden (1510 m) ist steil, aber problemlos. Der anschliessende "Amdener Höhenweg" über Furgglen (1495 m), Letzbüel (1406 m) zur Hinter Höhi (1416 m) ist breit angelegt und an einem solchen Samstag gut frequentiert, zumal er mehr oder weniger auf gleicher Höhe verläuft und eine gute Sicht auf den Walensee und die Alpen bietet. Kurz vor der Alpwirtschaft Furgglen werfe ich einen prüfenden Blick zu den Felsen auf der Westseite des Gulmen und bilde mir ein, dort oben eine weiss-rot-weisse Markierung erspäht zu haben. Vielleicht werde ich irgendwann die Tour in umgekehrter Richtung wiederholen und mich dann nochmals auf die Suche nach dem verschwundenen Bergweg machen.

Bei der ersten Kurve nach Gäudig (1376 m) bin ich des Verlustes an Höhenmetern und des ständigen "Grüezi", "Grüezi mitenand" überdrüssig und - die Katze lässt das Mausen nicht - verlasse den Amdener Höhenweg, um erneut weglos Richtung Mattstock zu steigen. Der ideale Ort für dieses Vorhaben ist es wohl nicht, vermutlich wäre es geschickter gewesen, gleich bei der Hinter Höhi den Wanderweg zu verlassen. Denn bald muss ich eine rutschige Runse durchqueren, gewinne dann aber rasch an Höhe und blicke beim Skilift auf die Hütten der Walau (1421 m) hinunter - dorthin hätte meine Abkürzung mich eigentlich führen sollen. Die gewonnenen Höhenmeter will nicht mehr preisgeben und steige darum direkt zum P. 1526 LK auf. Hier herrscht einsame Natur, selbst die Kühe, die im Sommer hier friedlich grasen, sind längst im Tal. Meine Absicht ist es noch immer, auf möglichst gleicher Höhe den markierten Bergweg zu erreichen. Über verschiedene sanfte Senken komme ich diesem Ziel näher und kann ihn nun gut erkennen. Ich sehe aber auch die Völkerwanderung, die vom Gipfel herunterkommt und verspüre nicht die geringste Lust, allzu rasch dort anzukommen. So suche ich weiter meinen eigenen Weg, der allerdings zunehmend steiler wird, so dass ich erneut die Hände zu Hilfe nehmen muss. Den Bergweg erreiche ich auf etwa 1620 m Höhe, ein Stück vor den ersten Lawinenverbauungen entfernt.

Nun trennen mich noch rund 300 Meter vom Gipfel. Der breite Bergweg ist fast überall schneefrei, aber streckenweise derart aufgeweicht und matschig, dass er eher an einen Wildschweinpfad erinnert. Die letzten hundert Meter packe ich im Zeitlupentempo an und schaue dauernd auf den Höhenmesser. Es ist, als würde ich jeden der heute zurückgelegten Höhenmetern einzeln spüren... Das letzte Wegstück auf dem Gipfelgrat ist mit Drahtseilen gesichert, wobei ich mich lieber an den Felsen festhalte als am wackligen Seil. Als ich endlich beim Gipfelkreuz des Mattstock (1936 m) ankomme, ist niemand mehr dort. Einzig ein Stück weiter vorn sitzt ein Paar, das sich alsbald auf den Abstieg macht. Im Gipfelbuch zähle ich elf Einträge allein von heute, und da sich vermutlich nie alle eintragen, lässt sich ungefähr abschätzen, wieviele Leute an diesem schönen Herbsttag hier vorbeigekommen sind. Bevor ich mich auf den Abstieg mache, schaue ich auf die Uhr und stelle fest, dass soeben der letzte Sessellift nach Amden, auf den ich insgeheim gehofft hatte, abgefahren ist. Somit erwarten mich gut tausend Höhenmeter Abstieg bis nach Amden. Bei den rutschigen Verhältnissen ist auf dem ersten Wegstück bis zu den Lawinenverbauungen gute Trittsicherheit erforderlich. Insgesamt gehen die Schwierigkeiten auf der ganzen Tour nicht über T2 hinaus, vielleicht abgesehen von den Gipfelfelsen  - und meinen eigenwilligen Ausflügen ins Weglose, die natürlich nicht unbedingt notwendig gewesen wären.

Tourengänger: Fico
Communities: Alleingänge/Solo


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