Dürrenhorn


Publiziert von WoPo1961 , 2. Juni 2010 um 10:38.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:26 Juli 2003
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 2 Tage 18:00
Aufstieg: 2370 m
Abstieg: 2370 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Rhonetal bis Visp; Vispertal bis Stalden; Mattertal bis St. Nicolaus; von dort hinauf nach Gasenried
Zufahrt zum Ankunftspunkt:siehe oben
Unterkunftmöglichkeiten:Hotels und Ferienwohnungen in Grächen, Bordierhütte, Mischabelhütte
Kartennummer:1328 Landeskarte der Schweiz

WARNUNG: Dies ist (m)ein sehr persönlicher und zugleich ein sehr trauriger Bericht über eine Tour, die ich in meinem Leben NIE wieder vergessen werde.


Es war der Jahrhundertsommer 2003, das Thermometer kletterte täglich in immer höhere Bereiche und die Zeitungen meldeten immer wieder neue Temperaturrekorde. Ich befand mich schon 3 Tage vor der eigentlichen Tourenwoche im Wallis zwecks Einwandern und Akklimatisieren, denn unsere Tourenpläne waren mal wieder recht anspruchsvoll. Zusammen mit meinem Bergfreund Reinhard  hatten wir diesmal nur 8 Tage  Zeit und die wollten genutzt sein. So stand quasi als Einlauftour das Dürrenhorn auf dem Programm, um dann als krönenden Abschluß zur italienischen Seite des Matterhorn zu wechseln und über den Liongrat aufs berühmte Haupt zu steigen.

Der Weg hinauf von Gasenried zur Bordierhütte nahmen wir erst mit einiger Verspätung in Angriff, denn viel zu gut schmeckte der Salat und das Bier im Biergarten zu Gasenried. Mittlerweile zum dritten Male in den letzten 6 Jahren wurde dann der schwere Rucksack gehuckepackt, um ihn hoch zur Hütte zu tragen. So richtig lieb gewonnen hatte ich den Hüttenzustieg noch nie, aber die Aussicht endlich meinen vorletzten noch fehlenden Walliser 4000er Gipfel zu besteigen, trieb mich irgendwie doch hinauf.
Der Rest des Tages verging damit, den Rucksack tourengerecht zu packen und alles unnötige Zeug in der Hütte zu lassen.
Wie immer vor solchen Touren schlafe ich die Nacht davor recht unruhig und bin froh, wenn das Weckerklingeln endlich den Morgen einläutet.
Es war der 26. Juli 2003 und dieser Tag sollte sich in meinen Kopf einbrennen wie kaum ein Zweiter. Er fing an, wie selten vor einer großen Tour, mit einer absoluten Ruhe beim Frühstück. Wir genossen das liebevoll hergerichtete Bufett in vollen Zügen und mußten uns fast schon zwingen, endlich die schweren Stiefel zu schnüren, um diese Hochtour in Angriff zu nehmen. Hatten wir in anderen Jahren Schwierigkeiten den richtigen Weg durch den Schutt und Geröll zu finden, war mein Freund diesmal schlafwandlerisch sicher durch diesen Schutthang gegangen. In vollkommender Stille machten wir uns gletscherfertig und zogen nach einer kurzen Trinkpause weiter auf dem Gletscher hoch zu den mittlerweile unangenehmen Gletscherbrüchen. Eine 2er Seilschaft, die schon einige Zeit mit der Suche eines günstigen Zugangs beschäftigt war, holten wir nun ein und zusammen schafften wir es binnen kürzester Zeit den besten Durchstieg zu finden. Danach trennten sich unsere Wege; ihr Ziel hieß heute das Ulrichshorn. Nun mußte der Riedgletscher gequert werden,aber der Firn war hart gefroren und bereitete keinerlei Probleme. Unsere Spannung wuchs, denn 2 Jahre zuvor waren wir im linken Couloir auf Grund Massen von Weichschnee gescheitert. Doch diesmal waren die Verhältnisse dort optimal und wir kamen mit den Steigeisen gut voran.

