Chli Glatten - Yog Sothoth (6c/+)


Publiziert von mde , 9. September 2010 um 11:25.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum: 5 September 2010
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Klettern Schwierigkeit: 6c+ (Französische Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-UR   Ortstockgruppe 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 500 m

Schnell erreichbar, aber immer wieder gut – das ist eindeutig die richtige Bezeichnung für die Klettertouren am Chli Glatten. Nach einer einigermassen kurzen Anfahrt geniesst man nach nicht einmal einer halben Stunde Zustieg steilen, griffig-rauen Kalk in der rund 200m hohen Wandflucht über dem Hotel Klausenpass. Für heute sollte es die wenig bekannte „Yog Sothoth“ (Topo) am Südpfeiler sein – eine exzellente Wahl, wie es sich herauskristallisierte.
Zur Tatsache, dass diese Route nur selten begangen wird, tragen wohl in erster Linie die falschen Angaben in den Kletterführern bei: im Kletterführer Schächental (Ausgabe 2006) wird die Absicherung mit Stufe 2 (von 4) bewertet, im Schweiz Extrem (Ausgabe 1994) wird sogar nur Stufe 2 (von 5) vergeben. Die Message ist klar: Achtung, weite Hakenabstände warten, doch bei den angegebenen Schwierigkeiten (maximal 6b+) und griffigem Gestein war ich gewillt, diese Herausforderung anzunehmen.
Die Route entpuppte sich dann aber als brav und bestens abgesichert. Fürchten muss man sich hier sicher nirgends. Die Schlüsselstellen sind allesamt sehr gut mit Bohrhaken in kurzen Abständen abgesichert, es trifft Stufe 4 (von 5) zu. Nur gerade im griffigen und gut kontrollierbaren 6a-Gelände muss teilweise etwas über die Haken gestiegen werden, aber auch da: alles im grünen Bereich.
Etwas nach 10.30 Uhr sind wir an der Klausenstrasse (unterhalb Bödmer, P.1923) startbereit. So gut sieht’s am Glatten gar nicht aus, viele Routen sind nass, nur gerade die Routen am Gelben, dem Flachen und dem Südpfeiler sind trocken, aber das reicht ja für unseren Plan. Gegen 11.00 Uhr sind wir am Wandfuss, auf der bequemen Terrasse lässt es sich gut verweilen und die tolle Aussicht geniessen, so dass ich erst um 11.25 Uhr starte.
1. SL, 50m, 6b+: Mit einem ziemlichen Kaltstart an steilem Gemäuer geht’s bei sehr guter Absicherung und sehr schöner Kletterei gleich los. „Le prese ci sono“, ja, aber es sind kleine Tropflochleisten und es muss vom ersten Meter weg ordentlich geriegelt werden, was doch „voll Hebel“ auf die Finger geht. Bald wird es aber einfacher, es folgt noch eine knifflige Passage in einer Verschneidung, bevor im zweiten Teil der Seillänge gemütliche 6a-Kletterei folgt.
2. SL, 20m, 6c/+: Hoppala, vom Stand weg herrscht doch gleich akute Griffarmut. Der Fels ist hier arg kletterfeindlich abwärts geschichtet, an kleinen Seitenkäntchen, Untergriffen und schlechten Tritten arbeitet man sich knapp am Abschmieren höher. Ich komme nur ziemlich knapp durch und erlaube mir deshalb, die Topo-Bewertung von 6b+ anzuzweifeln: 6c dürfte hier wohl besser passen, evtl. sogar 6c+ - dass Kathrin die Stelle im Nachstieg trotz mehrerer Versuche nicht mal frei klettern kann, liefert weitere Evidenz in diese Richtung. Ist der 3. BH mal geklippt, geht’s dann besser, aber immer noch steil und anhaltend, zum nicht weit entfernten Stand.
