Max und Moritz, Flasche und Bierdeckel – zünftiges Gipfelsammeln an den Schrammsteinen


Publiziert von rele , 14. Mai 2021 um 17:08.

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Elbsandsteingebirge
Tour Datum: 5 Mai 2021
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 

Die Schrammsteine, grandioses, vielseitiges, gern besuchtes Ausflugsziel oberhalb von Bad Schandau – hierhin geht man besser nur unter der Woche und außerhalb der Ferienzeiten. Na, das passt ja heute! Neben den großartigen Wander- und Kraxelgelegenheiten rund um den Frühstücksplatz bietet auch der südliche Teil der Schrammsteine schicke Kraxeleien, und selbst an belebteren Tagen wird man mit einem entsprechenden Abstecher vom Elbleitenweg den Wanderermassen für eine Zeit lang entkommen können. Bierdeckel und Flasche, Max und Moritz, Spitzer Turm und die paradoxerweise Unbenannte Spitze sind hier als Gipfelchen zu begehen – für alle, die von UIAA III nicht abgeschreckt werden, durchaus noch seilfrei ersteigbar. Zum Schutz der Felsen vor Abrieb an den harten Profilsohlen und auch fürs bessere Reibungsgefühl am Fuß bietet sich Wanderern an, die Anstiege im Fels barfuß zu begehen.

Vom Wegekreuz am Großen Schrammtor führt einerseits der Schrammsteinweg ins Schrammtor hinauf, andererseits der Elbleitenweg in einer weit ausholenden Kurve südlich um die Schrammsteine herum. Wir folgen dem letzteren für ca. 50m, bis links ein Kletterzustieg über das Holzgeländer abzweigt. Diesem entlang steigen wir kaum 100m leicht bergan in den Schrammsteinsattel, eine Passhöhe inmitten eines kleinen Kletterparadieses. Von hier wenden wir uns zunächst nach rechts und folgen einem Trampelpfad, welcher an der markanten Westkante des Bierdeckels vorbei führt. Hier liegt unser erstes Ziel: der Alte Weg (AW) auf die Flasche, der einzige Sachsen-Ier des heutigen Tages und damit wohl eine ganz gute Eingehroute. Doch auch diese I will durchaus erkämpft sein! Zunächst geht es ca. 4 Meter in einem Kamin (wahlweise auch rechts daneben) empor auf einen Absatz (UIAA II). Nun halb links zwischen einem Felsköpfel und der Flasche in einen weiteren Kamin hinein. Aus diesem Kamin würde der AW nun rechts eine Rinne hinaufziehen. Uns erscheint jedoch der Durchstieg durch den Kamin geradeaus auf einen kleinen Absatz bequemer: die sogenannte 1. Variante des AW. Von diesem Absatz folgt nun rechtsseitig ein letztes Kaminstück, welches ich durchaus schon mit UIAA III bewerten würde, zum Gipfel mit Buch. Wer möchte, kann auch noch auf das Gipfelzipfelchen über dem Buch kraxeln. Mit Ausnahme dieses Zipfels ist der Weg trotz aller Schwierigkeiten nirgendwo übermäßig ausgesetzt und auch im Abstieg ohne allzu viel Herzklopfen zu begehen. Der wunderschöne Ausblick oben lohnt sich allemal!

Wieder auf dem ersten Absatz angekommen, machen wir noch einen kurzen Abstecher zur Westkante des Bierdeckel, deutlich niedriger als die Flasche und daher ohne vergleichbare Aussicht – also eher für kraxelwütige Gipfelsammler interessant. Anstatt also den Flaschen-Einstiegskamin wieder hinabzusteigen, übersteigen wir diesen auf Absatzhöhe und queren auf einem dünnen Band wenige Meter nach links, von wo man entlang der Kante rechts aufsteigen kann. Direkt unter dem Gipfel steilt die Kante auf (Sachsen-II, UIAA III) und lässt uns beim Gedanken an den Free-solo-Abstieg dann doch ohne Gipfelerfolg wieder nach unten krauchen! Bis zum Einstiegskamin zur Flasche macht der Rückweg mein Herz ohnehin klopfen; der Abstieg im Kamin hingegen wieder angenehm und problemlos.

