Watzmann Ostwand (Berchtesgadener Weg)


Publiziert von hgu , 21. Januar 2010 um 23:55.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Berchtesgadener Alpen
Tour Datum: 8 September 2009
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 12:00
Aufstieg: 2100 m
Abstieg: 2100 m
Strecke:lange Tagestour; über 3000 Klettermeter!
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Ab dem Ort Königssee mit dem Boot nach St. Bartholomä zum Ostwandlager (zu Fuss ca. 3-4 Std.)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:. . .
Unterkunftmöglichkeiten:Ostwandlager, oder mit dem ersten Boot über den See (wird oft zu spät)! Nach der Tour entweder Wiembachgrieshütte (Abstieg nach SüdWest) oder Watzmannhaus bzw. Kühroint Alm (Überschreitung von Mittelspitze u. Hocheck nach NordOst) oder im Tal!
Kartennummer:Gebietsführer Franz Rasp (ISBN 978-3-7633-4141-2)

Bildbericht derzeit unter:        www.picasaweb.google.com/ueberberg/watzmann


Watzmann Ostwand  
 
In der ersten Septemberwoche wird der Wetterbericht unzählige Male studiert; alles prima! Am 06.09.09 geht die Fahrt von Köln zum Königssee.
Per Konditionswanderung geht es am nächsten Tag schnellen Schrittes zum Schneibstein. Es folgt die letzte Erkundung der Wand, die gegenüber steil aus dem Königssee aufragt. Schon Wochen zuvor habe ich die Wand per Internet endlosen Studien unterzogen. Den kleinen Gebietsführer vom legendären Franz Rasp kenne ich schon auswendig und habe mir seine Anmerkungen und die darin enthaltenen Fotos eingeprägt.
  
Nachmittags geht es mit dem Boot über den Königssee nach St. Bartholomä. Um 18:30 Uhr kehrt Ruhe auf der Halbinsel ein, alle „Touris“ sind verschwunden, zurück bleiben die „Ostwandaspiranten“. 
Ein Team aus Heidelberg; zwei Österreicher; eine „Dreiergruppe plus Dame“ und ein Bergführer mit zwei Kunden - und wir; Dirk und ich.
 
Die Nacht im Ostwandlager ist unruhig und endet um 03:40 Uhr. Der Bergführer weckt seine Kunden, die lautstark ihr Gerümpel sortieren. Bis 05:15 Uhr verlassen alle anderen Bergsteiger das Lager. Ich genieße noch einige Minuten Ruhe und bin um 06:00 Uhr mit Dirk auf dem Weg zur Eiskapelle.
 
Die Spannung ist spürbar, ich bin nervös; gelingt unser Vorhaben?
 
Um 07:00 Uhr steigen wir bei 830 hm an der Eiskapelle links in die Schrofen ein. Bei 930 hm geht es steil durch den letzten Latschenbewuchs bergauf. Erste Felspassagen werden überwunden. 
Wir durchqueren ein Kar, aufwärts über einen Schuttrücken und legen bei 1410 hm erstmals richtig Hand an den Fels. Rechts haltend klettern wir durch die Felsen zur Rampe empor, die von der Eiskapelle als Original-Einstieg des „Münchner Weges“ heraufkommt.
Dieser Rampe folgen wir über herrlich festen und ausgewaschenen Fels in anregender Kletterei. Bei 1650 hm zwingt uns eine steile Wand zum ersten ernsthaften Zupacken. Durch eine leichte Verschneidung geht es an deren rechter Seite einige Meter empor und darüber hinweg kurz nach links bis zu den Haken, von denen wir schon geträumt haben.
 
