Sengwarder Feuer
|
||||||||||||||||||||||||
![]() |
![]() |
Zwei Ex-Leuchttürme aus der Nähe betrachtet...
Wattwandern rund um Butjadingen ist weniger populär als beispielsweise an der Ostfriesischen Küste. Kein Wunder, denn es fehlen Inseln, zu denen man hinlaufen kann. Wenn man genauer hinschaut, findet man - vor allem zur Jade hin - aber doch eine Reihe von möglichen Zielen künstlichen Ursprungs, die durchaus empfehlenswert sind. Den aktiven Tossener Leuchtturm kenne ich bereits, diesmal soll es zu den beiden ehemaligen Sengwarder Leuchtfeuern gehen, die nach etwa einem halben Jahrhundert Betrieb in den 1960ern überflüssig geworden und gelöscht worden sind.
Näher an der Küste gelegen ist das ehemalige Oberfeuer, zu dessen großen Fundament auch geführte Wattwanderungen angeboten werden. Ich möchte aber auch einen Blick auf das weiter draußen stehende Ex-Unterfeuer (heutzutage noch ein schlankes Seezeichen) werfen, das gemäß der mir vorliegenden Infos unerreichbar auf einer kleinen "Watt-Insel" zwischen zwei Baljen direkt an der Grenze zum Jadefahrwasser steht.
Ich gehe gerne in Tossens los zum Wattwandern. Denn es gibt dort einen riesen Parkplatz, den man für (meiner Ansicht nach faire) € 4 pro Tag nutzen kann. Direkt daneben ist der Deich und jenseits beginnt bequemes Sandwatt. Übrigens findet man am nahen Friesenstrand auch einen Waschraum und ein Klo. Am Tag der Tour ist das Niedrigwasser morgens gehen 10 Uhr 10 angesagt, eine gute Tide, sonniges Wetter und leichter Ostwind versprechen überdurchschnittliche Bedingungen. Ich gehe gegen acht Uhr ins Watt und will drei Stunden später zurück sein - genug Zeit für die geplanten 9 Kilometer im Watt...
Natürlich möchte ich meinen neuen Kompass ausprobieren. Aber ach - bald bemerke ich eine inakzeptable Differenz (20 Grad) gegenüber der Kompass-App am Smartphone. Das kann nicht allein die Missweisung sein. Grumpf. Weil ich nicht weiß, ob jetzt der Magnetkompass stimmt oder die Kompass-App, nutze ich lieber GPS und die digitale Seekarte. Wenn man einige Meter geht, merkt man am GPS-Track recht schnell, ob die Richtung passt. Peilen üben kann ich auch noch später und woanders.
Jedenfalls komme ich nach einer halben Stunde an einen Priel, der auf beiden Seiten von Schlick- und Austernfeldern "bewacht" wird. Das Luftbild passt aber gut und ich finde eine günstige Stelle, um die Hindernisse zu überqueren. Danach laufe ich wieder über festes Sandwatt nach draußen.
Weil ich zuerst das Unterfeuer sehen will, bleibe ich nördlich des klotzigen Oberfeuer-Fundaments. Mein "Ziel" sei das Ufer der Sengwarder Balje, welche den Durchgang zum Unterfeuer etwa einen Kilometer Luftlinie vorher versperren wird. Tatsächlich erreiche ich an der angepeilten Stelle den Rand des Stroms. Ein kurzer Test bestätigt sofort, dass das Wasser zu Fuß unüberwindbar ist.
Aber etwas stimmt nicht. Die Balje hat keineswegs den erwarteten Verlauf. Laut Seekarte flösse sie nach Südwesten ab, aber das ehemalige Unterfeuer befindet sich im Nordwesten. Und die Balje hält genau darauf zu. Was bedeutet, dass ich parallel zu ihrem westlichen Ufer immer näher auf den Ex-Leuchtturm zuhalten kann. Weiter und weiter und weiter...
Irgendwann ist mir klar, dass sich das Unterfeuer nicht mehr nördlich der Sengwarder Balje befindet, sondern jetzt genau in ihr drin steht. Ich komme über eine Zunge aus Sandwatt bis auf etwa einhundert Meter an den Ex-Leuchtturm ran.
Und nun? Auf zum Angriff! Die Balje ist breit, aber vielleicht flach genug, um den Turm zu erreichen. Zuerst geht es einfach. Dann aber wird das Wasser tiefer. Und die Strömung stärker. Nur noch etwa 50 Meter, 40, 30...
Gut, dass ich einen Stock habe. Denn plötzlich sackt vor mir den Boden weg. Mist! Da hat sich ein Graben um das Bauwerk herum gefressen. Sofort wird klar, dass ich nicht weitergehen werde. Das Wasser geht mir eh schon bis über den Bauch und wer hier von der Strömung weggerissen wird, kommt irgendwann in England an.