Leider sind wir dann viel zu früh nach rechts in die Felsen gequert und eh wir unseren Fehler so recht bemerkten, hatten wir auch schon die Steigeisen nicht nur abgezogen, sondern am bzw im Rucksack verstaut. Deshalb beschlossen wir nun die Felsen anzugehen. Diese entpuppten sich jedoch als sehr unangenehm, sehr brüchig. Sicherungen konnten nirgends angebracht werden und so wurde auch das Seil im Rucksack gelassen. Ich höre noch die Worte meines Freundes: "Durch die Seilsicherung lösen wir womöglich noch Steine, das ist zu gefährlich! Und richtig sichern können wir in diesem Bruch sowieso nicht".
Wir wühlten uns einige Zeit durch diese Felsen bis ich an einem Riss nicht so recht weiter wusste. War das der richtige Weg oder ging es wo anders besser weiter bzw hinauf. Aber wo ich auch hinschaute, eine bessere Alternative kam für mich nicht in Betracht. So ging ich diesen Riss an, der sich erstaunlicherweise gut klettern ließ, denn ab dieser Stelle war der Fels merklich fester. Danach kam ein kleiner Quergang und am Ende sah ich die erste Sicherungsstange. Mein Freund war nun am besagten Riss angelangt und ich teilte ihm meine Entdeckung mit. Gleichzeitig wollte ich den weiteren Aufstieg erkunden............

... und dann hörte ich dieses seltsame Geräusch; wie ein unterdrückter Aufschrei. Instinktiv drehte ich mich um, aber was ich dann sah, konnte mein Gehirn, konnte ich nicht fassen. Ich sah meinen Freund stürzen; Es gab kein Halten, kein Fels erfassen, kein Sturz abwenden durch eine glückliche Fügung; kein Hindernis hielt ihn mehr auf. Nein, mehrmals überschlug er sich und war binnen von Sekunden aus meinem Blickfeld entschwunden. Und ich stand tatenlos da und konnte nichts machen, konnte nicht helfen, nichts tun....nur schauen..........
Ein unheimliche Stille machte sich breit und ich stand noch einige Sekunden reglos da, immer noch nicht fassen könnend, was meine Augen gerade gesehen hatten. Als ich endlich begriff, was vor wenigen Augenblicken geschehen war, bekam ich eine unheimliche Angst. Angst vor dieser Stille und Angst, das ich vor lauter Panik selbst in den Abgrund stürzen könnte. Ich zitterte am ganzen Körper und begann nun laut mit mir selbst  zu reden. "Du mußt dich jetzt sichern, WoPo........ nimm die Bandschlinge und den Schrauber und mach dich an der Sicherungsstange fest" 
Nachdem es mir gelungen war, diese Dinge in die Tat umzusetzen, suchte ich einige Zeit verzweifelt mein Handy, in der Hoffnung schnelle Hilfe herbei holen zu können. Doch beim ersten Versuch hatte ich nur schwachen Empfang und die Leitung brach ab, oder konnte sich noch nicht mal richtig Aufbauen. Glücklicherweise gelang mir beim 2. Versuch der Kontakt zur REGA Hubschrauber Flugrettung. Nach meiner Beschreibung der Unglücksstelle und einem kurzen  Unfallhergang wurde mir unverzügliche Bergung bzw Rettung zugesagt.
Nach Beendigung des Gesprächs sah ich oben auf dem Grat 2 Bergsteiger und machte mich durch lautes Schreien und Rufen bemerkbar. Nachdem sie mich ebenfalls bemerkt hatten, konnte ich mich einigermaßen verständlich machen und fragte, ob sie meinen Bergkameraden sehen könnten. Die Antwort war leider Nein. Auf ihre Frage, ob ich Hilfe benötigte, verneinte ich, da die Rettung schon unterwegs sei. Daraufhin zogen sie weiter den Nadelgrat hinauf Richtung Hohberghorn und ich war mit meinen Gedanken für einige Minuten alleine. Der Kopf wollte nicht realisieren, was wohl offensichtlich war und es keimte sogar Hoffnung auf, das mein Freund doch noch lebend gerettet werden könnte. Doch als nach ca 15 Minuten der Heli auftauchte, löste sich alsbald meine Hoffnung in nichts auf. Denn nachdem ich mit Handzeichen die Richtung der vermutlichen Fundstelle zeigte, konnte die Besatzung innerhalb weniger Minuten meinen Freund bergen, ein lebloses Bündel am Ende des Seiles.
Eine totale Leere machte sich in mir breit, ich konnte nichts sagen, ich konnte nicht mehr fühlen und ich konnte auch nicht weinen.... ich war einfach nur leer. Ein Hülle mit nichts mehr drin
Nachdem mich die Retter sehr sicher und routiniert aus der Wand geborgen und per Longline bis zur Bordierhütte geflogen hatten, vergingen die nächsten Stunden mit der Unfallaufnahme und mit meiner Zeugenvernehmung.
Was wirklich in jenem Augenblick passierte, kann ich nicht sagen. War es ein Stein, der ihn aus der Balance geholt hatte oder ein Felsgriff beim Belasten heraus brach oder ob einfach nur das Gleichgewicht verloren wurde.... ich weiß es nicht. Aber das nicht benutzte Seil in unseren Rucksäcken drückt arg auf mein Gewissen. Trotz der gemeinsamen Entscheidung, es nicht zu benutzen.
 Leider können wir am Berg getroffene Entscheidungen im nachhinein nicht wieder rückgängig machen und leider treffen wir am Berg nicht immer die richtigen Entscheidungen! Dessen sollten wir uns immer bewusst sein.