Sie bedeuten den Einstieg in die Wasserfallwand bzw. in die dort rechts von ihr schlummernde Platte. Die Platte ist ca. 70 Meter hoch, fällt nach unten weitere 200 Meter steil ins Schuttkar ab und fordert vom Kletterer den 3. Grad. Wir tasten uns langsam die Platte empor, fühlen uns sicher und durchklettern die Wand seilfrei. Wir wissen genau wo wir sind, rechts oberhalb der Wasserfallwand! Eine unfallträchtige Stelle ist hier erreicht und wir sind aufmerksam. Leichtes Gelände verleitet nach links und führt in die Sackgasse. Wir finden den Einstieg in die Rampe, die uns später zur Gipfelschlucht führen soll. Tief eingeschnitten leitet die anfangs versteckte Rinne empor.
Wir klettern konzentriert in der Rinne, die fast eine kleine Schlucht darstellt, hinauf. Aus der Rinne müssen wir jetzt schleunigst heraus, sonst wird es eine harte Angelegenheit.
Ein kleines Steinmännchen, hoch oben auf dem rechten Rampenrand, zeigt uns den Weg. Wir genießen den Blick hinunter zum Königssee, der unter einer dichten Wolkendecke den noch stillen Morgen festhält und auf seine „Enthüllung“ wartet.
 
Wir klettern rechts neben zwei Biwakhöhlen die Platten aufwärts und kommen jetzt in die Gipfelschlucht. Völlig trocken sind die beiden Bachläufe. Am linken Lauf führt unser Weg aufwärts, unterbrochen von häufigen Querungen und vielen Ausweichmanövern, da immer wieder steile Wandstellen die Route versperren. 
 
Bei 2060 m steigen wir rechts aus der Gipfelschlucht in die dort kaum erkennbare Rinne. Es geht kletternd aufwärts und bei 2120 m treffen wir auf das 3. und 4. Band. Der „Kederbacher Weg“ kommt hier über diese Bänder von rechts herauf und vereinigt sich mit unserer Route.
 
Wie geht’s es mir eigentlich? „Ganz schön platt“, denke ich und spüre meine Oberschenkel, die mich nun schon seit 5 Stunden ständig Hub um Hub nach oben bringen. Ich bin müde und das Steigen fällt mir schwer, viel schwerer als ich erwartet hatte. Waren wir etwa zu schnell unterwegs, obwohl jetzt schon fünf Stunden vergangen waren? Nicht richtig akklimatisiert oder nicht fit genug? Eigentlich sind die Gründe egal, ich muss hier weiter, auf die Zähne beißen und den A…. zusammen kneifen!
Dirk scheint es nicht besser zu gehen, auch er kämpft, schnauft und windet sich Meter um Meter höher.
Ein paar getrocknete Aprikosen wirken zwar keine Wunder aber setzen Reserven frei.

Es geht langsam weiter und wir erkennen über uns den massigen Pfeiler. Wir sehen sie zwar noch nicht, doch wissen wir, da liegt die Biwakschachtel. Nach 15 Minuten Pause geht es weiter, 70 Meter rechts haltend hinauf, dann links über eine kleine splittrige Rampe queren und schon sind wir an den Ausstiegsrissen. Hier genießen wir trotz der Erschöpfung die anregende Kletterei. Mal links über einen Block, dann rechts eine Wandstelle hinauf und auch spreizend durch den Kamin. Wir haben den blauen Himmel und auch den Gipfel fast zum Greifen über uns und erkennen die „Dreiergruppe mit Dame“, die den Ausstieg aus der Ostwand unmittelbar vor sich hat. Wir haben aufgeholt und der Anblick der voraus kletternden Bergsteiger setzt neue Kräfte frei!
 
Wir krabbeln auf allen Vieren eine schwierige Geröllrinne hinauf und gelangen zu einer senkrechten Wandstelle, die ich nicht mehr erwartet hätte.
Eine Schlüsselstelle, ca. 7 Meter hoch und 80 Meter unter dem Gipfel und vielfach in der Literatur beschrieben. Mit einer 3+/A0 bewertet, sofern sie mit Hilfe der eingeschraubten Stahlschlinge überwunden wird. Dirk steigt voran und findet den richtigen Tritt und den passenden Griff.
Er zieht sich über die glatte Wandstelle dem Gipfel entgegen. Seinem Rhythmus folgend gelingt auch mir die kniffelige Felsstufe und so erreichen wir wenige Minuten später auf 2712 Metern den Südgipfel des Watzmann.
 