Nun geht es zurück zum Schrammsteinsattel und wenige Meter auf der anderen Seite nach unten, wo wir den Einstieg zum AW von Spitzem Turm, Unbekannter Spitze und Max und Moritz suchen. Die Wege sind Sachsen-IIer und scheinen allesamt nahe einer Schlucht, die links steil hinauf führt, zu beginnen (s. Foto und Kartenausschnitt). Welchen der Gipfel wir in diesem Labyrinth nun eigentlich besteigen wollen, ist uns dabei noch gar nicht so klar ;) Zuerst geht es (entweder am Rand der Schlucht, UIAA I, oder mit Kamintechnik, UIAA II) ein paar Meter hinauf zu einerm großen, abgestorbenen Baum. Von hier kurz querend etwas weiter hinein in die Schlucht, bis links ein enger Kamin zu einem kleinen Absatz empor führt (UIAA II-III). Dann deutlich leichter die schrofigen Felsen hinauf ins Gehgelände, einer Scharte zwischen der Unbenannten Spitze und Max und Moritz. Hier versuche ich mich links am etwas luftigen Aufstieg zur Unbenannten Spitze, deren Gipfelbuch jedoch mit 'Spitzer Turm' betitelt ist – Verwirrung komplett!! Ob wir einfach die Karte nicht richtig lesen können oder sich jemand mit einem Buchtausch einen Scherz erlaubt – ich mache mich zügig auf den Rückweg und rutsche den etwas unangenehmen Abstieg wieder in die Scharte hinab. Nun also nach rechts in Richtung Max und Moritz. Den Alten Weg dorthin haben wir auf unserem Weg zur Scharte offenbar bereits verlassen, doch der scheint sowieso mit luftigem Kaminausstieg und ebensolcher Querung seilfrei etwas "moralisch". Hier in der Scharte führt der Übergangsweg zum Gipfel, zwar mit sächsisch-III bewertet, doch erscheint er uns weder überaus schwierig noch ausgesetzt. Es geht rechterhand eine kurze Rinne hinauf (UIAA III), dann sind wir schon in Gehgelände und in wenigen Schritten beim gemütlichen Gipfel mit Buch angelangt. Ein wunderschöner Abschluss unserer kleinen Gipfelrunde! Nach ausgiebigem Genuss der prächtigen Aussicht auf Elbe und die Gipfelchen rund um unsere vorher besuchte Flasche machen wir uns auf den Rückweg entlang des Anstiegswegs, angenehm und nervenschonend bis ganz unten zum Einstieg in der Schlucht. Zufrieden trotten wir zurück zum Schrammsteinsattel und hinunter auf den Elbleitenweg, der uns zu neuen Abenteuern führen kann...

Fazit: Nette Free-solo-Kraxelgelegenheiten (nur bei trockenem Wetter!) in unmittelbarer Nähe zum Wanderweg. Die Flasche und Max & Moritz (auf dem hier beschriebenen Übergangsweg) bieten zusätzlich zum anregenden, aber gutmütigen An- und Abstieg auch noch eine wunderbare Gipfelrast mit großartigen Blicken. Der Abstecher zur Unbenannten Spitze ist schon weniger nervenschonend, den Bierdeckel macht man vielleicht doch lieber mit Seil.

PS: Alle Kommentare willkommen, die bei der Auklärung meiner geografischen Verwirrung behilflich sein können ;)

Tourengänger: rele


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Kommentare (6)


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mb4 hat gesagt: wie de Hans
Gesendet am 14. Mai 2021 um 19:06
Ich fühl mich gerade etwas wie de Hans im Schnäggeloch.

Habe zwar schöne Alpengipfel zur Auswahl.
Doch eure Türme sind ja fantastisch.
Hier in der Schweizerischen Schweiz friere ich mir den A... ab.
Ihr in der Sächsischen Schweiz klettert barfuss.
Doch vielleicht seid ihr einfach besser im Nehmen als ich.

Vorfreude soll eine der schönsten Freuden sein.
So gesehen, bin ich einer der glücklichsten.

rele hat gesagt: RE:wie de Hans
Gesendet am 14. Mai 2021 um 21:25
Haha, den Ausdruck kannte ich noch gar nicht... danke für das nette Feedback :)
Bei uns ist es wohl durch die geringere Höhe (<500m) schon deutlich wärmer als bei Euch in den Nord-Alpen, so klettert es sich natürlich einfacher barfuß, besonders auf dem weichen Sandstein... in den Alpen hab ich da auch lieber wieder meine Schuhe an ;)
In diesem Sinne weiterhin glückliche Vorfreuden bis zum nicht mehr fernen Sommer!
LG, rele

mb4 hat gesagt: RE:wie de Hans
Gesendet am 14. Mai 2021 um 22:55
Den Hans kennt sogar Wikipedia. Dort wohnt er bloss im Schnakenloch.
Auf einen kurzen Nenner gebracht: https://www.swissmom.ch/chinder-musig-waelt/lied/de-hans-im-schnaeggeloch/

Ich lebe zwar in den Südalpen. Aus deiner Sicht.
Und auch bloss auf 510m. Im Erdgeschoss.
Doch habe ich heute gerne den Ofen eingefeuert.

Auf den Sommer freue ich mich auch.
Doch zähle ich mich zu den Glücklichen, weil ich mich auf die Türme im Elbsandstein freue.
Hoffentlich bald!
Muss dringend mal meinen Sachsen-Freund fragen...

rele hat gesagt: RE:wie de Hans
Gesendet am 16. Mai 2021 um 19:15
Hab mir jetzt das Lied auch mal auf Youtube angehört -- im Schnaeggeloch. Irgendwie kommt mir der Text ein bissschen widersprüchlich vor: Er hat er alles was er will, und dann doch wieder nicht...
Na dann viel Freude im Elbsandstein, so es Dich bald hinverschlagen sollte! Sag gern Bescheid, vielleicht trifft man sich ja dort...

Nyn hat gesagt:
Gesendet am 16. Mai 2021 um 08:23
erneut tolle Eindrücke in das Reich der 1000 Türme

rele hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. Mai 2021 um 19:05
Danke Dir Nyn :)


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