Feldspat, Quarz und Glimmer, die drei vergess' ich nimmer! - Grundschartner Nordkante


Publiziert von Paco , 6. Juli 2020 um 21:56.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Zillertaler Alpen
Tour Datum: 4 Juli 2020
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: VI (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 15:00
Aufstieg: 2009 m
Abstieg: 2009 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit Auto bis zum Alpengasthof Häusling im Zillergrund
Unterkunftmöglichkeiten:Urige Übernachtungsmöglichkeit Im Gasthof in der Au oder Bodenalm.
Kartennummer:AV 35/2 Zillertaler Alpen Mitte

Im extremen Fels heißt eines dieser Bücher, welches mein bergsportlastiges Bücherregal ziert. Nunmehr in der dritten Auflage wurde einst die Feldkopfkante durch die Grundschartner Nordkante ersetzt. So richtig schwer ist sie nicht, aber wenn schon Walter Lackermayr sagt "nix für Weicheier", dann wird sie auch nicht geschenkt sein. Wirklich leicht ist eben nichts aus diesem Buch...

Nach einer wilden Odyssee am großen Mühlsturzhorn, sinnieren mein Seilgefährte Börnie und ich beim gemütlichen Abendessen gegen 2 Uhr morgens über zukünftige Klettertouren. Hier kommt zum ersten Mal der Grundschartner ins Gespräch. Er meinte die Nordkante hätte unsere Kragenweite. Ich erinnere mich dunkel daran, diese Tour einst im eingangs genannten Buch betrachtet zu haben und nach dem gerade Erlebten steht mir der Sinn eher nach einer gemütlichen Wanderung im extremen Gras.
Wieder zu Hause angekommen, lässt mich der Grundschartner nicht los und sogleich beginnt die Recherche. Nach einem kurzen Blick in die Eckdaten der Tour stimme ich sofort ein und gebe Berni Rückmeldung, dass wir das als nächstes machen.
Nach diversen verregneten Wochenenden ist nun endlich soweit. Es tut sich ein Wetterfenster für uns auf.

Am Donnerstagabend zusammen telefoniert, gilt es zunächst die Frage zu klären, ob mit Biwak oder an einem Tag. Wir entscheiden uns dazu, die Spannung in den Rucksackträgern etwas zu reduzieren, und gehen es an einem Tag. Somit haben wir die Gelegenheit uns knapp 4 Stunden warm zu laufen und müssen nicht aus dem Kalten starten.
Samstag ist unser präferierter Tourentag, somit ist die Anreise Freitagabend obligat und ermöglicht es ohne Stau über Achenpass und Zillertal in den Zillergrund zu fahren. Eine kurze Nacht im Freien haben wir mit eingeplant, stellt sich nur die Frage nach dem "Wo?" Aber wir zwei hatten ja schon immer Glück, und fanden auf dem Parkplatz des Gasthofs in der Au einen Platz zum Campieren, mit freundlicher Genehmigung der Wirtsleute.
Das mitgebrachte Abendessen wurde in idyllischer Atmosphäre verzehrt und gleich darauf die Schlafsäcke ausgerollt. Es ist einfach ein wunderbares Gefühl mit vollem Magen schlafen zu gehen.

Der Zustieg
3:30 Uhr wird es Zeit zum Aufstehen. Das vorbereitete Frühstück wird um Milch ergänzt und rein geschoben. Hunger hat eigentlich keiner, aber wir wollen nicht schon beim Zustieg eingehen. Manch einem genügen 2 Tassen Kaffee mit reichlich Zucker den ganzen Tag und in Gedanken duftet es auch danach, jedoch gibt's den heute nicht und auch keinen Zucker. Aus Zeitgründen...
Motor an und runter zum Alpengasthof Häusling. Dort kann man Parken.

