Alter Alpweg nach Sciresa – Trüsp im Val d’Ambra / Jägerpfad ins Val Marcri


Publiziert von Seeger , 22. Juni 2010 um 20:49.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:21 Juni 2010
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Gruppo Madöm Gross   CH-TI   Gruppo Poncione Rosso 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1650 m
Abstieg: 1650 m
Strecke:13 km: Bacino Val d’Ambra – Monti delle Femine – Scireso di Sotto – Sciresa di Sopra – Rifugio Trüsp – Forcarella – Stabbio di Mezzo (Val Marcri) – Alpe di Marcri (Canva) – Cavlüm – Bacino Val d’Ambra
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto: Bellinzona – Biasca – Bodio – Personico – 2m nach der Ortstafel „Personico“ 5 km rechts hoch Richtung Ausgleichsbecken (Bacino) Val d’Ambra – auf der Höhe kurze Stichstrasse zum Helilandeplatz auf 650m (Genügend Parkplätze)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Rifugio Trüsp und Alpe di Marcri sind Selbstversorgerhütten des Patriziato di Personico, keine Getränke, Notproviant(-Trunk), Geschirr vorhanden, Holzheizung mit Kamin und Holzherd (Holz vorhanden), Matratzenlager mit Wolldecken, Übernachtungstaxen mit EZ zu bezahlen. Dank geschlossenem Unterdach gut heizbar.
Kartennummer:Swissmap 1:25'000

