Wandflue-Überschreitung


Publiziert von Tobi , 5. Juni 2010 um 13:54. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » Luzern
Tour Datum: 4 Juni 2010
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Pilatusgebiet   CH-LU 
Zeitbedarf: 4:00
Aufstieg: 700 m
Abstieg: 700 m
Kartennummer:1170 Alpnach

Endlich ist es vollbracht! Zusammen mit ossi durfte ich gestern die erfolgreiche Überschreitung der Wandflue erleben. Nach einem abgebrochenen Versuch am Ende einer kurzen Sonntagmorgen-Tour von oben (Westen) her und einer winterlichen Erkundungstour (Bericht), hat es nun gestern im dritten Anlauf geklappt!

Auf dem Parkplatz Gantersei (984m) stehen wir mitten im Nebel, so dass wir leider keinen ersten Blick auf die Wandflue erhaschen können. Gemütlich wandern wir rechts vom Bach neben bzw. auf der Fahrstrasse entlang Richtung Unterlauelen. Kurz vor dieser Alpwirtschaft zweigen wir rechts ab und folgen dem bewaldeten Bächlein über eine sumpfige, aber reichhaltige Blumenwiese. Nach einigen Schritten erreichen wir den Waldrand und somit den Einstieg in die Wandflue.

Im Wald ist schon ein deutlicher Sporn zu erkennen, der rechte (nördlichste) Ausläufer der Wandflue. Dieser sieht einladend aus, wir folgen ihm und starten somit in unser Abenteuer. Wir haben keine Ahnung, was uns erwartet. Weder meine bisherigen Erkundungstouren, noch die Karte geben einen Hinweis darauf, ob der Grat überhaupt durchgehend begehbar ist, oder ob uns ein Gewirr von Abbrüchen auf uns wartet.

Der Beginn verläuft ohne Probleme, das Gelände ist zwar noch etwas feucht, bietet aber genügend Halt und sogar einige Wurzelgriffe. Der Nebel sorgt für eine spezielle Atmosphäre, insbesondere weil nun langsam die Sonne durchzudrücken beginnt. Der Grat wird grasiger und etwas ausgesetzter, Tiefblicke sind garantiert. Nach einer geschätzten halben Stunde erreichen wir den Sattel, auf welchem ich schon bei meiner Erkundungstour im Winter gestanden bin. Der unterste Teil ist also ohne Probleme gemeistert (T4).

Auf diesem ebenen Abschnitt sind wir nun endlich aus dem Nebel und können durch die Bäume die Pilatuskette und das Regenflüeli bestaunen. Der folgende Gratabschnitt, bei welchem ich im Winter schon zu Beginn kapituliert habe, ist nun ohne Schnee mühelos machbar (T4-T5). Hier sind auch deutliche Wegspuren auszumachen, wobei die wohl eher von Gemsen stammen. Die abwechslungsreiche Kraxelei ist ein wahrer Genuss, fast zu schön um wahr zu sein. Doch unsere Euphorie findet dann ein jähes Ende, als wir plötzlich vor einem Abbruch stehen. Und da erkenne ich sie wieder: Hier stand ich schon mal unten und habe meinen ersten Begehungsversuch abgebrochenen. Dies wird also die letzte und einzige Schlüsselstelle sein.

Doch diese Stelle hat es in sich! Ein etwas mehr als zwei Meter hohes, fast senkrechtes Nagelfluh-Wändchen, davor und danach ist das Gelände nicht minder steil. Mit meinem Stock testen wir mögliche Tritte und Griffe, doch diese erweisen sich alle als instabil und nicht belastbar. Ein ungesichertes Absteigen ist uns definitiv zu heikel. Ein Umgehen scheint auch nicht ohne weiteres möglich, wir stehen auf einem schmalen und ausgesetzten Felsbug. Nun ist der Bastler ossi gefragt ;-)