Kurz nach 4 Uhr blasen wir im Schein der Stirnlampen zum Aufbruch. Bis zur Bodenalm folgt man einem gut ausgetretenem Viehweg und man kann den ersten Blick zum heutigen Tagesziel erhaschen.
Insgesamt macht es Sinn, es so einzurichten, dass man zur Morgendämmerung an der Bodenalm eintrifft. Nach dieser führt ein Weg weiter in den Talschluss. Dieser verliert sich nach kurzer Zeit im Moränenschutt und spätestens dann sollte man Sicht haben.
Am Talende führen 3 Rinnen zum Einstieg der Nordkante, von denen die im Aufstiegssinn ganz Rechte genommen werden sollte (siehe auch Bergsteigen.com). Kurz bevor sich die Rinne eng einschnürt, befindet sich links eine plattige Wandstufe, die quer von einem Grasband durchzogen wird. Auf diesem Band steigt man auf den Pfeilerkopf (abschüssiges Gehgelände, kurze Stelle 1). Oben angekommen folgt man einem schwach ausgeprägten Pfad relativ nah an der linken Begrenzung der Rinne, bis der Weiterweg von einem Felsriegel abgesperrt wird. Diesen umgeht man links über einen kurzen, steilen, schrofigen Aufschwung. Nun folgt man dem Kar gerade nach oben, bis man nach links zur Nordkante ausqueren kann.
Es wird solange gequert, bis man den Grat über eine schuttige Rampe  erreichen kann. Dort hinauf bis zu einer Holzstange, welche wir um einen herumliegenden Schuh ergänzt haben.

Apropos Schuhe! Durch die ergiebigen Niederschläge der letzten Tage, war es überall noch sehr nass, sodass sich meine Hosen im hohen Gras mit Wasser vollsaugten und meine Schuhe von oben her füllten. Glücklicherweise sind nach dem Neubesohlen auch Löcher unten, sodass gleich alles wieder rauslaufen kann aber nichtsdestotrotz wären Gamaschen sicherlich eine gute Wahl gewesen.
Und noch ein Hinweis für die Logistik: Wasser gibt es bis kurz bevor man das grasige Band nach oben steigt. Es ist also nicht nötig, 5l mit hoch zu schleppen. Das kann man dort auch noch tun... oder man wringt am Einstieg einfach seine Hosen aus, dann kann man die Gamaschen auch gleich wieder aus der Packliste entfernen.

An der beschuhten Holzstange ist der offizielle Einstieg der Tour.

Die Kletterei
Vom Beginn an feinster, griffiger und fester Granit. Die offizielle erste Seillänge zum gespaltenen Block wird wohl von den meisten Aspiranten noch seilfrei begangen, wir aber sichern lehrbuchmäßig mit einer Köpflschlinge auf 50m. Ich umgehe den gespaltenen Block rechts und bekomme die Quittung größter Seilreibung unmittelbar. Mit knapper Not erreiche ich den Stand und kann Berni zum Nachkommen auffordern. Unter Aufbietung all meiner Kräfte ziehe ich den Strick schnellstmöglich ein und habe jetzt schon mehr Körner liegen lassen als im gesamten Aufstieg. Ich lasse mir nichts anmerken. Berni übernimmt die Führung und klettert gerade den Block hinab in die Scharte (4), da vernehme ich ein Rumpeln in meiner Nähe und traue meinen Augen kaum, als ich hinter mir einen Solo Aspiranten vernehme. Wir wechseln ein paar Worte, er rüstet auf Kletterei um und bald schon zieht er an uns vorbei.
Wir arbeiten uns die Seillängen bis unter die Schlüsselstelle (5.SL). Ein glattes Wandl, welches vertikal nach oben zieht. Dort holen wir Mr. Solo wieder ein, da er diese Stelle auch gesichert ging. "A bisserl nass ist es" meint er und zieht davon. Das war auch das letzte Mal an diesem Tag, dass wir ihn gesprochen haben. Vom Stand schaut die Stelle absolut harmlos aus, wenn man dann aber drin steht, merkt man, dass da die 6 nicht umsonst dran steht. Nach etwas herumprobieren gebe ich meine Rotpunkt-Ambitionen auf und ziehe mich am Haken hoch (5/A0). Auch der nächste rostige Schlaghaken entspannt meine Nerven nicht sonderlich, aber es wird wieder deutlich leichter. Direkt oberhalb der Wandstufe folgt der Stand. Bernis Rotkreuz-Ambitionen endeten ebenfalls als der Fuß an einer nassen Stelle abrutscht. Die folgenden Seillängen gingen wir dann simultan, um Zeit zu sparen.
Am Adlerschnabel (8.SL) bezieht Bernd Stand an einem Köpfl, zwei Standhaken weisen nach rechts. Hier aber links bleiben und ausgesetzt noch oben piazen.
Den Roten Turm (13.SL) umging ich rechts und bin dann auf einen abdrängenden großen Block geklettert. An dessen Ende war zwar ein Schlaghaken platziert, aber ich glaube hier nicht ganz die Ideallinie getroffen zu haben. Oder es war halt ein schwerer 4er.
Die Seillängen 14 bis 17 sind der pure Genuss im Urgestein. Immer den Rissen folgend, gut absicherbar, nach oben. Auch der feine Riss (17.SL, 6-) löst sich sehr gut auf und ist griffiger als er zunächst scheint.
Im 2er Gelände angekommen, packen wir die Seile weg und klettern zum Gipfelkreuz.
Nach einer gemütlichen und ausgedehnten Jause bei Sonnenschein haben wir "nur" noch den Abstieg vor uns.

