360° Arnensee


Publiziert von Bergamotte , 3. Juni 2023 um 17:40.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Saanenland
Tour Datum: 1 Juni 2023
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-VD 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 2850 m
Abstieg: 2850 m
Strecke:27km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Feutersoey, Dorf / Parkplatz Grundbrügg
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Grund b. Gstaad, Klösterli
Kartennummer:1265 / 1266

Die Idee einer Grattour rund um den Arnensee trage ich schon eine Weile mit mir rum, dem famosen Bericht von lorenzo sei Dank. Diesen Winter hat es immerhin zu einer Interpretation auf *Skiern gereicht - und ich war begeistert. Bis zum Witteberghore ist die Routenführung in etwa vergleichbar und die Herausforderung primär konditioneller Natur. Das abschliessende Herzstück über Furggespitz und Staldehörner bleibt hingegen dem ambitionierten Alpinwanderer vorbehalten. Eines steht fest: Läge der Arnensee nicht zuhinterst im Saanenland, bekäme die Rundtour ihre verdiente Aufmerksamkeit.

Die ebenso obligate wie mühselige Bettflucht vor grossen Touren lässt mich bereits um 5:15 von der Grundbrügg kurz vor Feutersoey (1131m) loslaufen. Gut, angesichts von Pensum und erhöhter Gewittergefahr im Tagesverlauf sicher nicht verkehrt. Noch friere ich in meinem dünnen Wanderhemd. Später werden mich milde, angenehme Temperaturen begleiten, ideale Bedingungen also für diese Konditour. Die drei Liter Flüssigkeit werde ich nicht ausschöpfen.

Nach 15-minütiger Aufwärmrunde der Hauptstrasse und dem Tschärzisbach entlang beginnt der Erstaufstieg zum Walighüreli (2050m). Der Wanderweg über Vordere Walig vollzieht einen ineffizienten Schlenker, schneller geht's nordseitig via Hindere Walig, zuletzt frei über Weidegelände. Und so wird's den ganzen Tag weitergehen: Wanderwege werden mehrmals gekreuzt, aber nicht verfolgt. Der Übergang via Blattistand (2019m) zum Stuedelistand (2028m) durch locker bewaldetes Gelände ist schnell geschafft. Auch der Unbill im anschliessenden Abstieg über den verwachsenen SW-Grat hält sich dank Wildspuren in Grenzen. Das gilt natürlich nur im Sommer, mit den Skiern sollte man unbedingt die Finger davon lassen.

Der Abstieg vom Seeberghore (2071m) - ebenfalls kein Skigelände - erfordert einen ersten, schüchternen Einsatz der Hände. Gleiches gilt für den Wiederaufstieg vom Col de Voré (1918m) zum namenlosen Felskopf P. 2058 sowie den Schlussaufschwung an La Palette (2170m), kurze Stellen T4. Der Gipfel markiert den südlichen Kulminationspunkt der Rundtour, doch vor Ort wird jedem klar sein, dass man noch nirgends ist. Also ohne Pause weiter - ausnahmsweise kurz dem Wanderweg entlang - in den Col des Andérets (2030m) und über den breiten Grasrücken zur Floriette (2199m) hoch. Die folgende Passage über den felsigen First des Arnehorns (2211m) übersteigt kaum gehobenes Gehgelände, weshalb ich ihn auch im Winter problemlos begehen konnte. Der Bohrhaken auf der Nordseite wirkt da eher dekorativ. Zeit für eine 20-minütige (leicht verfrühte) Halbzeitpause; dabei immer wieder der aufmerksame Blick nach Westen zu den "Trois T" - ist vorgemerkt, danke Zaza.

Zügiger Abstieg über Schneefelder ins Fenêtre d'Arnon (1885m) und einer steilen, verwachsenen Spur folgend in direkter Linie zur Tête de Clé (2015m) hoch. Im Winter hatte ich diesen Abschnitt weit charmanter und angenehmer erlebt. Höchste Zeit für einen ersten alpinistischen Höhepunkt also: der SW-Grat am Arnätschistand (2097m). Der markante Pfeiler lässt sich direkt erklettern (II), ist aber brüchig und recht ausgesetzt. Wer hier bereits an seine Grenzen stösst, hat immerhin die Gewissheit, ob er den Staldenflüe gewachsen ist. Bei mir besteht diesbezüglich noch Hoffnung... Der Südgrat am Witteberghore (2350m) wiederum präsentiert sich überraschend harmlos, das ginge auch im Winter. Der Gipfel markiert einen weiteren Richtungswechsel sowie den höchsten Punkt der Tour. Vor allem aber läutet er das alpinistische Herzstück ein. Einen kurzen, themenfremden Abstecher Richtung Rots Hore breche ich in der Hälfte ab, der Zeitverlust scheint mir doch zu gross.