Dieser Tourenbericht ruhte lange in der Rubrik "Entwürfe", ich war sehr unsicher, ob ich das Geschriebene überhaupt veröffentlichen sollte. Aber vielleicht kann ich mit dieser Geschichte noch einmal  sensibilisieren, Entscheidungen immer wieder neu zu überdenken und prüfen.
Ich wünsche allen Hikr-Lesern einen tollen Sommer, mit vielen neuen Touren und kommt immer heile und gesund zurück.

Obwohl es mir seltsam vorkommt nach meinem Bericht noch eine Tourenbeschreibung anzuhängen, möchte ich es dennoch einstellen, da  bisher auf hikr noch keine vorhanden ist!
Von der Hütte aus kurz den Abstieg Rtg St. Nicolaus nehmen, an der Verzweigung links haltend schräg hinauf zu einem Sattel und auf die rechte Seitenmoräne des Riedgletschers. Man folgt diese Moräne bis zum Beginn des Gletschers und steigt  in der Gletschermulde am Fuss des Biggerhorns hinauf bis zum Beginn des Balfrinhorns. Hier ist der Gletscher meist zerrissen und man kann je nach den Verhältnissen entweder am Gletscherrand nahe der Felsen einen günstigen Durchschlupf suchen oder die Felsen des Balfrinhorns benutzen (sind aber sehr lose!). Durch eine weitere Gletschermulde muß nun links ausholend der Riedgletscher bis zum Fuss des Couloirs gequert werden. Eine genaue Beschreibung der Begehung des Couloirs hängt in der Bordierhütte aus; auch wo sich die einzelnen Sicherungsstangen befinden! Nur bei wirklich guten Verhältnissen kann das Couloir bis zum Dirrujoch hinauf benutzt werden. Sobald die ersten Sonnenstrahlen die Felsen am oberen Couloirrand erreichen, ist die Rinne Steinschlag gefährdet und man sollte tunlichst nach rechts in die Felsen ausweichen!!
Hierbei folgt man nur auf ca 60m der Schneerinne bzw dem Couloir und steigt rechtsseitig auf eine Felsrippe. Diese folgt man bis zum Dirrujoch, bei Schwierigkeiten weicht man nach rechts in eine Rinne aus, danach geht es wieder zurück zur Felsrippe. Etwas oberhalb des eigentlichen Jochs wird dann der SE-Grat des Dürrenhorns erreicht. Auf diesem in ca einer halben Stunde unschwer zum Gipfel. 
Von der Bordierhütte benötigt man ca 4,5-5 Std. Einen Abstieg über die Aufstiegsroute wird eigentlich nicht empfohlen, da die Steinschlaggefahr schon erheblich ist. Dann geht es über Hohberghorn, Stecknadel- und Nadelhorn bis zum Windjoch und von dort über den Riedgletscher zurück zur Bordierhütte. Alternativ gibt es noch den Abstieg vom Windjoch zu den Mischabelhütten.
Für die gesamte Begehung des Nadelgrates (also Dürrenhorn bis Nadelhorn + Abstieg zur Hütte) muß mit ca 10-12 Stunden gerechnet werden.