Die Leventina (zwischen Airolo und Biasca) wird von mächtigen Erhebungen gesäumt. Wer auf der A2 Richtung Tessin fährt, achtet rechter Hand die wilden Hängetäler kaum. Für die Älpler war es hartes und entbehrliches Leben. Für die Jäger ist es ein Eldorado. Dank ihnen ziehen sich vertikal und horizontal Wege und Pfade in genialer Routenwahl und mit vielen Treppenanlagen durch und über hohe Felswände hindurch. An den unglaublichsten Orten wurde jede noch so kleine Grasmatte genutzt – heute weitgehend vergandet oder mit undurchdringlichem Gestrüpp überwuchert.
Einer dieser Alpwege führt aus dem Val d’Ambra an der orografisch linken Flanke 1100 Meter hinauf. Der Weg von Monti delle Femine über Alpe Sciresa nach der Alpe Trüsp. Ja sogar noch weiter hinauf bis nach Stabiello und Pian Forno. Wenig begangen. Ungerechterweise. Denn wie im bekannteren Val Bavona wurden hier schier unmenschliche Anstrengungen unternommen, das steile Gelände zu überlisten.
Und wo die Alpen aufhören, beginnen die Jägerwege. Teils sehr schwer aufzufinden. Dank bereitwilliger Auskunft von verdutzten Jägern konnte ich ein ganzes Jägerpfad-Netz ausfindig machen. Was suchst Du da oben? Dort sind ja nur die Gemsen, meinten sie. Alle heutigen Wege bin ich schon mindestens einmal abgelaufen. Heimvorteil. Sonst wär‘s ein sicherer T5!
03 30 Uhr. Ist es Lampenfieber? Ich kann einfach nicht mehr schlafen. Kochen des Menü 1 für die Tour, ausreichend Tee, Kartenmaterial (immer dabei). Morgenessen. Nochmals die Tour rekapitulieren. Zwei Varianten: die zu 7 Stunden und die von 10 Stunden. Je nachdem ich drauf bin. Und los geht’s. Um 05 00 Uhr bin ich schon am Ausgangspunkt auf dem Parkplatz beim Bacino Val d’Ambra oberhalb Personico.
Der Tag erwacht. Klarer Himmel. Was für ein Geschenk nach diesen lausigen Regentagen. Der Uhu uhuht, die Amsel singt. Christian Morgenstern kommt mir in den Sinn: „Im Walde kängt ein Guruh – ich glaub es ist ein Känguruhu“. Zügig auf dem breiten Wanderweg nach Monti delle Femine. Dort nach der Doppelkurve und dem Bach muss er abzweigen: der Weg nach Sciresa. Erster Anlauf und ich lande im „Schilf“. Zweiter Anlauf: da war er doch, das Luder?! Dritter Anlauf und ich sehe Schnittspuren und eine markante (junge) Birke. Kein Weg. Doch nach etwa 30m beginnt erst zögerlich, dann ausgeprägt ein unscheinbares Weglein, welches sich etwa 20m über dem Wanderweg durch den Wald schlängelt. Weiter vorne erreicht er eine markante Kuppe (auf der LK gut sichtbar). Auf dieser in Kehren hinauf zu einer Alpruine. Woll, woll, diese Alp muss aber gross gewesen sein. Heute zerfallen und die Weiden dicht bewaldet. In diesem Wald hinauf bis zur Felswand, wo ich ohne Probleme nach dem Fluss den Einstieg finde. Der Weg – auf der LK durchgehend eingetragen – überwindet meisterlich angelegt die 300 hohen, fast senkrechten Felswände. Auf einer Anhöhe en miniature liegt Sciresa di Sotto auf 1293m. Die Hütten sind recht gut erhalten und ein Umschwung wird regelmässig gemäht. Spitzampfern verraten die ehemalige Sömmerung von Rindvieh. Diese müssen ja alpinistische Kenntnisse gehabt haben! Plötzlich kein Weg mehr. Er erscheint erst wieder einige Meter nach der obersten Hütte Richtung Süden. Da hab ich ihn wieder. Nun weiter auf ausgeprägtem Weg zu der Alp des Sciresa di Sopra hinauf an einen schwer zu findenden Rechtsrank südlich Punkt 1460. Ich erinnere mich, einmal im Abstieg hier eine halbe Stunde nach dem Weg gesucht zu haben. Der Richtungswechsel ist auf der LK wohl klar. Aber im Gelände ist man versucht, zu viel nach SW abzudriften. Wegen den jungen Birken, welche die Sicht auf den Weg verdecken.
Sciresa di Sopra ist ein Flecken Paradies. Regelmässig gemäht. Die Hütten, die oberste zerfallende ausgenommen, werden gut unterhalten. Der Wiesenweg führt zu einem kleinen Steinbau auf einem Sporn. Lagerraum mit Balkon und Steinbank! Herrliche Aussicht in die beiden Täler Valle di Bri und Valle di Rierna und den Grat am Horizont, über welche die Via Alta Verzasca führt. Dann, die zwei nächsten Häuser links lassend, direkt auf das oberste, zerfallende Haus hinauf. Hier beginnt eine heikel zu findende Stelle. Der Ruine links hinan zu einer alten Tanne an der Felswand. Um diese herum beginnt der Weg nach Trüsp. Nach 5 hm nach rechts in den Wald. Gut unterhalten. Die zwei Runsen, welche vom Pizzo Pian Forno herabfallen, sind recht heikel zu traversieren. Nach der zweiten muss der Weg im Wald manchmal gesucht werden. Ist aber weiter nicht schlimm. Der Wald ist relativ gelichtet und die allgemeine Richtung nach Trüsp klar zu erkennen. Ich trete aus dem Wald auf eine Wiese und sehe 70m über mir die beiden Hütten von Trüsp. Aber 70m können noch nahrhaft sein, wenn ein Umweg rechts herum mitgezählt wird.