3. SL, 25m, 6a: Die Kletterei hier ist schön und einfacher, wenn auch nicht völlig trivial. Dafür braucht man ein bisschen das Auge, um hier nicht von der Route abzuweichen, kreuzt man in dieser Seillänge sowohl die „Herbstwind“ als auch „Chrüz + Quer“. Im Zweifel immer eher links halten und nicht den Petzl-Plättli folgen.
4. SL, 35m, 6a+: Der (vermeintlich) erste BH steckt weit über dem Stand (ca. 10m), doch es sind die Topos, welche einem hier auf eine falsche Fährte bringen können. Entgegen den Skizzen verläuft „Yog Sothoth“ auf den ersten Metern dieser SL nicht eigenständig, sondern folgt dem wenige Meter links gelegenen „Südpfeiler“, von welchem je ein BH und ein NH mitbenützt werden. Bei der Aufschrift „Y.-S.“ dann auf eigenständiger Linie nach rechts hinaus zum BH. Danach folgt schöne, steile und homogene Kletterei in griffig-rauem Fels mit einer kurzen, etwas kniffligeren Crux.
5. SL, 30m, 6a+: Ein sehr schöner Beginn im gleichen Stil wie die vorangehende SL führt zu einem Stand des Südpfeilers. Dieser wird überklettert, wobei die ansetzende Verschneidung nach links verlassen wird. Zum Schluss steil und athletisch hinauf zum Stand, welcher von einer Seilschaft aus der unmittelbar daneben verlaufenden „Le Coeur de la Mer“ bereits besetzt war.
6. SL, 30m, 6a: Nach kurzer Diskussion und wenigen Manövern war die kleine Massierung mit der 3er-Seilschaft behoben und der Weg in die letzte Seillänge frei. Zuerst muss an kleinen Leisten nochmals zugepackt werden, dann folgt eine kurze Reibungsstelle, bevor man auf einen Muniring des Südpfeilers trifft, über dessen 2 letzte BH man den Ausstieg (mit Gamellen-Wandbuch) erreicht.
Den Ausstieg erreichen wir nach gut 4 Stunden Kletterei um ca. 15.30 Uhr. Es ginge sicher schneller, doch heute haben wir uns Zeit genommen – für mich gab es eine Onsight-Begehung, bei Kathrin fehlte nur die Stelle zu Beginn der 2. SL. Das Abseilen ist dann im Eiltempo erledigt. Vom Ausstieg geht’s 50m retour an den 4. Stand von „Yog Sothoth“, dann 50m runter an einen Stand des Südpfeilers, von welchem man in weiteren 50m etwas diagonal nach Westen haltend schon den Boden beim Einstieg von „Le Coeur de la Mer“ erreicht.
Facts zur Tour: die Tour ist durchgehend gut, an den Schlüsselstellen sogar sehr gut abgesichert, mit 12 Expressschlingen kommt man gut durch. Zusätzliches Sicherungsmaterial ist nicht notwendig und auch kaum einzusetzen. Wenn, dann wären am ehesten noch Klemmkeile oder ein Satz Camalots (0.3-0.75) brauchbar. Die Vorstiegscrux befindet sich wohl zu Beginn der 2. SL und dürfte obligatorisch etwa 6a+/6b verlangen.
Hitliste der Touren am Chli Glatten:
Nachfolgend die nach steigendem Anspruch geordnete Hitliste mit einer Kurzbeschreibung der insgesamt 10 Touren (Stand September 2010), welche ich am Chli Glatten bisher komplett begehen konnte:
1) Südpfeiler (6b, 6a obl., **, xxx, 5.7.1998)

