Riesernockscharte 2909m - Viel Bewegung oder Das Herz der Rieserferner


Publiziert von georgb , 22. Juli 2022 um 09:32.

Region: Welt » Terra Incognita
Tour Datum:19 Juli 2022
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1600 m

Bei dem herrlichen Bergwetter und den unerträglichen Temperaturen im Tal ist ein wenig Bewegung in der Höhe angebracht. Es zieht mich wieder mal in die Rieserferner, genauer gesagt ins Herz der Rieserferner, zur Kassler Hütte. Ich nähere mich ihr auf Umwegen und steige zunächst an der Bacheralm vorbei ins Ursprungtal.
Viel Bewegung herrscht hier nicht, erst auf dem Hartdegenweg kommt mir eine einsame Wandererin entgegen. Nach dem Abzweig Richtung Barmerspitze herrscht sowieso absolute Ruhe, im Sommer trifft man hier keine Menschenseele, nur die Bäche rauschen und tragen das Wasser der Gletscher zu Tal. Mehr als Toteis sind die Ferner hier leider nicht mehr, laut Definition bewegt sich ein Gletscher talwärts und das tun sie lange nicht mehr.
Ich ziehe weiter und halte Ausschau nach der Riesernockscharte, meinem heutigen Tagesziel. Dort in der Nähe verlief der ursprüngliche Hartdegenweg, er wurde einst angelegt als Verbindungsweg zwischen Kassler und Barmer Hütte. Diese Zeiten sind schon lange Geschichte und kaum jemand weiß überhaupt davon.
Statt der Scharte sticht mir aber bald etwas ganz anderes ins Auge, auf einem Nebengipfel des Riesernocks hat man vor wenigen Jahren eine Wetterstation und webcam errichtet. Das Metallungetüm ist nicht zu übersehen und natürlich will ich es aus der Nähe betrachten.
Von der Riesernockscharte auf 2909m ist es über einen einfachen Grat (I) erreichbar. Ich stelle mich unter die webcam und bin versucht einen Stock ins Bild zu halten, damit ich im Archiv des Bozner Wetterdienstes verewigt werde ;-) Stattdessen denke ich über Abstiegsmöglichkeiten Richtung Westen nach, denn von der Riesernockscharte führt kein Weg hinab. Die einzige Möglichkeit für einen vertretbaren Abstieg liegt weiter südlich am Kamm, also muss ich dahin.
Der aus der Ferne so einfach scheinende Kamm entpuppt sich als durchaus anspruchsvoll. Bleibt man auf der Grathöhe stehen einige ausgesetzte Stellen im 2. Grad im Weg und es zieht sich, bis ich den höchsten Punkt auf exakt 3000m erreicht habe. Viel Bewegung nicht nur von mir, auch die Platten unter meinen Füßen bewegen sich unheimlich. Immer wieder schaukelt und rumpelt es beim Darauftreten und ich schrecke zusammen. Die Felsen sind nicht mehr vertrauenserweckend, ist das auch eine Folge der Klimaerwärmung?
Am Ende des Grats lasse ich mich zur Siesta nieder und staune in die Hochgallnordwand. Trotz des Glescherrückgangs immer noch ein grandioser Anblick und immerhin gibt es inzwischen darunter den beeindruckenden neu entstandenen Hochgallsee.
Ich reiße mich los und taste mich in die Westflanke, hier verlief vor hundert Jahren der alte Hartdegenweg, es werden sich doch wohl noch angedeutete Reste davon finden!? Schon bei den ersten Schritten wird mir mulmig, jeder zweite Stein bewegt sich und immer wieder rutschen ganze Platten neben mir ab, sehr ungutes Gelände! Ich schleiche mich durch die Steinwüste und bete, dass mir keiner der Steine auf die Füße fällt oder sonst wohin. Von dem alten Steig ist kein Hauch mehr zu erkennen und ich steige frei Schnauze, bzw. wohin mich der Hang trägt.
Selten habe ich ein so instabiles Gelände erlebt wie hier, kein Wunder, dass der alte Hartdegenweg nicht mal mehr zu erahnen ist, wo sich die Steine schon beim Hinschauen bewegen. Im Nachhinein wird mir klar, dass es vor 100 Jahren ein reiner Gletscherweg war und deshalb heute davon keine Spur mehr übrig ist, ich rate von einer Begehung dringend ab! Erst unter dem Riesernock treffe ich auf vereinzelte Steinmänner, Erleichterung setzt ein, der Rest ist Formsache. Bald stehe ich am Hartdegenweg, wie man ihn später angelegt hat (von den Kofler Almen zur Kassler Hütte) und trabe dem Weißbier entgegen.
Ich suche ein nettes Plätzchen im Schatten und lasse es mir gutgehen. Die altehrwürdige Hütte gehört nach wie vor zu meinen Lieblingsplätzen, trotz des Touristenrummels hat man hier die Qualität hoch und die Preise vernünftig gehalten, sehr sympathisch. Arnold und Silvia leisten seit Jahrzehnten gute Arbeit und das Land Südtirol hat inzwischen eine längst fällige Renovierung, bzw. Erneuerung bewilligt. Nach ausgiebiger Rast verlasse ich das "Herz" der Rieserferner und tapse zufrieden hinab zur Säge.

Tourengänger: georgb


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