W I C H T I G:
(Nachtrag am 02.August 2010)
Der von mir beschriebene Weg durch das Couloir wird auf Grund der katastrophalen Verhältnisse (Steinschlag, etc) seit ein paar Jahren nicht mehr empfohlen! U.A auch der Hüttenwirt der Bordierhütte empfiehlt nunmehr den Weg vom Galenjoch
über den Nordgrat auf das Dürrenhorn!!

Ein allerletzter Satz:
Ich werde auch  weiterhin von alten Touren mit meinem Freund Reinhard berichten, weil es tolle, gemeinsame und unvergessliche Erlebnisse waren. Er wird für IMMER einen festen Platz in meinem Herzen und Erinnerungen haben und oftmals begleitet er mich auch heute noch gedanklich in den Bergen.

Tourengänger: WoPo1961


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Kommentare (12)


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eugen hat gesagt: Dirruhorn
Gesendet am 2. Juni 2010 um 11:55
Ich danke Dir für diesen Bericht. Er ist sehr erschütternd und versetzt mich unmittelbar in jene Gegend, wo Euch das grosse Unglück zugestossen ist. Über so etwas wird man nie hinwegkommen - wenn man nicht abgestumpft ist. Du wirst Dich tausend Mal damit beschäftigt haben. Und nachher ist man immer schlauer und meint, man hätte dieses oder jenes tun oder lassen sollen. Aber eben, es nützt einem nichts mehr. Man hört von so vielen Unfällen in den Bergen, kann sich aber nie so richtig vorstellen, welche Tragik sich hinter den nüchternen Berichten verbirgt. Du hast uns wieder einmal sehr deutlich gezeigt, was ein Bergunfall eigentlich ist. Es bleibt mir nur zu hoffen, dass wir alle davon verschont bleiben. In dem Sinne wünsche auch ich allen einen unfallfreien Tourensommer.
Gruss aus dem Wallis
Eugen

marc1317 hat gesagt: ...
Gesendet am 2. Juni 2010 um 12:13
Hallo WoPo!

Ich kann voll nachempfinden, wie Du dich da gefühlt hast!

Mir selber ist es ja vor gut einem Monat ähnlich am Gr. Mythen ergangen, zwar nicht in der Grösse, aber trotzdem hätte es noch viel schlimmer ausgehen können.

Auch wenn es mittlerweile bei Dir schon 7 Jahre her ist, ist das glaube ich nur ganz langsam zu "verkraften".

Von mir aus wünsche ich Dir auch weiterhin unfallfreie Touren und nochmal vielen Dank für Deinen Bericht!

Gruss

Marcel

kleopatra hat gesagt: Danke
Gesendet am 2. Juni 2010 um 14:20
Hallo WoPo, ich danke Dir für diesen Bericht, denn er führt einem wieder einmal vor Augen, dass der Bergsport doch ein riskanter Sport ist, auch wenn man dieses Risiko gerne ausblendet und dass man sich zwar weiterhin an jedem Gipfel erfreuen kann und soll, aber genauso froh sein soll wenn man mit oder ohne Gipfel wieder im Tal steht (denn oben angekommen ist noch lange nicht das Ziel).

Toll, dass Du den Zugang zu den Bergen nicht verloren hast und dass Du so in Gedanken viele weitere schöne Touren mit Deinem verunglückten Freund machen kannst.

Grüsse, Eva

Lulubusi hat gesagt:
Gesendet am 2. Juni 2010 um 14:28
Hallo WoPo
Danke für den Bericht.
Trotz allem wieder in die Berge zu gehen ist und war der erste Schritt das erlebte irgendwie zu verarbeiten. Ob dies jemals ganz glingen wird weiss ich nicht?

Dein Bericht hat auch bei mir einiges aufgewühlt. Nur Gefühle die ich eigentlich gar nicht richtig einordnen kann. Schmerz, Trauer, Glück, Angst.....
Vor nicht all zu langer Zeit hate ich ebenfalls ein solches Erlebnis. Nur war unteranderem ich der jenige der abstürtzte (waren zu zweit). Mit dem Unterschied, dass ich noch hier sein darf.

Grüsse Pasci
have a save day

Lulubusi hat gesagt: Frage
Gesendet am 2. Juni 2010 um 14:30
Gibt es die 100% richtige Entscheidung?

maawaa hat gesagt:
Gesendet am 2. Juni 2010 um 16:40
Danke für diesen sehr eindrücklichen Bericht!