Nicht so gut.
Also kehre ich ganze 20 Meter vor den Ex-Leuchtturm um, mache ein wackeliges Foto und fühle mich trotzdem einigermaßen zufrieden, als ich wieder auf dem trockenen Sandwatt stehe. Immerhin bin ich anstatt auf einen Kilometer bis auf 20 Meter an des Unterfeuer herangekommen.
Noch 45 Minuten verbleiben bis zum Niedrigwasser und es ist bei vernünftiger Planung dringend Zeit für den Rückweg. Natürlich könnte man jetzt pokern, warten, bis sich bei Niedrigwasser die Strömung in der Balje umkehrt und mit Glück das Ziel doch noch irgendwie zu erobern wäre. Ich lasse es sein. Lieber probiere ich es anderswann erneut, bei einer noch besseren Tide. Vielleicht verlagert sich die Balje auch weiter nach Norden, sodass das Ziel ohnehin einfacher erreichbar wird...? Die Stelle ist jedenfalls ziemlich cool, denn so nahe an den Jade-Weser-Port kommt man von dieser Seite sonst nicht zu Fuß.
Der Übergang zum Sengwarder Oberfeuer bzw. dessen Fundament ist simpel. Ich kann einfach Luftlinie drauf zulaufen und es gibt (erstaunlicherweise) überhaupt keine Hindernisse wie Priele, Schlick oder was weiß ich was noch. Natürlich tragen auch die guten Bedingungen ihren Teil dazu bei. Das Oberfeuer muss einst wesentlich mächtiger gewesen sein als das Unterfeuer. Jetzt ist es noch ein vier, fünf Meter hoher Klotz. Ich überlege kurz, hochzuklettern, lasse es dann aber sein, weil das Gemäuer erstens schmierig und zweitens stinkig ist. Naja...
Auf dem Rückweg ans Ufer verfehle ich den optimalen Weg, gerate zu weit südlich und muss mich erst mit einem anhänglichen Austern- und danach mit einem Schlickfeld herumärgern. Ernsthafte Probleme gibt es aber keine. Der vom Hinweg bekannte Priel ist - ein paar Minuten nach Niedrigwasser - dagegen kaum der Rede wert.
Ich bin pünklich zurück am Deich und blicke nochmals zurück aufs Watt und zu den beiden Zielen. Man kann sie sehen, aber schon das Oberfeuer scheint unerreichbar weit draußen zu stehen. Dennoch braucht ein geübter Wattwanderer nur eine gute Stunde dorthin. Es ist immer schwierig, Entfernungen in dieser eigenwilligen Landschaft einzuschätzen...
Ach ja, der Kompass. Ich habe zwischenzeitlich mal einen Kirchturm von einer definierten Stelle aus angepeilt und festgestellt, dass die Abweichung des Magnetkompasses zur Richtung der Geraden auf der Karte fast aufs Grad genau der zu erwartenden Missweisung (immerhin vier Grad) entspricht. Dagegen lag die App reproduzierbar über 15 Grad daneben.
Bei dem Magnetkompass wiederum ist blöd, dass er extrem empfindlich auf (ferromagnetiosches) Material reagiert. Es genügt schon, z. B. die Digitalkamera in der oberen Jackentasche zu haben, um ein paar Grad Fehler zu verursachen.
Immerhin weiß ich jetzt, wie ich mit dem edlen Teil (ein Plastimo IRIS 50) richtig umgehen muss. Trotzdem finde ich erstaunlich, wie schwierig das einigermaßen exakte Bestimmen der Himmelsrichtung selbst im 21. Jahrhundert noch ist...
Diese Wattwanderung ist meiner Meinung nach "technisch" nicht allzu schwierig, aber nur, wenn man NICHT in die Sengwarder Balje vor dem Unterfeuer hineinläuft. Achtung wegen der Tourenlänge von ca. elf Kilometern auf meiner Route. Auch könnten die äußeren veränderlichen und tiefliegenden Wattbereiche je nach Verhältnissen problematisch sein. Schuhe sind meiner Meinung nach ein Muss wegen der Austernfelder bei dem schlickigen Priel. Generell braucht es eine adäquate Vorbereitung (Gezeiten, Wetter, Zeitmanagement) und eine angemessene Ausrüstung (Karte, Kompass, Navi, sinnvolle Kleidung, Schuhe).
Gehzeiten
Tossens / Deich nördlich des Friesenstrands - nördlich am Oberfeuer vorbei - bis vor das Unterfeuer: 1 h 15 min
Versuch, das Unterfeuer durch die Balje zu erreichen: 10 min (VORSICHT!)
