Sturm und Drang

 
Es hat wohl einmal etwas anderes bedeutet, bei mir ist es heute eher Drang und Sturm. Es ist nämlich der Drang, im Sturm herumlaufen zu wollen. Natürlich gibt es daneben auch noch einen unterliegenden Grund, aber über den schweige ich mich fein aus.
 
Es soll den ganzen Tag stürmisch sein. Das ist es. Von Alkmaar nach Bergen, von Bergen nach Bergen aan Zee – und dazwischen auf allen Abwegen, die rojosuiza sich heute er-geht. Es stürmt, heftig und heftiger, wenn der Wind frei Zugang hat; windstill, wenn der Weitwanderer sich verläuft und im Sandwogenmeer in einer Kuhle landet
 
Die Covid-Sperren sind zum Teil aufgehoben worden. rojosuiza darf in Bergen sogar Kaffee trinken, aber nur im Gartenrestaurant. Drinnen sein darf er nicht. Also sucht er sich ein Café, wo es doch etwas windgeschützt ist. Er endet im ‚Huis met de Pilaren‘, nachdem er erst die Ruinenkirche ganz umrundet hat, um sicher zu sein, dass es dieser Ort werden müsste.
 
Bergen heisst nicht für nichts Bergen. Noordholland liegt tief, sehr tief sogar. Aber diese Stelle an der Küste ist regelrecht gebirgig. Die alten Dünen, immer noch aus Sand natürlich, aber sein Jahrhunderten begrünt und bewaldet, erheben sich hoch, haushoch über Normal-Null, in Holland NAP, Nieuw Amsterdams Peil. An den aller-  allerhöchsten Stellen kann der Wind dem Waldwuchs einen Riegel schieben, und dort tritt der Sand wieder deutlich hervor. Hier stiebt es heute nur so, ist der Sturm Herr und Meister.
 
Wenig später sieht rojosuiza die Familienidylle. Stute und Fohlen, nichts, wovor man sich fürchten müsste, aber bei diesen wilden Pferden ist der Hengst auch dabei. Den will man sich nicht zum Feind machen. Also schleicht man still vorüber und atmet erst auf, wenn man ausserhalb des Bereiches von väterlichen Hufen ist.  

rojosuiza stolpert über Gorter, den Dichter. Er steht am Wegesrand, und dichtet :

de dagen zijn lichtreuzen
daar wandel ik laag tusschen
 
Das Ziel, Bergen aan Zee, ist ebenso windumtost wie die höchsten Erhebungen von Bergen. Soweit das Auge reicht, weisse Gischt, zu Schaum geschlagenes Eiweiss, das rojosuiza am liebsten ganz einpacken will. Da kann nur die schnelle Flucht helfen.
 
Wie war das doch gleich mit den holländischen Corona-Sperren? – Ins Café hinein darf der Wanderheld nicht. Bleibt er hier draussen, wird er also draussen auf der Terrasse sitzen, im Schaum, im fliegenden Sand, im rasenden Wind? – Kaum Was rettet das kümmerliche Menschlein denn jetzt, wo nichts es mehr hält? – Nun, der Kleinbus kommt, und im Hui ist rojosuiza zurück in Bergen. Dort kommt der Grossbus, und rojosuiza ist in Alkmaar. Dort wartet das allerbeste der Transportmittel, rojosuizas Grosser Gelber Zug, und der bringt ihn durch Wetter und Wind sicher nach Haus.