Ich finde es richtig und wichtig auch solche Erfahrungen zu veröffentlichen, sie sind - leider! - ein Teil unserer Leidenschaft.

Viele Grüsse!
Marco


WoPo1961 hat gesagt: DANKE!
Gesendet am 3. Juni 2010 um 10:46
Liebe Hikr-FREUNDE! Ja, ich habe bewußt Freunde geschrieben, denn eure Reaktionen sind in der Tat sehr freundschaftlich. Ich habe mich heute (nach einer 24 Std hikr-Pause.... brauchte nach meinem Bericht einen kleinen Abstand) mit klopfenden Herzen eingeloggt und war sehr unsicher, was eure Reaktionen betrifft. Es war dann sehr emotional, all die lieben Kommentare zu lesen.Und zeigt mir, das es richtig und auch wichtig war, diese, obwohl sehr traurige und persönliche Geschichte, aufgeschrieben und veröffentlich zu haben. Danke an alle, die überhaupt diesen Bericht gelesen haben. Danke, für all die lieben Kommentare,sowohl hier, wie auch im persönlichen "Briefkasten". Ich werde jeden einzelnen noch persönlich antworten.
Es grüßt an diesem herrlichen Sonnentag (zumindest hier im Münsterland)
WoPo..
... und wünsche euch für dieses Wochenende tolle Touren! (und freu mich schon auf die "Ergebnisse" hier in hikr... wie immer ein gaanz kleines bißchen neidisch :-)

Kreuz hat gesagt: Dirruhorn
Gesendet am 24. Juli 2010 um 16:16
Jaja, das Dirruhorn...
Lasst es Euch gesagt sein, das Dirruhorn wird leider nur zu oft unterschätzt! Herzlichstes Beileid zum Ereigniss des Verlustes Deines Kameraden WoPo, aber gerade im Sommer 03 war die Alternative N-Grat sicherer!
Vor einigen Tagen (Juli 10) war ich wiedermal auf der Bordierhütte zu Gast, es war erschreckend wie bei 'zig plus Graden auf dem Thermometer viele Seilschaften das Couloir zum Dirrujoch als Aufstiegsroute wählten. Mittlerweile werden scheinbar ALLE Aufforderungen und Tipps (auch die vom Hüttenwart Pius Schnidrig selbst-der eindeutig und unmissverständlich den N-Grat empfielt) in den Wind geschlagen und immer noch frisch/fröhlich der veralteten Couloirroute gefolgt.
Wohl verstanden: Ich zweifle NICHT an Euren damaligen Entscheidungen! Aber die Route durch das Couloir/die nördlichen Begrenzungsfelsen zum Dirrujoch gehören in warmen Sommermonaten eindeutig zum "Schnee von gestern" und nicht noch als Routentipp so quasi als Köder ausgelegt um andere Seilschaften ins selbe Verderben zu Ziehen!
Schärft Euren Verstand-beurteilt das Gelände, das Wetter, die Verhältnisse etc. selbst und objektiv in eigener Verantwortung, so wird ein Alpinist alt.
WoPo, ich bin sicher Du versehst mich, Dein verstorbener Kamerad und auch all die anderen Opfer des Dirruhorn würden sicher das selbe empfehlen.

Gruss Kreuz

Alpin_Rise hat gesagt:
Gesendet am 6. August 2013 um 16:15
Danke erstmals für deinen eindrücklichen - und tieftragischen - Bericht.

Ich war gestern auf dem Nadelgrat und wir sind durchs Couloir hoch. War kein Zuckerschlecken und forderte den Durchschnittsalpinisten, da kein Trittfirn mehr drin und doch gehörig steil!
Dank einer klaren Nacht hatten wir "gute" Steinschlagverhältnisse und die ersten Sonnenstrahlen erwischten uns im oberen Couliteil.

Entgegen Kreuz: Der Hüttenwart hat uns nicht vom Couloir abgeraten, im Gegenteil hat uns die Frau (des Wartes? Name ist mir entfallen) die guten Verhältnisse im Couloir bestätigt - sie waren dann nicht so gut, wenigstens kein Steinschlag, ausser etwas Eis und Steinchen von den vorhergehenden Partien. Das Couloir und der Wandfuss sind voller Steine, da kommt schon oft noch was... objektiv sicherer sind sicher der Nordgrat! Die selbe Frau bestätigte auch, dass der Nordgrat nicht schneller sei als das Couloir, auch das ziehe ich in Zweifel...