Kurz nach der Seilrichti gelange ich zu einem ersten Felspfeiler, welchen ich direkt erklettere (II). Das folgende, dominantere Felsriff umgehe ich links (nordseitig) durch Steilgras (1 BH mit Schlinge), bei Nässe heikel. Anschliessend in anregender Kletterkraxelei in Gratnähe zum Furggespitz (2296m). Gegenabstieg in den nicht-kotierten Sattel vor dem Staldehore (2262m). Die steile Westflanke wird auf offensichtlicher Route durch eine Grasrinne gewonnen, T5, kurze Stelle T6-. Der Gipfel mit Kreuz bietet übrigens eine recht gute Sicht auf Gstaad. Aber meine Aufmerksamkeit gilt dem heutigen Pièce de Résistance, dem Staldenflüe-Westgrat. Was erwartet mich in diesem Abschnitt, der sogar einem lorenzo Respekt einflösst!? Danke übrigens für das formidable Topo. Wobei, die Routenfindung ist - auch dank verschiedenen Bohrhaken, teils mit Schlingen - recht offensichtlich. Die kurze, äusserst luftige Kletterei am oberen Gendarm wurde mittlerweile durch ein Seil entschärft. Man wird älter, vernünftiger und nimmt Hilfe mittlerweile gerne in Anspruch. Ich muss (mir) nichts mehr beweisen nach Dutzenden von T6-Husarenritten. Und ja, ich habe den Aufstieg genossen: eine saftige, ausgesetzte T6 und Kletterei bis II+ - genau mein Beuteschema. So was verlernt man nicht während einer Winterpause. Die Fortsetzung ab Staldenflüe P. 2249 zu P. 2163 bietet keine Schwierigkeiten mehr.

Wenig später treffe ich, etwas überrascht, auf einen Älpler, der Vorbereitungen für seine Schafherde trifft. Wo er die wohl hochführt? Auf jeden Fall ist mir sein Respekt gewiss, als ich seine gebrummelte Frage "oben durch?" bejahen kann... Ich bleibe dem Tagesmotto treu und folge dem Grat weiter zum (nördlichen) Staldehore (1997m): den verwachsenen, wenig markanten Felskopf muss man nicht gesehen haben. Und jetzt bitte gemütlicher Abstieg über einen Wanderweg zurück ins Tal - aber leider nein. Der verbleibende Gratabschnitt bis zum Weg auf ca. 1740m hat es in sich: stark verwachsen, rechtsseitig abbrechend, linksseitig Steilwald. Man ist versucht, sich in die Westflanke abdrängen zu lassen; vor grösseren Umgehungen sollte man jedoch absehen. Auf jeden Fall stecke ich weiterhin tief in der T5. Unten raus weitet sich der Grat allmählich und stellenweise sind schwache Spuren vorhanden.

Nach Erreichen des erwähnten Weges auf 1740m beginnt die längere Auslaufphase durch den Wangers Wald. Es geht hier sehr gemütlich zu und her... etwas mehr Gefälle wäre durchaus angebracht. So "muss" ich stellenweise weglos abkürzen, Humpelknie hin oder her. Nach ziemlich genau 8:30 und mit ersten Regentropfen erreiche ich wieder den Ausgangspunkt. Ach, wie habe ich Euch Grattouren vermisst!


Zeiten (kum)
1:35  Walighüreli
2:40  Seeberghore
3:30  La Palette
4:00  Arnehore (+20min Pause)
4:55  Arnätschistand
5:45  Witteberghore
6:55  Staldehore (P. 2249)
7:40  Staldehore (P. 1997)
8:30  Grundbrügg

Tourengänger: Bergamotte
Communities: T6


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Kommentare (8)


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Zaza hat gesagt:
Gesendet am 4. Juni 2023 um 10:55
Gratuliere, da scheinen die Knie ja wieder hergerichtet zu sein! Die Version von Hurluberlu ist zwar weniger elegant, aber dafür wohl mit anhaltendener Schwierigkeit.

Die Staldenflüe haben im Saanenland durchaus eine gewisse Bekanntheit - sogar mein Grossvater, der sonst mehr dem Carlsberg zugeneigt war, sprach davon jeweils mit Respekt und von allerhand Abstürzen.

schnafler hat gesagt:
Gesendet am 13. Juni 2023 um 16:05
Gratuliere! Habe diese Route vor drei Jahren auch gemacht. Und dann später mal, mit dem Gleitschirm auf dem Rücken, den Grat vom vorderen Staldehore (1997m) zum eigentlichen Staldehore in umgekehrter Richtung auch - fürchterlich verwachsen und unlohnend, genau wie du schreibst. Von deiner Arneseerunde her kommend verlässt man besser den Grat nach dem ersten Staldehore etwa beim Punkt 2163 - unterhalb des Grates, parallel zu ihm, hat es da recht gäbige Pfadspuren. Vorbei an alten Lawinenschutzmäuerchen, die polnische Internierte gebaut haben im Zweiten Weltkrieg, geht es langsrum runter und dann steil rechts nach Primelod und zum Wanderweg ins Tal.... Gruss!