Es ist 14:08 Uhr und ich bin sehr froh, endlich hier oben zu sein. Die „drei Jungs und das Mädel“ erwarten uns, weitere Bergsteiger befinden sich in der Überschreitung der Watzmanngipfel und rasten hier auf der Südspitze. Gipfelglück stellt sich nicht ein, ich bin ein wenig müde und mich stört der Massenbetrieb auf diesem Gipfel.  
              
Nach einer 30-minütigen Gipfelpause – wieder mit einer großen Portion Trockenobst- und den obligaten Fotos, geht es an den Abstieg. Dieser stellt an sich eine selbständige Bergfahrt dar. Von der Südspitze geht es über den Klettersteig hinüber zur Mittelspitze. Schneefälle der Vorwoche liegen noch als dünne Schnee- oder Eisschicht auf den nordseitigen Stufen, Platten und Rinnen. Dies erfordert mehr Aufmerksamkeit als die Kletterei in der Ostwand.
Nach 50 Minuten stehen wir auf dem Mittelgipfel.
Wir folgen dem Klettersteig weiter zum Hocheck und sehen wenig später das tief unten auf dem Sattel liegende Watzmannhaus.
Um 16:15 Uhr verlassen wir das Hocheck und steuern dem Watzmannhaus entgegen. Um 17:05 Uhr sind wir dort.
Eine große Cola habe ich schon weit vor dem Haus als Wunsch bestimmt; dazu einen Espresso, das wäre fein! Ich stehe vor der Theke und bestelle.
„Nur Spezi! Keine Cola, kein Espresso“ ist die mürrische Antwort des Herrn hinter dem Tresen. Die große Spezi mundet - aber hier werden wir nicht bleiben! Das Haus ist fast voll und die Atmosphäre ähnelt eher der eines Fernbahnhofes als einer Berghütte.
Um 17:30 Uhr geht es weiter abwärts. Um 19:10 Uhr erreichen wir die Kührointalm und um 20:06 Uhr entriegelt die Fernbedienung mit dem letzten Licht des Tages die Türen vom Auto. Rucksäcke fallen zu Boden und schmerzende Füße verlassen qualmende Bergstiefel.
2365 Höhenmeter auf und ab liegen nun nach 14 Stunden hinter uns.
 
Wir haben das Erlebte des Tages noch nicht realisiert;   ...dies wird ein paar Tage brauchen!
 
hgu am 13.September 2009
  
Bildbericht unter:        www.picasaweb.google.com/ueberberg/watzmann

Tourengänger: hgu


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Kommentare (2)


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marc1317 hat gesagt: Naaaa endlich....
Gesendet am 28. Januar 2010 um 20:13
Hoi hgu!

Glückwunsch zur Watzmann Ostwand!

Wollte letztes Jahr auch über denselben Weg auf die Südspitze, aber habe leider eine 3-tägige Schlechtwetterfront erwischt...

Schön, dass nun endlich der erste Bericht über die Wand hier bei hikr eingetragen ist!

Grüsse,

Marcel

Lechtaler hat gesagt: seilfrei ?
Gesendet am 28. Januar 2010 um 21:45
Hallo
Vorab- danke für den super bericht - der sehr gut wiederspiegelt - das es kein spatziergang ist !
seit ihr die ganze wand ohne seil gelaufen- weil ich einiges an kletterzubehör- am gurt gesichtet habe - aber auser am gipfelbild- kein seil gesichtet ?
die bilder sind auch sehr informativ ....
sollte die Kondi wieder mal etwas besser werden- träume ich auch mal von sowas....

LG - charly


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