Vielleicht schreib ich auch noch einen Bericht übers Couli und den Nadelgrat.

lG, Rise

WoPo1961 hat gesagt: RE:
Gesendet am 6. August 2013 um 19:42
Nabent Rise,
zwar kenne ich den Nordgrat (bis jetzt) nicht, aber auf Grund meiner Erfahrung im Couloir bzw der Berichte über den Nordgrat, denke auch ich, das der Nordgrat definitiv die sichere Variante ist. Ob schneller oder langsamer dürfte dabei eine untergeordnete Rolle spielen... denn Sicherheit wird nicht nur garmmatikalisch groß geschrieben!
Dafür das vor ein paar Wochen (ich war Mitte Juli im Wallis) noch ordentlich Schnee allgemein in den Bergen lag, wundert es mich, das im Couloir kein Trittschnee mehr lag. Umso besser, das ihr ohne große Probleme dort durch gekommen seid. Glückwunsch zur Tour und über einen Bericht würd ich mich ziemlich freuen!!
Lieben Dank für deinen Kommentar (in diesem Jahr sind es mittlerweile schon 10 Jahre, seit dem Unfall! Schon lange nicht mehr, waren mir diese Stunden soo vor Augen wie unlängst im Juli!!)
Grüße aus Flachlandhausen
WoPo

roger_h hat gesagt:
Gesendet am 16. April 2015 um 11:02
Mein lieber WoPo

Ich kann dir nicht mehr genau sagen, wie oft ich diesen Bericht mittlerweile gelesen habe, er hat meine Einstellung zum Bergsteigen und mein Risikomanagement wesentlich beeinflusst. Dieser Bericht geht mir jedesmal wieder sehr nahe, weil er etwas beschreibt, das kein Bergsteiger jemals erleben will und weil wir mittlerweile doch schon einige Touren zusammen unternommen haben und sich daraus eine sehr schöne Freundschaft entwickelt hat. Erst heute schreibe ich dir einen Kommentar dazu, wieso das so lange gedauert hat, weiss ich auch nicht.

Zu der Zeit, als du den Tourenbericht online gestellt hast, war ich vorwiegend mit Jolanda (meiner Frau) in den Bergen unterwegs (heute ist das aus dir bekannten, erfreulichen Gründen nicht mehr oft der Fall). Vermutlich zum Selbstschutz verdrängt man ja gerne die Möglichkeit, dass auf einer Bergtour etwas passieren könnte. Dein Tourenbericht vom Dürrenhorn hat diese Möglichkeit damals mit voller Wucht in mein Bewusstsein gerückt. Ich kann mich an darauffolgende Touren mit Jolanda erinnern, bei denen ich in der Nacht vor der Tour noch schlechter geschlafen habe, als dies sonst schon der Fall ist. Interessanterweise habe ich mich damals wie heute immer um meinen Tourenpartner gesorgt, nie um mich selbst, das ist auch ein interessanter Aspekt. Wenn der Tourenpartner dann zusätzlich noch der Mensch ist, den man am meisten liebt auf der Welt, macht das die Situation noch spezieller.

Ich denke, dein so tragischer Tourenbericht hat mein Tun und Handeln in den Bergen umsichtiger werden lassen, deshalb und vor allem auch für dich und deine Verarbeitung des Unfalls, war es richtig und wichtig, diesen hier auf hikr zu veröffentlichen. Vielleicht hatten wir beide auch schon die eine oder andere Situation, bei der du gedacht hast "jetzt übertreibt er es aber" (Eisschrauben am Fletschhorn, Seileinsatz wenn die Stelle evtl. auch hätte frei geklettert werden können am Lagginhorn Südgrat etc.). Der Einsatz oder der Verzicht von Sicherungsmitteln muss gerade im Hochgebirge immer wieder aufs Neue abgewägt und der Situation und dem Können und Gefühl der Tourengäner angepasst werden. Oft ist man aus Zeitgründen seilfrei oder mittels Sicherungtechnik mit erhöhtem Risiko unterwegs (gleichzeitiges Gehen am kurzen Seil). Dies sollte aus meiner Sicht immer eine Entscheidung zwischen den Seilpartnern sein und das individuelle Können und Sicherheitsempfinden des Einzelnen berücksichtigen. Einfach gesagt, wenn ein Seilpartner das Gefühl hat, die Stelle geht seilfrei und der andere lieber sichern möchte (Stichwort Bachgefühl), wird das Seil aus dem Rucksack genommen.