Bergamotte hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. Juni 2023 um 16:31
Sali Roli
Danke für Deine Anmerkungen. Diese verleihen den Hikr-Berichten erst die gewisse Würze. So ist mir natürlich auch Dein Austausch mit lorenzo nicht verborgen geblieben. Bist Du immer noch - aus den dort erwähnten Gründen - so häufig im Saanenland?
Grüsse

schnafler hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. Juni 2023 um 20:45
Hoi Bergamotte - nein, ich bin seit zweieinhalb Jahren wieder in Zürich. Da gibt es auch schöne Berge:-)
PS: Dass an der Staldeflüe jetzt offenbar ein Fixseil hängt, finde ich übrigens nicht ganz so zwingend. Bin aber natürlich kein Fundi. Jedenfalls habe ich vor drei Jahren einen befreundeten lokalen Führer beim Setzen der Bohrhaken dort und am Furggespitz assistiert.

Bergamotte hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. Juni 2023 um 11:27
Also im ersten Moment hat das Fixseil auch etwas Enttäuschung ausgelöst bei mir.

Aus reiner Neugier: Was motiviert einen Bergführer, an solchen Stellen BH zu setzen? Geht er da etwa regelmässig mit Gästen drüber?

schnafler hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. Juni 2023 um 13:55
Tja, ob BH an solche Stellen gehören, da kann man drüber streiten. Ich finde es jedoch ohne Weiteres vertretbar; sonst hätte ich auch nicht assistiert. Aber dann ein Fixseil reinzuhängen (was sicher nicht der besagte Führer gemacht hat): Das ist schon was anderes, finde ich. Das macht die Passagen quasi zu einem Klettersteig. Sind nur Bohrhaken da, muss man, ist man nicht eh alleine und seilfrei unterwegs, immerhin noch vorsteigen können und die Seilhandhabung beherrschen. Der Aufschwung an der Staldeflüe ist auch mit den zwei drei Bohrhaken zimmli tough, vor allem wenn das Gras nass ist, habe ich jedenfalls gefunden...

Bergamotte hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. Juni 2023 um 15:58
Also ich wollte die Frage nicht als Kritik an den Bohrhaken verstanden haben. Man braucht sie ja nicht benutzen.

Mich nimmt mehr Wunder, für WEN dein BF-Kollege sie überhaupt gesetzt hat: für Kundschaft? Und falls ja, gibt es tatsächlich Kunden, die sich für solche Touren interessieren? Weisst Du hier was drüber?

Davon abgesehen würde ich vermuten, dass Berggänger, die solches Gelände und / oder solche No-Name Gipfel mögen (wie eben ich, Lorenzo oder Zaza), für gewöhnlich frei unterwegs sind.

schnafler hat gesagt: RE:
Gesendet am 20. Juni 2023 um 19:00
Ja, es gibt dort in der Gegend tatsächlich gewisse Kunden ("lokale Kunden" wäre doppelt gemoppelt), welche eben fürs Leben gerne einmal über alle ihre Vor-der-Haustür-Höger machen wollen, möglichst ohne ihr Leben dabei zu verlieren - und um diese enthusiastischen, aber nicht ganz so trittsicher wie ein Bergamotte oder Zaza oder Lorenzo sich bewegenden Gänger*innen einigermassen unbeschadet über Furggespitz und Staldeflüe zu bringen, hat besagter BF eben ein paar Bohrhaken angebracht. Vor der Bohraktion hat er die letzten drei Gipfel einmal mit einer mindestens 10-er-Gruppe überstiegen - ich habe abenteuerliche Fotos gesehen von dieser ellenlangen Zehnerseilschaft, ein beeindruckender Tatzelwurm, der durchs T6-Gelände kriecht:-), es sah ein bisschen gefährlich aus; aber so ticken eben die Gsteiger und Feutersoeyer und Gstaader*innen.
Aber schon klar - damit wird der BF alles andere als reich, das macht er vielleicht ein Mal pro Jahr. Und überhaupt und sowieso: Die GANZE Arnesee-Runde bleibt der klitzekleinen athletischen Elite innerhalb der Menschheit vorbehalten, welche dieser ausgewachsenen Monstertour sowohl technisch und psychisch als auch vor allem konditionell gewachsen sind.:-)
Mit diesem arg übertriebenen Fazit endet meine Antwort, die nichts anderes als weitere Fragen provozieren will...


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