Großer Rautkofel 2826m - Insider und Außenseiter


Publiziert von georgb , 3. September 2022 um 20:54.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum: 2 September 2022
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1550 m
Abstieg: 1550 m

Es gibt außer mir noch jemanden, der sich für den Großen Rautkofel interessiert, immerhin. Aber bevor mich Ewald mitnimmt, will er sich den Rautkofel selber "zurechtlegen". Insgesamt viermal war er oben, hat die beste Linie erkundet, Stände gebohrt und Sicherungen gelegt. Als Bergführer hat er das ganze Knowhow und natürlich seinen Stolz, er will den Gipfel zunächst alleine erobern.
Der Große Rautkofel ist ein Phänomen, ein markanter Berg, von überall zu sehen, mittendrin in den Sextener Dolomiten, aber trotzdem ein Außenseiter, Informationen gibt es zu ihm keine. Der einzige Hinweis findet sich in Goedekes Uraltführer "Vermutlich vom Schwalbenjöchl über die Südseite im 3. Grad". So ist es tatsächlich, aber ein paar mehr Details könnten nicht schaden.
Ewald hat ganze Arbeit geleistet, er kennt den Normalweg inzwischen wie seine Westentasche und heute darf ich ihn endlich zu "seinem" Berg begleiten. Wenn er mir diesen Gipfel zutraut, dann werde ich schon hinaufkommen!? Über den 3. Grad geht es angeblich nicht hinaus, ein wenig brüchig sei es, erklärt er mir, ausgeputzt ist so eine Route natürlich nicht. Nur gelegentlich steigen ein paar Insider dort oben herum.
Schon der Zustieg durch das wilde Bulltal ist abenteuerlich, der alte Steig ist längst verfallen und abgerissen, heute steigt man direkt in der Schlucht an, über Block und Stein. Es folgt ein Stück durch Latschen und dann öffnet sich der Blick auf die Rautkofelgruppe und die Geröllriese zum Schwalbenjöchl. Im Aufstieg ist sie eine Herausforderung, hier hilft kein Steig und keine Spur, irgendwie quälen wir uns durch das steile, haltlose Geröll.
Nach diesem Kraftakt stehen wir am Schwalbenjöchl direkt unter dem Großen Rautkofel, schnaufen kurz durch und steigen ein Stück in der Südflanke ab zum Einstieg. Zwei Rinnen ziehen aufwärts, die linke hat Ewald als machbar befunden und schon steigt er leichtfüßig voran. Was bei ihm spielerisch aussieht, ist für mich höchste Konzentration. Ich klemme mich durch eine Engstelle, spreize Kamine und suche in ausgesetzten Wänden nach Griffen. Als Nachsteiger halb so wild, trotzdem ist es III+ und ich will mich ja nicht blamieren.
Erschwerend kommt die Brüchigkeit des Gesteins hinzu, Ewald fühlt sich selbst in diesem Gelände wohl, steigt sicher voraus und ich vertrauensvoll hinterher. Mit der Kaminreihe sind die technischen Schwierigkeiten zwar gemeistert, doch die folgende ausgesetzte Querung auf splittrigem Untergrund zum Gipfelaufbau ist nicht jedermanns Geschmack, bei seinem ersten Versuch ist sogar Ewald hier umgedreht! Inzwischen hat er eine Sicherungsschlinge angebracht, im Falle!
Der finale Hang ist ein Spaziergang und wir stehen auf einem der exklusivsten Gipfel der Sextner Dolomiten, Danke Ewald! Die Gipfelbuchbox liegt noch unberührt vom letzten Jahr, wir sind der zweite Eintrag. Trotzdem findem wir Begehungsspuren und eine fremde Schlinge, es waren auch noch andere Außenseiter hier. Wir steigen zufrieden zurück, mit der nötigen Konzentration bei jedem Tritt und die beiden Kaminreihen seilen wir jeweils 15 Meter ab. Mit Ewalds Sicherheit und Routine kommen wir entspannt am Einstieg an und gratulieren uns gegenseitig.
Kurz denken wir über den Rautkofelsteig nach, aber der schnellere Abstieg führt wieder zurück zum Schwalbenjöchl und durch das Geröll ins Bulltal, schließlich wollen wir ja am Dürrensee noch auf die Tour anstoßen.
Ewald stürzt sich in den Hang und joggt abwärts als gäbe es kein Morgen. Ich komme kaum hinterher, dabei ist das doch meine Disziplin. Das Geröll lässt sich gut abfahren, nur zum Schuheentleeren müssen wir gelegentlich halten. So stehen wir in Windeseile am Parkplatz und es bleibt noch genügend Zeit für ein Stück Kuchen auf der Terrasse. Es war unsere erste gemeinsame Insiderbergtour, aber es könnten noch weitere folgen.


Tourengänger: georgb


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Kommentare (5)


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Menek hat gesagt:
Gesendet am 5. September 2022 um 11:42
gran giro. le Dolomiti non hanno segreti x Georg.
Menek

teobechr hat gesagt:
Gesendet am 5. September 2022 um 19:16
Noch so einer, der sich fuer DIE Rautkofel ( grosser, mittlerer, westlicher) interessiert ;-)
Sind die Kamine recht ausgesetzt bzw. sind sie im Aufstieg seilfrei vertretbar? Gruesse

georgb hat gesagt:
Gesendet am 5. September 2022 um 20:13
Für mich nicht seilfrei vertretbar, für andere Gehgelände!? Sag bloß, es gibt noch Gipfel im Pustertal, wo du noch nicht warst ;-))

teobechr hat gesagt:
Gesendet am 6. September 2022 um 11:28
nicht viele, aber doch.... ;-)))))

georgb hat gesagt:
Gesendet am 7. September 2022 um 13:19
Wenn ihn nichtmal teobechr bestiegen hat, macht das den großen Rautkofel noch exklusiver!


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