Gleich neben der Schlüsselstelle gibt es nur zwei kleine Tannen, doch scheinen diese genügend dick zu sein, um daran abzuseilen. Erste Belastungstests verlaufen positiv. Das Seil wird ausgeworfen und wir kleiden uns dem kommenden Einsatz entsprechend an. Auf diesem schmalen Grat mein „Klettergstältli“ anzuziehen, ist gar nicht so einfach. Da hätte ich wohl zu Hause noch ein paar Trockenübungen machen sollen. Doch nun ist alles bereit und ossi möchte gerade loslegen. Da fällt ihm auf, dass zwar der Stamm halten wird, aber eventuell das ganze Bäumlein mitsamt Wurzel und Erdreich aus der Nagelfluhwand gerissen werden könnte. Also wird dieser Versuch abgebrochen. Doch ossi hat schon einen anderen Plan im Kopf und beginnt an einem weiter hinten gelegenen Baum eine Abseilstelle einzurichten. Ich erkunde in der Zwischenzeit die steile Südflanke und entdecke durch Zufall eine Schwachstelle im Nagelfluh-Felsen.

Die Übung „Abseilen“ wird also abgebrochen und wir steigen vom Grat etwa 30m in der Südflanke ab. Dort befindet sich ein schmales Band, welches vom Felsbug hinunter in eine Rinne führt. Diese etwa 50° steile Flanke und das ausgesetzte Grasband sind sehr heikel (T6). In der Rinne erreichen wir in kurzer Zeit wieder den Grat. Nach einem ausgiebigen Studium der Schlüsselstelle von unten (ein Aufstieg erscheint uns eventuell möglich: 1-2 Kletterzüge II in brüchigem Nagelfluh), folgen wir weiter dem Grat. Dieser wird zusehends breiter und flacher und mündet schliesslich bei Pt 1443 im Wanderweg, welcher die Alp Gumm mit der Alp Ober Pfifferswald verbindet.

Die Wandfluh wäre also Überschritten, doch wir haben noch etwas Zeit. Wir folgen weiter weglos dem Grat und erreichen so den Studberg (1603m). Mit flotten Schritten geht es gleich weiter und etwa zehn Minuten später (jetzt auf dem offiziell Bergweg) stehen wir auf dem Regenflüeli (1582.1m). Die Aussicht hält sich leider wegen dem Nebel in Grenzen, doch sind zumindest der Sempachersee und Luzern von oben zu bestaunen.

Um ossi zum Abschluss noch etwas zu bieten, wähle ich den Abstieg nach Norden. Wir folgen einige Meter dem Grat in Richtung Osten, beim ersten Couloir steigen wir in nördlicher Richtung ab. Hier sind sogar Wegspuren und Tritte erkennbar. Weglos queren wir im mässig steilen Gelände nach Osten zu Pt 1397. Hier lasse ich mich etwas durch ein frisch in den niedrigen Tannenwald gefräste Schneise irritieren und folge diesem Weg, statt weiter auf dem Grat zu bleiben. So erreichen wir oberhalb der Ober Honegg den Wanderweg, welcher uns zur Alp Rosebode (1275m) führt. Zu dieser wollte ich eigentlich direkt absteigen. Von hier führt der Bergweg steil und mit unzähligen Stufen und Windungen durch den Ganterseiwald direkt zum Parkplatz hinunter.


Fazit: Auf die Idee, die Wandflue zu überschreiten, kommt wahrlich nur jemand, dem dieser Grat auf der Landkarte auffällt. Dort präsentiert sich diese als kleines felsiges Gebirge, in Natura ist sie aber gut mit Bäumen getarnt und steht unscheinbar in der Gegend. Man kann sie also als unauffälliges, kleines aber feines Juwel für den Fan von Nagelfluh-Kraxelei bezeichnen.
Dies wird sicher nicht mein letzter Besuch der Wandflue gewesen sein. Danke nochmals an ossi für seine angenehme Begleitung und das Mitschleppen des (leider) nicht gebrauchten Klettermaterials.


Tourengänger: ossi, Tobi


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T6
4 Jun 10
Überschreitung Wandflue · ossi

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