Das Rifugio Trüsp gehört dem Patriziato von Personico. In einen alten Stall wurde ein zweites Haus hinein gebaut. Dadurch gut zu heizen. Im September ausschliesslich den Jägern reserviert! Besteck und Geschirr befinden sich im Gang. Auch Notreserve. Ich frage mich, ob eine „abgelaufene“ Torte auch dazu gehört. Das ist doch die zum Hüten, dass sie nicht selbständig davon läuft…wie lange noch? Auf dem Gasrechaud braue ich mir einen Kaffee und esse das erste Sandwich. Fünf Stunden Aufstieg gibt Hunger.
10 00 Uhr. Variante zu 10 Stunden auf sicher. Das heisst über die Forcarella ins Val Marcri.Ab Trüsp führt ein gut unterhaltener Weg nach Norden in den Wald hinein. Nach etwa 400 m erscheint ein sonniges Wiesen-Podest. Geradeaus führt der Weg direkt hinunter über Tei nach Cavalüm. Der Weg zur Forcarella zweigt hier irgendwo links ab. Und schon wieder bin ich auf der Wegsuche. Knifflig. Die ersten Felsbrocken werden links umgangen, was auch bei den weiteren Hindernissen praktiziert wird. Interessant, dass dieser Weg von oben leichter zu finden ist als von unten. Ich bin recht am Üben.
Und schliesslich lande ich auf dem kleinen Sattel der Forcarella unterhalb Pt. 1977. Hallo Val Marcri – mon amour! ABER ACHTUNG: DER WEG GEHT 20 HÖHEN-METER LINKS OBEN WEITER. AUF KEINEN FALL VERSUCHEN, VOM SATTEL NACH UNTEN DIE FELSWAND ZU UMGEHEN. Ich kraxle hinauf und finde einen super angelegten Weg, der sich im Wald raffiniert zwischen zwei Felsbänder etwa einen Kilometer hinzieht, von 1880m auf 1800m langsam fallend. Anschliessend 30 m in die Tiefe. So verlasse ich den Wald und quere eine Gras-Mulde. Immer schön waagrecht weiter erreiche ich eine Geröll-Mulde. In dieser senkrecht hinunter auf den Weg, welcher Stabbio di Mezzo mit Cascina al Lago verbindet. Problemlos hinunter nach Stabbio di Mezzo. Langer Aufenthalt mit Sonne und das zweite Sandwich des Menü 1 geniessen. Als Dessert Ballisto, Sorte Nüsse und Krachnuss-Schokolade mit Apfel. Tiefschlaf!
Ich mag wohl eine halbe Stunde geschlafen haben. Zusammenpacken und weiter nach Alpe di Marcri (Canva) hinunter. Hat ein paar knifflige Passagen. Wieder päusele und Sonne geniessen. Ohne Schlafen. Weiter zum ominösen Punkt 1526m, wo ich mich vor 1 1/2 Jahren in zwei Meter Schnee beinahe verlaufen habe (Bericht „Kennen Sie Val Marcri?“). Die Margarasca (welch klingender Kosenamen) führt Wasser, sehr seltenes Ereignis. Sie wird grösstenteils in elektrische Energie umgewandelt. Ich quere das magere Flüsslein und folge dem sehr guten Weg quasi horizontal etwa einen Kilometer bis zum Richtungswechsel um die Felsnase herum. Abrupt fällt hier der Weg in die Tiefe. Happige Passagen wegen umgefallenen Bäumen und Hangrutschen. Dieser Hang ist immer in Bewegung. Erst nach einem Kilometer kommt wieder „fester Boden“. Wunderschöner Laubwald wird abgelöst von Aufforstungen. Alles picco bello herausgeputzt. Von Tei her mündet der direkte Weg von Trüsp ein, welchen ich weiter oben verlassen habe. Hinunter nach Cavalüm, ein wahrer Balkon über der Leventina. Heuer und Heuerin mühen sich mit ein bisschen Gras ab und leiten deswegen den Weg kurzerhand nach rechts um. In „Quattro Gambe“ weiter unten sind noch über ein kurzes Stück alte Treppenanlagen zu bestaunen. Ganze zwei Meter breit. Dann auf einem guten Weglein in angenehmen Kehren hinunter zum Wanderweg.
Nach 11 Stunden stehe ich wieder bei meinem Auto. Acht Stunden Marschzeit und 3 Stunden Fotografieren und auch ganz einfach Faulenzen. Oder war es nicht eher Geniessen? What a wonderful world.

Tourengänger: Seeger
Communities: Ticino Selvaggio


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Kommentare (1)


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UpTheHill hat gesagt: Che escursione!!
Gesendet am 23. Juni 2010 um 18:16
Ciao Andreas,

bellissima, e la Val d'Ambra è splendida come sempre. Complimenti per il percorso, per niente facile. Attendo il tuo libro dal titolo "I sentieri dimenticati del Ticino montano" :-)


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