Wie ich deinen Bericht interpretiere, wart ihr euch damals darüber einig und habt bewusst entschieden, dass ihr die Stelle seilfrei klettert. Dann hat leider das Restrisiko mit voller Härte zugschlagen. Hinterer könnte man nun sagen, dass es ein Fehler war, aber viele von uns wären vielleicht auch nicht mehr da, wenn in ähnlichen Situationen das Restrisiko ebenso erbarmunglos zugeschlagen hätte. Was bleibt ist ein äusserst tragischer Unfall und ein grosser Verlust. Das tut mir sehr leid, ich hätte deinen Freund Reinhard gerne kennengelernt, ich denke wir hätten uns gut verstanden.

Falls du das Verlangen hast, dem Dürrenhorn einen Besuch abzustatten, um die Verarbeitung weiter voranzutreiben oder Reinhard nochmals zu gedenken, dann weisst du, dass ein Telefon oder eine Nachricht von dir an mich genügt, dass ich die Tourenplanung in Angriff nehme.

Freundschaftliche Grüsse aus der Schweiz
Roger

WoPo1961 hat gesagt: RE:
Gesendet am 28. April 2015 um 19:58
Hallo mein lieber Roger,
nun endlich habe ich Zeit und Ruhe deinen einfühlsamen Kommentar zu beantworten. Ehrlich gesagt fehlen mir tatsächlich ein wenig die Worte um genau zu beschreiben, WIE sehr dieser mich berührt hat!!
Und eines schon mal vorweg; JA, ihr hättet euch verstanden, ziemlich gut sogar! Denn genau wie DU, war Reinhard ein sehr umsichtiger Tourenpartner. Und genau wie du in deinem Kommentar beschrieben hast, hatte Reinhard mich gesichert, wenn ich mir mal unsicher war. Da wurde das Seil ohne auch nur ein winziges Murren aus dem Rucksack geholt, denn Sicherheit ging auch bei uns vor.
(Übrigens fällt mir gerade noch eine andere Gemeinsamkeit ein. Auch Reinhard liebte nach einer gelungenen Tour das verdiente Bierchen bzw. Weissbier... du siehst, ER war der passende Seilpartner für mich ;-)

Das ich nun DICH als passenden Seilpartner finden durfte, ist für mich ein riesengroßes Geschenk. Allein dein hier geschriebener Kommentar zeigt mir wie groß unsere Freundschaft mittlerweile ist!

Als ich damals, knapp 7 Jahre nach dem tragischen Unfall, diesen Bericht schrieb, war ich mir überhaupt gar nicht sicher, ob es überhaupt einen Sinn macht, ihn zu veröffentlichen (außer vielleicht aus Therapiegründen meiner selbst). Die darauf folgenden Kommentare lehrten mich jedoch eines besseren, denn durchweg positive Resonanz erhielt ich. Dein Kommentar zeigt, WIE sinnvoll es tatsächlich war (auch wenn ich dich sowieso für einen der umsichtigsten Bergsteiger halte, die ich in meinem Leben kennen lernen durfte; von der Tourenplanung über die Durchführung bis zur Nachbereitung :-)) finde ich dich sehr souverän.),
den Bericht zu veröffentlichen. Schlaflose Nächte wollte ich dir dabei aber nicht bereiten... hoffe, du verzeihst mir!

Die größte Freude hast du mir aber mit deinem Angebot gemacht, zusammen dem Dürrenhorn einen Besuch abzustatten. Oh ja, lieber Roger, ich würde dieses Angebot sehr gerne annehmen. Wenn nicht in diesem, dann vielleicht im näxten Jahr!
Ich denke, es gibt keinen geeigneteren Seilpartner als dich, um meinen Freund Reinhard zu gedenken!!

Vielen, vielen Dank für deine Kommentar!
Ich hoffe, wir sehen uns auch 2015.
WoPo


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