Freeriden am Hochgrat (ohne Aufstiegshilfe)


Publiziert von Michael26 , 26. Februar 2021 um 19:48.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:13 Februar 2021
Ski Schwierigkeit: ZS+
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Aufstieg: 955 m

Routenverlauf:
Aufstieg über die Piste der Normalabfahrt in ca. 2,5 h bis zum Gipfel. Danach Freeride-Abfahrt durch den "Seelekessel", westlich vom Staufener Haus.

Der Hochgrat (und die gesamte Nagelfluhkette) stechen sofort ins Auge, wenn man aus dem westlichen Allgäu Richtung Süden blickt, insbesondere die eindrucksvolle Nordwand. Natürlich drängt sich sofort die Frage auf, ob eine Abfahrtslinie durch die Nordwand möglich ist, jedoch kann ich im Internet weit und breit keine  Informationen dazu finden. Lediglich in einem Eintrag wird eine Freeride-Abfahrt durch den "Seelekessel" erwähnt, "wenige Schritte westlich vom Staufener Haus". 

Ich beschließe mir vor Ort ein Bild zu machen und fahre bei grandiosem Wetter zur Talstation der Hochgratbahn, die wegen der Corona-Epidemie geschlossen ist. Dort bin ich nicht der Einzige, den der Hochgrat lockt und reihe mich bei den Tourengehern ein, die über die Standardpiste entlang der Seilbahn aufsteigen.

Problemlos geht es nach oben und ca. ab der Hälfte des Weges zur Bergstation der Bahn halte ich mich immer wieder ganz links auf dem breiten Rücken, über den die Piste nach oben führt, um mögliche Einfahrtsrouten in die links neben mir aufragende Nordwand auszukundschaften. Was ich sehe ist wenig ermutigend, denn der Übergang von dem Bergrücken, auf dem ich aufsteige, in die Nordwand hinein, ist ein steiler Abbruch, durchsetzt mit zahlreichen Felsrippen. Eine Einfahrt in die Nordwand scheint mir zwar nicht ausgeschlossen, aber zweifellos äusserst riskant in akutem Absturzgelände und ich streiche diese Option von der Liste möglicher Abfahrten.

Die Route führt über den schon erwähnten Rücken westlich neben der Nordwand bis zur Bergstation der Bahn und weiter unspektakulär in einem Bogen von SW zum Gipfel. Auch von hier ist eine Einfahrt in die Nordwand wegen eines Felsabbruchs direkt unterhalb des Grates nicht möglich. Dafür werde ich durch einen wunderbaren Blick nach Süden belohnt, wo sich ein Bergpanorama vom Säntis im Westen bis zu den Lechtaler Alpen vor mir ausbreitet.

Dann geht es an die Abfahrt und ich steuere zunächst das Staufener Haus an, das sich nur wenige 100 m von der Bergstation entfernt befindet. Direkt unterhalb des Staufener Hauses führt eine Spur nach links bzw. nach Westen in den Seelekessel und ich beschließe dieser zu folgen. Was ich dabei völlig übersehe, ist, dass oberhalb des Hauses viel mehr Spuren in den Kessel führen, aber diese entdecke ich erst viel später auf einem meiner Fotos von der Tour, nachdem ich eine ausführlichere Beschreibung der Freeride-Abfahrt gelesen habe, die eindeutig die Querung oberhalb des Hauses beschreibt.
Wie auch immer gerate ich sofort in äusserst steiles und unübersichtliches Gelände, genau genommen ein aufgelockertes Waldstück, durchzogen von Felsabbrüchen und Schneefeldern. Zwar muss ich vorerst nur auf gleicher Höhe queren, es ist aber stellenweise so steil und ausgesetzt - in einem Teilstück bricht ein Schneefeld mit einer Steilheit von an die 60 Grad unter mir ab, direkt über einem Felsabbruch - dass ich ernsthaft überlege, wieder umzudrehen. Das ist aber nur eine theoretische Überlegung, denn zum Umkehren ist die Spur zu schmal und die Wand zu steil. Also gehe ich weiter. Die Steilheit bleibt zwar auch weiter hinten im Kessel bestehen, dafür komme ich schon bald aus dem waldigen Absturzgelände heraus und kann durch eine Rinne im feinsten Pulverschnee durch die erste Steilstufe abfahren. Da gerade Lawinenwarnstufe 1-2 herrscht ist das unbedenklich, bei höhere LWS aber definitiv nicht anzuraten. 
Ich erreiche einen flacheren Abschnitt der Route und habe zum ersten Mal Gelegenheit mich umzuschauen.
Ich befinde mich in einem eindrucksvollen Kessel, der auf allen drei Seiten von steilem Gelände begrenzt ist, insbesondere auf der westlichen Seite bricht die Wand von der Seelespitze in den Kessel herab.
Nun geht es über eine zweite Steilstufe, die wiederum von einigen Felsabbrüchen gebildet wird, die sich aber gut umfahren lassen. Besonders eindrucksvoll sind einige gefrorene Wasserfallkaskaden, die die Felsabbrüche überziehen. Es ist ein Feeling wie in Kanada !
Nach der zweiten Steilstufe wird es einfacher und etwa weiter unten ziehen die Spuren, denen ich folge, nach rechts zur Normalabfahrt hinüber. Ab hier folge ich weitgehend der Piste, nur ganz unten lasse ich mich verleiten, nochmals nach links in den Wald hinaus zu queren, was sich als wenig lohnend heraus stellt, denn die Schneedecke ist dünn und ich fahre ständig auf Äste und Steine, die am Boden liegen.
Also Augen zu und durch und schon bald stehe ich wieder bei der Talstation der Hochgratbahn.

Fazit: Bei passenden Verhältnissen - also guter Schneelage und geringer Lawinengefahr - eine tolle Abfahrt, vielleicht noch besser, weil weniger ausgesetzt, wenn man oberhalb des Staufener Hauses in den Seelekessel quert.

Tourengänger: Michael26


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen

WS-
24 Mär 21
Hochgrat - immer wieder schön · alexelzach
WS-
10 Jan 21
Hochgrat im Winter · alexelzach
T2
T3
16 Aug 19
Hochgrat über Brunnenau-Scharte · alexelzach
WS-
13 Dez 10
Hochgrat · bavarese
T2
22 Aug 10
Hochgrat (1834m) · monigau

Kommentar hinzufügen»