Unterfeuer - Oberfeuer: 25 min
Oberfeuer - Deich: 1 h
Fazit - bin weit gekommen und habe einiges dazugelernt
Wattwandern rund um Butjadingen ist weniger populär als beispielsweise an der Ostfriesischen Küste. Kein Wunder, denn es fehlen Inseln, zu denen man hinlaufen kann. Wenn man genauer hinschaut, findet man - vor allem zur Jade hin - aber doch eine Reihe von möglichen Zielen künstlichen Ursprungs, die durchaus empfehlenswert sind. Den aktiven Tossener Leuchtturm kenne ich bereits, diesmal soll es zu den beiden ehemaligen Sengwarder Leuchtfeuern gehen, die nach etwa einem halben Jahrhundert Betrieb in den 1960ern überflüssig geworden und gelöscht worden sind.
Näher an der Küste gelegen ist das ehemalige Oberfeuer, zu dessen großen Fundament auch geführte Wattwanderungen angeboten werden. Ich möchte aber auch einen Blick auf das weiter draußen stehende Ex-Unterfeuer (heutzutage noch ein schlankes Seezeichen) werfen, das gemäß der mir vorliegenden Infos unerreichbar auf einer kleinen "Watt-Insel" zwischen zwei Baljen direkt an der Grenze zum Jadefahrwasser steht.
Ich gehe gerne in Tossens los zum Wattwandern. Denn es gibt dort einen riesen Parkplatz, den man für (meiner Ansicht nach faire) € 4 pro Tag nutzen kann. Direkt daneben ist der Deich und jenseits beginnt bequemes Sandwatt. Übrigens findet man am nahen Friesenstrand auch einen Waschraum und ein Klo. Am Tag der Tour ist das Niedrigwasser morgens gehen 10 Uhr 10 angesagt, eine gute Tide, sonniges Wetter und leichter Ostwind versprechen überdurchschnittliche Bedingungen. Ich gehe gegen acht Uhr ins Watt und will drei Stunden später zurück sein - genug Zeit für die geplanten 9 Kilometer im Watt...
Natürlich möchte ich meinen neuen Kompass ausprobieren. Aber ach - bald bemerke ich eine inakzeptable Differenz (20 Grad) gegenüber der Kompass-App am Smartphone. Das kann nicht allein die Missweisung sein. Grumpf. Weil ich nicht weiß, ob jetzt der Magnetkompass stimmt oder die Kompass-App, nutze ich lieber GPS und die digitale Seekarte. Wenn man einige Meter geht, merkt man am GPS-Track recht schnell, ob die Richtung passt. Peilen üben kann ich auch noch später und woanders.
Jedenfalls komme ich nach einer halben Stunde an einen Priel, der auf beiden Seiten von Schlick- und Austernfeldern "bewacht" wird. Das Luftbild passt aber gut und ich finde eine günstige Stelle, um die Hindernisse zu überqueren. Danach laufe ich wieder über festes Sandwatt nach draußen.
Weil ich zuerst das Unterfeuer sehen will, bleibe ich nördlich des klotzigen Oberfeuer-Fundaments. Mein "Ziel" sei das Ufer der Sengwarder Balje, welche den Durchgang zum Unterfeuer etwa einen Kilometer Luftlinie vorher versperren wird. Tatsächlich erreiche ich an der angepeilten Stelle den Rand des Stroms. Ein kurzer Test bestätigt sofort, dass das Wasser zu Fuß unüberwindbar ist.
Aber etwas stimmt nicht. Die Balje hat keineswegs den erwarteten Verlauf. Laut Seekarte flösse sie nach Südwesten ab, aber das ehemalige Unterfeuer befindet sich im Nordwesten. Und die Balje hält genau darauf zu. Was bedeutet, dass ich parallel zu ihrem westlichen Ufer immer näher auf den Ex-Leuchtturm zuhalten kann. Weiter und weiter und weiter...
Irgendwann ist mir klar, dass sich das Unterfeuer nicht mehr nördlich der Sengwarder Balje befindet, sondern jetzt genau in ihr drin steht. Ich komme über eine Zunge aus Sandwatt bis auf etwa einhundert Meter an den Ex-Leuchtturm ran.
Und nun? Auf zum Angriff! Die Balje ist breit, aber vielleicht flach genug, um den Turm zu erreichen. Zuerst geht es einfach. Dann aber wird das Wasser tiefer. Und die Strömung stärker. Nur noch etwa 50 Meter, 40, 30...
Gut, dass ich einen Stock habe. Denn plötzlich sackt vor mir den Boden weg. Mist! Da hat sich ein Graben um das Bauwerk herum gefressen. Sofort wird klar, dass ich nicht weitergehen werde. Das Wasser geht mir eh schon bis über den Bauch und wer hier von der Strömung weggerissen wird, kommt irgendwann in England an.
Nicht so gut.
