Halb-halb*
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Kann man der nicht ganz gesunden Anderen Hälfte eine Wanderung in den Märchenwald zumuten? – Die Wanderung ist eine kleine Runde, einigermassen flach. Des gesunden rojosuiza‘ Erinnerung aber trügt: flach ist es hier mitnichten. Obwohl man langsam, ganz langsam hinansteigt, steigt man doch stetig hinan, und weiter hinan. Der Wald ist wunderlich und märchenhaft, aber im Gesamten doch etwas wilder als in rojosuizas Vorstellungswelt. Kann die Runde planmässig gerundet werden? – Nach weniger als der halben Strecke, wo rojosuiza inständig hofft, dass die Steigung aufhört – sie hört natürlich nicht auf! – ist der Ofen aus und wird zum Rückzug geblasen. Die Batterie ist leer.
Bei der Talfahrt erinnert man sich an die Schönen von Gemeinen, die einem in einem anderen Jahrhundert – so scheint es – zu ihrem Fest geladen haben. Wo hat es denn nur stattgefunden, das Fest? War es hier, oder war es doch eher dort, etwas weiter hinab im Lauf der Postautostrecke?
Am Nachmittag will der Bergheld sich ein wenig die Füsse vertreten. Was tun? Wenn es auch im Tal des Rotten durchaus ebene Stücke gibt, lang hält es rojosuiza meistens nicht darauf. Durch Glis hat ihn die Ebene noch gehalten, man beschaut den werdenen neuen Dorfplatz, aber ihn Gamsen verliert sie ihn. Er marschiert noch auf der Alten Landstrasse an Kapelle und Schulhaus vorbei, aber beim seit Ewigkeit geschlossenen Gasthof nimmt der Ebenenflüchtling die Beine! Sollen andere in der Ebene bleiben, Ebene gibt es in einer Woche zurück in Holland wieder wahrlich genug.
rojosuiza setzt über den Rotten, springt zur Bahnlinie der BLS hinauf, steigt immer weiter zum Wanderweg BLS-Südrampe, erreicht die ‚Driestneri‘. Ihr zu folgen, es wär‘ ein Traum. Aber ja, er kennt sie schon. Und er hat in seinem Kopf, dass eine Wanderung auf der Direttissima nach Birgisch auch einmal ganz nett wäre. Ist der Regenschutz wohl dabei? –Auf der ganzen BLS-Südrampe ist ein Regenschutz zwingend nötig: Man weiss nie, wann hier der Regen einsetzt! Überall um einen herum mag die Sonne brennen, im ganzen Wallis schönes Wetter herrschen, aber hier, hier regnet’s gar zu oft. Das Regengebiet erstreckt sich auch auf ein ganzes Stück des Weges nach Birgisch.
In Birgisch wollen sie, dass rojosuiza ‚JA‘ stimmen soll für ein neues Tierschutzgesetz. Überall kleben grosse grüne Kleber, denn die Grünen sind’s ja wohl, die die Tiere derart heftig schützen wollen. rojosuiza schmunzelt innerlich: Die hiesigen Jägersleut‘ werden ihn nicht gerade schiessen, denn in ihn hineinsehen, das können sie nicht.
In der Dorfwirtschaft sitzt die ‚Jägerschaft‘ in einem abgeschlossenen kleinen Kabuff vor der Tür, die grosse Terrasse überlassen sie den Auswärtigen. Die Kaffee-Quellen sind aber wirklich erstklassig, der Latte-macchiato köstlich.
Es gibt einen ebenso poetischen Abstieg nach Naters, wie es der Aufstieg nach Birgisch auf meiner Direttissima vom Ufer des Rotten gewesen ist. Zuerst muss man ein Stück der Landstrasse nach laufen, was heute aber keine Belastung ist. Der Verkehr hält sich in Grenzen und weiter vorn folgt eine Baustelle, wo alles warten muss. Nur rojosuiza darf überall kreuz und quer hindurchlaufen, als wahrer Baustellenkönig. Es gibt drei, vier Abstiege nach unten, und einer ist schöner als der andere. rojosuiza findet die äusserste Schlaufe, und findet jedes Stück des Weges zu seiner Zufriedenheit.
In Naters besucht er den Friedhof. Inzwischen residiert die Mehrzahl der Walliser Verwandtschaft in aller Ruhe hier. Er läuft durch die Gräberzeilen und beschaut sich die Grabsteine. Seine Leute findet er nicht, aber er weiss sie alle hier, und das genügt.
Wie war der Tag? – Halb nicht gelungen, halb gelungen? – Oder doch vollkommen gelungen, und ein Ganzes? – Gefüllt mit halb dem und halb diesem? – rojosuiza ruft freudig ganz-ganz, der Tag ist ihm ganz und rund, so wie damals die Tage in der Kinderzeit.
*nach dem Getränk meiner Kinderzeit in der Ostschweiz
Tourengänger:
rojosuiza
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