Der Klassiker am Chli Glatten wurde bereits 1975 erstbegangen. Nichtsdestotrotz folgt er einer modernen Linie und bietet viel der typischen Leistenkletterei. Die ersten zwei Seillängen sind aber eher durchschnittlich, die Crux ist die Verschneidung in der 6.SL. Die Absicherung mit Sondi-Ringhaken ist gut, aber schon etwas in die Jahre gekommen.

2) Vesper (6a+, 6a+ obl., **, xxx, 13.7.1997)

Nach einem etwas alpinen Beginn in noch nicht traumhaftem Fels folgt im Mittelteil eine geniale, ausgesetzte Leisten-Rupfparade bei guter, aber nicht allzu enger Absicherung mit Bohrhaken. Der Schluss der Route ist dann nochmals ziemlich alpin, mit stellenweise etwas unsicherem Fels und nicht immer perfekter Absicherung.

3) Le Coeur de la Mer (6c, 6a+ obl., ***, xxxx, 16.6.2007)

Nacherschlossene Tour im linken Teil des Südpfeilers. Während die 1. SL nahe einer (oder in der, so klar ist das nicht) Rinne verläuft, folgt die Route danach einer direkten und logischen Linie mit sehr schöner, homogener Leistenkletterei, die mit einer kurzen, kleingriffigen Cruxpassage in der 4. SL gewürzt ist. Absicherung und Fels sind prima.

4) Stärntaler (6c, 6a+ obl., **, xxx, ca. 2002)

Gute, weitestgehend gutmütige und auch gut abgesicherte Kletterei neben dem Gelben Pfeiler, vielfach athletisch an kleinen Leisten. Die 4. SL fällt jedoch etwas aus dem Rahmen, muss dort doch ziemlich fordernd im plattigen Fels recht weit über die Haken gestiegen werden, was vom Vorsteiger durchaus etwas Engagement verlangt.

5) Schafspelz (6b+, 6a+ obl., ***, xxxx, 2007)

Einer der neusten Kreationen aus dem Jahr 2007, im rechten Bereich des Flachen Pfeilers gelegen. Hier konnten wir sogar, nachdem die Erstbegeher dies unterliessen, vermutlich die erste Rotpunkt-/ bzw. Onsightbegehung verbuchen (siehe Wandbuch). Originelle Linienführung, guter Fels, interessante Kletterei und prima Absicherung.

6) Trabant (6c, 6b obl., ***, xxx, 2008)

Von ähnlichem Charakter wie der benachbarte „Stärntaler“, jedoch etwas anspruchsvoller. Die Kletterei ist gut und abwechslungsreich, die Felsqualität überzeugt auch. Jedoch warten auch hier zum Ende der 3. und zu Beginn der 4. SL nicht zu unterschätzende Runouts im plattigen Gelände, die vom Vorsteiger etwas kühles Blut verlangen.

7) Yog Sothoth (6c/+, 6b obl., ***, xxxx, 5.9.2010)

Etwas gesuchte Linie, die rechts am Südpfeiler startet und dann nach links querend, 4 andere Routen tangiert. Felsqualität und Kletterei sind aber weitestgehend erstklassig und lassen über diese Tatsache hinwegsehen. Die Absicherung ist entgegen den Angaben in den Kletterführern durchgehend gut, in den Schlüsselseillängen sogar sehr gut.

5) Herbstwind (6c+, 6b obl., ****, xxxx, 1.8.1999)

Mit Sicherheit eine der besten Routen am Chli Glatten, im rechten Bereich des Südpfeilers. Nach einem steilen, pumpigen Kaltstart mit der Cruxlänge folgt sehr homogene und anhaltende Leistenkletterei im 6b-Bereich. Die Absicherung ist als sehr gut zu bewerten, auch wenn trotz vieler BH noch der eine oder andere Move dazwischen zwingend ist.

9) Halloween (6c+, 6b obl., **, xxx, 2008)

Rechts in der Plattenwand gelegen, wird diese Route lange vom Wasser überronnen, was den an sich guten Fels mit einer Staubschicht überzogen hat. Die Absicherung ist grundsätzlich ok, an entscheidender Stelle in der Cruxlänge, wo auch der Fels nicht zu 100% solid ist, jedoch etwas spärlich geraten. Fazit: weniger attraktiv als andere Routen hier.

10) Poker (7a+, 6b obl., ****, xxx, 28.6.2009)
Steile und ausgesetzte Linie direkt am Gelben Pfeiler, die meist griffige Kletterei in scharfem Fels hoher Güte bietet, einzig die knifflige Cruxlänge bietet eher Auflegerprobleme. Die Absicherung in den schwierigsten SL ist sehr gut. Im 6a+-Gelände und darunter sind die BH-Abstände aber zum Teil eher weit, und Klemmgeräte müssen platziert werden.

Tourengänger: mde


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