Oeschinensee - KIK (7a)


Publiziert von mde , 8. Juni 2010 um 10:09.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Frutigland
Tour Datum: 4 Juni 2010
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Klettern Schwierigkeit: 7a (Französische Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: WS - Gut fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 12:00
Aufstieg: 800 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Kandersteg - Oeschinensee - nordseitiges Seeufer - Einstieg am ostseitigen Seeufer des Oeschinensee

Nach langen Wochen des mit ausgiebigem Sportklettern verbrachten Wartens tut sich endlich ein Fenster auf für eine Mehrseillängentour. Wir wollen an der Sonne klettern und trauen der tiefbasigen Quellbewölkung nicht ganz, weshalb Südwände im Stil der Wendenstöcke ausser Betracht fallen. So entscheiden wir uns für die erst kürzlich eingerichtete KIK (Stofer/von Känel, 2008, 7a, 6c obl.), im neusten Schweiz Extrem mit ****-Sternen hoch dekoriert, welche direkt vom Ufer des Oeschinensee, über die untere Fründenschnur hinweg, zur oberen Fründenschnur hinaufführt.

Anfahrt und Zustieg erfolgt am bequemsten in der Kombination öV/Bike. Von Kandersteg sind an den Oeschinensee sind zwar bloss gut 400 Höhenmeter zu überwinden, doch die gehörig steile Teerstrasse hat es in sich. Wer seine Kräfte sparen will, kann sich und sein Bike (letzteres nur in der ersten Betriebs-Halbstunde) auch mit der Oeschinen-Bahn transportieren lassen.

Am Oeschinensee, wo der Wasserspiegel aktuell 6-8m unter dem Maximum liegt, gibt's dann einen kleinen Verhauer. Im Topo steht, man solle den Einstieg via "Südufer" erreichen (Edit: wurde vom Erstbegeher bereits auf "nördliches Seeufer" korrigiert). Wir interpretieren das klar als das südseitige Ufer. Den ersten Kilometer kann man auf feinem Geröll sogar noch mit dem Bike zurücklegen, doch dann wartet ein Abbruch. Pfadspuren im T4-Stil führen wenig über dem See entlang. Sie verlieren sich, mit genauerer Beobachtung wird uns klar, dass wir den Einstieg so nicht erreichen. Also zurück, 20 Minuten Zeitverlust.

Nun versuchen wir es dem nordseitigen Ufer entlang, wo es dann schliesslich klappt. Versierte Biker können aktuell bis zur NE-Ecke des Sees, d.h. wenige Minuten vor den Einstieg, fahren. Allerdings ist der schwere Rucksack dabei ein bisschen hinderlich. In wenigen Minuten stehen wir dann unter der eindrücklichen Fluh. Hmmm, obwohl wir Rücksprache mit dem Erstbegeher gehalten hatten, welcher die Tour für den heutigen Tag empfohlen hatte, sieht alles noch ein bisschen feucht aus. Immerhin, die Route selbst führt über das trockenste und kompakteste Stück Fels. Nach etwas mentaler und physischer Vorbereitung geht es um 12.00 Uhr, gerade bevor die Sonne kommt, los.

SL 1, 25m, 7a: zuerst folgt ein herber, brüchig-nasser Einstieg, der erste BH steckt in 10m Höhe - prost, bei diesen Bedingungen eine heikle Sache. Doch dann geht es endgültig los, auf den verbleibenden 15m stecken nur noch 3 weitere BH und die Schwierigkeiten sind anhaltend. Die Crux, feingriffig vom Haken weg und später technisches, schleichermässiges Aufstehen, voll obligatorisch.

SL 2, 45m, 6c: einer Rippe entlang geht's etwas einfacher, doch schwieriger als es aussieht. Die Crux beim Verlassen der Rippe nach links, dann über weitere, knifflige Wandstufen hinweg zum Stand. Schon schöne Kletterei, der Fels ist hier aber teilweise etwas belagig und stellenweise war er noch feucht.

SL 3, 40m, 6b+: Querung nach rechts und aufwärts über die steile Wand an Horizontalleisten - für die tiefe Bewertung ziemlich harte Kletterei. Danach in etwas einfacherem Gelände bei weiten Hakenabständen hinauf, zwischendurch mussten auch einige noch feuchte Griffe bedient werden.

SL 4, 30m, 5b: die einzige einfachere Seillänge. Erst über einige nicht über alle Zweifel erhabenen grossen Blöcke hinauf in eine Art Verschneidung. Die war ziemlich belagig, total nass und dementsprechend schlipfrig. Zum Glück stecken hier die Haken trotz der relativ geringen Schwierigkeiten einigermassen nahe.

SL 5, 40m, 6c: schöne Seillänge, mit Crux gleich nach dem 1. BH über dem Bändchen. Obwohl die Bohrhaken hier perfekt platziert sind, ist dennoch ein wachsamer Sicherer gefragt, ansonsten Kratergefahr aufs Band, bevor der 2. BH geklippt ist. Ein Bänderriss oder dergleichen zu Saisonbeginn ist ja nicht wirklich nötig... in der Folge prima Wandkletterei im 6b-Bereich.

SL 6, 35m, 6b: etwas links vom Stand einer Verschneidung entlang aufwärts. Achtung, die Absicherung muss hier zwingend ergänzt werden, ansonsten droht aus 5-10m ein Sturz auf das Band! Mit zwei, drei Keilen (Rocks 5-9) oder kleinen Friends (Camalots 0.3-0.75) lässt sich die Stelle aber gut entschärfen. Dies ist im übrigen die einzige Stelle, wo zusätzliche Sicherungsmittel gebraucht werden (können). Als der Riss ausläuft, sind die kleinen Leisten an der richtigen Stelle, und in einem Rechtsquergang geht's an den Stand.