Also kehre ich ganze 20 Meter vor den Ex-Leuchtturm um, mache ein wackeliges Foto und fühle mich trotzdem einigermaßen zufrieden, als ich wieder auf dem trockenen Sandwatt stehe. Immerhin bin ich anstatt auf einen Kilometer bis auf 20 Meter an des Unterfeuer herangekommen.
Noch 45 Minuten verbleiben bis zum Niedrigwasser und es ist bei vernünftiger Planung dringend Zeit für den Rückweg. Natürlich könnte man jetzt pokern, warten, bis sich bei Niedrigwasser die Strömung in der Balje umkehrt und mit Glück das Ziel doch noch irgendwie zu erobern wäre. Ich lasse es sein. Lieber probiere ich es anderswann erneut, bei einer noch besseren Tide. Vielleicht verlagert sich die Balje auch weiter nach Norden, sodass das Ziel ohnehin einfacher erreichbar wird...? Die Stelle ist jedenfalls ziemlich cool, denn so nahe an den Jade-Weser-Port kommt man von dieser Seite sonst nicht zu Fuß.
Der Übergang zum Sengwarder Oberfeuer bzw. dessen Fundament ist simpel. Ich kann einfach Luftlinie drauf zulaufen und es gibt (erstaunlicherweise) überhaupt keine Hindernisse wie Priele, Schlick oder was weiß ich was noch. Natürlich tragen auch die guten Bedingungen ihren Teil dazu bei. Das Oberfeuer muss einst wesentlich mächtiger gewesen sein als das Unterfeuer. Jetzt ist es noch ein vier, fünf Meter hoher Klotz. Ich überlege kurz, hochzuklettern, lasse es dann aber sein, weil das Gemäuer erstens schmierig und zweitens stinkig ist. Naja...
Auf dem Rückweg ans Ufer verfehle ich den optimalen Weg, gerate zu weit südlich und muss mich erst mit einem anhänglichen Austern- und danach mit einem Schlickfeld herumärgern. Ernsthafte Probleme gibt es aber keine. Der vom Hinweg bekannte Priel ist - ein paar Minuten nach Niedrigwasser - dagegen kaum der Rede wert.
Ich bin pünklich zurück am Deich und blicke nochmals zurück aufs Watt und zu den beiden Zielen. Man kann sie sehen, aber schon das Oberfeuer scheint unerreichbar weit draußen zu stehen. Dennoch braucht ein geübter Wattwanderer nur eine gute Stunde dorthin. Es ist immer schwierig, Entfernungen in dieser eigenwilligen Landschaft einzuschätzen...
Ach ja, der Kompass. Ich habe zwischenzeitlich mal einen Kirchturm von einer definierten Stelle aus angepeilt und festgestellt, dass die Abweichung des Magnetkompasses zur Richtung der Geraden auf der Karte fast aufs Grad genau der zu erwartenden Missweisung (immerhin vier Grad) entspricht. Dagegen lag die App reproduzierbar über 15 Grad daneben.
Bei dem Magnetkompass wiederum ist blöd, dass er extrem empfindlich auf (ferromagnetiosches) Material reagiert. Es genügt schon, z. B. die Digitalkamera in der oberen Jackentasche zu haben, um ein paar Grad Fehler zu verursachen.
Immerhin weiß ich jetzt, wie ich mit dem edlen Teil (ein Plastimo IRIS 50) richtig umgehen muss. Trotzdem finde ich erstaunlich, wie schwierig das einigermaßen exakte Bestimmen der Himmelsrichtung selbst im 21. Jahrhundert noch ist...
Diese Wattwanderung ist meiner Meinung nach "technisch" nicht allzu schwierig, aber nur, wenn man NICHT in die Sengwarder Balje vor dem Unterfeuer hineinläuft. Achtung wegen der Tourenlänge von ca. elf Kilometern auf meiner Route. Auch könnten die äußeren veränderlichen und tiefliegenden Wattbereiche je nach Verhältnissen problematisch sein. Schuhe sind meiner Meinung nach ein Muss wegen der Austernfelder bei dem schlickigen Priel. Generell braucht es eine adäquate Vorbereitung (Gezeiten, Wetter, Zeitmanagement) und eine angemessene Ausrüstung (Karte, Kompass, Navi, sinnvolle Kleidung, Schuhe).
Gehzeiten
Tossens / Deich nördlich des Friesenstrands - nördlich am Oberfeuer vorbei - bis vor das Unterfeuer: 1 h 15 min
Versuch, das Unterfeuer durch die Balje zu erreichen: 10 min (VORSICHT!)
Unterfeuer - Oberfeuer: 25 min
Oberfeuer - Deich: 1 h
Fazit - bin weit gekommen und habe einiges dazugelernt
Hike partners:
Bergmax

Minimap
0Km
Click to draw, click on the last point to end drawing
Comments (4)