Kurzbericht 

Molto Benewand


Publiziert von ZvB , 1. Juni 2021 um 21:21.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Bayrische Voralpen
Tour Datum:30 Mai 2021
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 9:30
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1600 m
Strecke:23,0 km
Kartennummer:UK 50-52

Sein einiger Zeit steht schon 'Benewand von Süden' auf dem Zettel. Das könnte jetzt schon schneefrei gehen. Zur Vorbereitung blättere ich in alten Tourenbüchern, um festzustellen, wann ich das letzte Mal dort oben war. Als ich bei 1991 und 1990 auch nicht fündig werde, wachsen mir schon Schweißperlen auf der Stirn. Und da endlich, da steht es:"12.06.1989: Über die Nordwand (II) von der Tutzinger Hütte, Olli führt. Oben noch viel Schnee, Abstieg rutschig."  Wirklich, ist das schon so lange her? Ich hätte schwören können, dass ...

Eigentlich soll das Wetter ganz gut werden, aber was heißt das schon heutzutage? Am Parkplatz herrschen frische 3°C. Mit Mütze und Handschuhen watschel ich los in den Spätfrühlingstag.
Heute ist sogar ein Tele im Gepäck, weil es an, auf und um die Benewand herum schließlich Steinböcke geben soll. Weil heute ja ein sonniger Sonntag werden soll wähle ich die FUJI COLOR PRO 400H-Filmsimulation. Ein perfekt geplantes 'Unternehmen Capricorn'! (Wer kennt den Film? Ja, danke, ein Kommentar ist nicht erforderlich. Nein, auch gut. Nicht per Kommentar fragen, das lässt sich in wikipedia.de nachlesen.)

Schön, weiter auf die Benewand. Bei den kühlen Temperaturen geht das sogar schneller als es sich zunächst anfühlt. An der Bichler Alm zieht eine dünne Rauchfahne aus dem Schornstein in den noch klaren Himmel. Noch klar? Ja, aber nicht mehr lange. Die Sonne treibt Nebel aus den nassen Wiesen und Wäldern. Ich biege in den Altweibersteig ein und fühle mich gleich wieder jung. Bei dem ganzen Brimborium aus Warn- und Hinweisschildern wird einem schon ganz angst und bange vor dem Altweibersteig. Letztendlich gibt es ein einziges kurzes Seil und das war es auch schon. Danach legt sich der Pfad schon wieder zurück, berührt kurz einen Schneeflecken und führt durch Latschen rasch zum Gipfel.

Kurz vor 08:00 Uhr auf dem Gipfel der Benewand. Allein? Von wegen! Die Biwakhütte ist belegt und deren Wände wackeln im Takt des Schnarchers. In einem Zelt neben flüstert man so angestrengt, dass es fast schon wieder laut ist. Ein Pärchen klaut mir meinen mit dem Rucksack reservierten Sitzplatz am Gipfelkreuz. Beim nächsten Mal nehme ich ein großes Badetuch mit, basta. Als ich dann auch noch Frauenstimmen vernehme, die erst 10 Minuten später einzelnen Personen zuordnen kann, wird kalr, dass das 'Unternehmen Capricorn' schon zum Scheitern verurteilt ist. Als Steinbock hätte ich bei so vielen Leuten auch keinen Bock hierher zu kommen...

Nebelschwaden ziehen über den Gipfel. Quellwolken werfen Schatten auf die Landschaft. Vielleicht wirds ja später noch besser. Wie also jetzt weiter? Abstieg über die Glaswandscharte oder doch in weitem Bogen über die Achselköpfe zurück in die Jachenau? Man muss dem Wetter room for improvement geben, also der große Bogen. Beim anfänglichen Schneefeld denke ich mir noch nichts Böses...

Eine Stunde später. Jetzt denke ich mir doch etwas Böses. Die Schneemenge übersteigt alle Erwartungen. Apere Stellen sind nass und schmierig. Genußwandern geht anders. Das Wetter ist auch nichts Halbes und nichts Ganzes. Die ausgewählte Filmsimulation kommt nicht mit dem enormen Dynamikumfang von dichtem Nebel bis blendend weißem Schnee nicht klar. (Muss ich mir mal merken.)

Im Feichtecksattel begegne ich einem Pärchen. Wie das eben so ist, ich bin nicht nur klug, sondern sehe auch so aus, und bekomme Prompt eine Frage gestellt. "Ist das letzte Schneefeld gefährlich?" Ich verziehe die Schnute, weil die Frage ja so nicht ganz präzise ist. Die junge Frau erkennt in meiner Grimasse jedoch eher eine abschreckende Warnung vor dem letzten Schneefeld und ist schon den Tränen nahe. Mit "wenn man nicht ausrutscht, dann ist es auch nicht sehr gefährlich" kann ich die Stimmung gerade noch so retten...

Auch ich hoffe bald auf das letzte Schneefeld zu treffen. Mit einem bisschen gutem Willen und alten Skiern wäre dann jedoch fast noch die Idealhangabfahrt möglich...

Ich biege rechts ab und schließe gedanklich schon mit dem großen Bogen zurück in die Jachenau ab. So ein rechter Eilmarsch will es denn doch nicht werden. Der Weg ist rumpelig und wird vermutlich seltener begangen. Und dann steht er vor mir, der Gegenanstieg. Nochmal 180m in die Höhe. Ich muss dreimal anhalten, um die schöne Landschaft zu bewundern, dann erst sehe ich wieder die Südflanke der Benewand, im Schatten einer riesigen Quellwolke...

Da, nein, doch, Steinböcke? Ach, doch nur Gemsen. 'Unternehmen Capricorn' ist endgültig gescheitert, aber der Hauptdarsteller lebt immerhin noch...

Kurz vor Erreichen des sicheren Parkplatzes spricht mich noch die Chefin einer langezogen dahintrottenden, asiatischen Familie an. Man fragt mich ja so gerne was! ("Hasse mal n' Euro?", "Wo Zuch zu Fluchawen?").
"Wie weit es denn noch bis zul Benedickenwand sei", möchte man wissen. Mit der Antwort "7 km und 1.000 Hm" kann sie nichts anfangen. "Und wie lange dauelt?" "Äh, sichel noch dlei Stunden!" Abel davon haben sie sich auch nicht mehl abschlecken lassen...

Tourengänger: ZvB


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