SL 7, 50m, 6c: Rechtsquerung und weit hinauf zum ersten BH, nach dem nächsten die technische Crux. Dann folgt ein blödsinnig weiter, anhaltender Runout über die folgende Platte hinweg. Tatsächlich muss 4-5m über dem letzten Bolt noch eine zwingende Stelle bewältigt werden, bevor endlich geklippt werden kann - ich schwitze Blut, male mir alle Horrorszenarien des drohenden Sturzes aus, doch am Limit geht's dann, denn zurück geht's eh nicht mehr... puh! Zum Ende über die Fründenschnur hinweg, besser zum oberen Stand.

SL 8, 35m, 6c+: sehr schöne Seillänge in griffig-steilem Fels, die gegen oben hin immer schwieriger wird. Kletterei und Absicherung sind hier deutlich besser als zuvor, so macht's richtig Spass! Bei der Crux am Ende ist die Lösung eher auf der linken Seite zu suchen...

SL 9, 50m, 6b+: nach rechts und hinauf: unten die Übersicht bewahren und die guten Leistlein finden, gegen oben wird es plattiger und technischer im "gewusst wie" Stil. Tolle Seillänge, aber Achtung Seilzug! Ausgiebig verlängern oder getrennt einhängen, sonst ist der obere Teil lästig.

SL 10, 45m, 6c: fantastisch, einfach super, diese SL hätte 10 * verdient. Überhängend geht's an rauhen Töffgriffen und Tropflöchern bei guter Absicherung aufwärts. Hier wähnt man sich definitiv wie an den Wenden, und die SL wäre auch dort herausragend. Die Crux an einem etwas steileren Wulst, zuletzt dann noch über ein tricky Plätteli an Seit- und Untergriffen zum Stand.

SL 11, 50m, 6b+: steil links aus dem Stand hinaus, zwei von der Natur genau am richtigen Ort plazierte Griffe machen die Stufe überhaupt möglich. Danach in plattigerer Kletterei, entlang von aufwändig geputzten Rissen, hinauf zum letzten Stand.

Es ist bereits 20.15 Uhr, als wir uns am Top gratulieren können. Über 8 Stunden haben wir also geackert, bis die Route erklommen war. Die anhaltenden Schwierigkeiten, die teilweise eher knappe Absicherung, die stellenweise Feuchtigkeit im unteren Teil, oder ganz einfach: unser Unvermögen haben Zeit gekostet. Beide sind wir auch ziemlich geschlaucht.

Die Onsight-Ambitionen gingen dieses Mal schon am dritten BH, in der zwingenden Crux, flöten. Auch wenn im Rückblick alles frei und auch das meiste Onsight/Flash ging, so ist die Stilnote der Begehung sicher noch verbesserungsfähig. Aber in dieser Route ist für unser Niveau schon das Erreichen des letzten Hakens eine Leistung.

Zu erwähnen ist auch noch die Hitze: wie gewünscht kletterten wir den ganzen Tag in der Sonne über dem tieflblauen Oeschinensee. Es war aber so heiss und feucht, dass wir uns teilweise lethargisch und wie in Trance fühlten - bei diesen Bedingungen genügend Getränk mitnehmen!

Der Abstieg erfolgt per Abseilen und ist auch mit 50m-Seilen in 30 Minuten rasch erledigt. Wir traben dem See entlang zurück und im Eiltempo geht's runter nach Kandersteg, 21.30 Uhr. Der nächste Zug fährt erst um 22.45 Uhr, Zeit für Schni-Po-Sa. Dabei und danach bleibt genügend Zeit, um über die Tour zu reflektieren: von den unten ***, oben **** Sternen ordnen wir zumindest je einen halben dem einmaligen Ambiente über dem See zu. Die angegebenen Schwierigkeitsgrade passen, die Absicherung ist gut, die Bolts wurden solide und durchdacht platziert. Dennoch sind immer wieder zwingende Stellen über der letzten Sicherung zu bewältigen. Man merkt einfach, dass die Erstbegeher die Schwierigkeiten im Griff hatten und die Bolts so gesetzt wurden, dass der Wiederholer sich ein bisschen überwinden muss - mit A0 kommt man in dieser Tour nirgends hin.


Tourengänger: mde


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen

WS+ II
26 Jul 16
Fründenhorn 3369m · Sherpa
T4+
T5-
21 Jul 10
Untere Fründenschnur · JoR
T4+
WS+ II
11 Aug 12
Fründenhorn 3369m · Sherpa
T4 K1
ZS+ 3
T3 ZS+ III

Kommentare (2)


Kommentar hinzufügen

petitNic hat gesagt: Bravo
Gesendet am 8. Juni 2010 um 22:15
Hey, gratuliere zu dieser Supertour! Sieht sau spektakulär aus - ist sicher nicht allzu überlaufen, auch in der Hochsaison!

mde hat gesagt: RE:Bravo
Gesendet am 9. Juni 2010 um 08:59
Danke! Und ja, die Tour ist auf jeden Fall spektakulär, und das Ambiente direkt über dem See (fast) einmalig in der CH.

Richtig überlaufen ist eine Tour in diesen Graden wohl kaum je. Allerdings gibt es vor Ort auch keine Alternativen, und schon nur eine weitere Seilschaft kann daher ins Gewicht fallen.

Die beiden, die am letzten Freitag 5 Minuten nach uns zum Einstieg kamen, hatten wie wir wohl auch damit gerechnet, alleine zu sein...


Kommentar hinzufügen»