Der Abstieg
Vom Gipfelkreuz nach Süden in die Scharte und dann östlich absteigen ins Kar. Wir hatten Glück und konnten das Schneefeld hinabstapfen / -gleiten. Dann im Kar zuerst rechts ausqueren bis man in den flacheren Teil kommt, dann links haltend an dem Felsvorbau P.2622 vorbei (gutes Bild bei Bergsteigen.com). Am Ende der Gletscherschliffplatten (oberhalb der Kainzenkarfällen) nach rechts queren. Der Weg ist, Stand Juli 2020, deutlich mit Stangen sowie roten Punkten und Pfeilen markiert. Pfadspuren sind noch keine ausgetreten. Bei Nebel ist die Orientierung daher nicht einfach. Der Beginn des Jägersteigs ist mit einer Stange und darüber hängender Warnweste sowie einem Steinmann markiert. Immer dem Steig folgend, überquerten wir, an dessen Ende, einen Bauchlauf. Ich traute meinen Augen kaum, als ich hinter dem Gestrüpp hervor kam und Berni komplett im wild tosenden Bauchlauf liegen sah. Abgesehen davon, dass er ein Bad dringend nötig hatte, ist er wohl beim Überschreiten des Baches ausgerutscht und rücklings hinein gefallen. Nur gut, dass wir noch zwei Stunden zum Trockenlaufen vor uns haben.
Danach haben wir uns orogr. links der Bachläufe gehalten und sind auf lichten Wiesen abgestiegen bis zu einem großen quaderförmigen Felsblock mit einem Pfeil nach rechts. Hier scharf rechts und erneut den Bach queren und dann einem deutlichen Steig zur Kainzenalm folgen.

Dringender Hinweis: Wenn man hier über einen Weidezaun steigen muss, sollte man unbedingt darauf achten erstens keine nasse Hosen zu haben, und zweitens alles metallische am Klettergurt hochzunehmen, damit das nicht den Weg des geringsten Widerstandes zw. Weidezaun und Hose bildet. Es knistert in der Luft.

Elektrisiert geht Berni den weiteren Abstieg an. Er rennt im Takt wie die Hasen von Duracell. Der nächste Fauxpas folgt bald: Er gleitet aus und zerbricht dabei einen seiner Wanderstöcke. Ich vermute, dass das Wasser der vollgesogenen Hose hinunter gelaufen ist und dadurch seine Schuhsohlen nass waren... :P
Endlich an der Kainzenalm angekommen, laufen wir auf dem Forstweg hinunter zum Gasthof in der Au. Hoffnungsvoll noch ein Abendessen zu ergattern, fragen wir höflich, werden aber höflich darauf hingewiesen, dass die Küche gerade geschlossen hat. Also noch eine weitere zähe Stunde hinab zum Häusling. Dort ebenso höflich gefragt, bekommen wir die gleiche Antwort: "Die Küche hat schon geschlossen." Und im gleichen Atemzug sagt die nette Dame, dass sie uns noch ein Gulasch zubereiten würde. Mensch, müssen wir fertig ausgesehen haben... Wir nehmen dankend an und damit sind die Wirtsleute am Gasthof Häusling für uns die absoluten Helden des Tages! Später setzt sich der Wirt noch zu uns an den Tisch und er erzählt uns über den Gletscherschwund, die Zukunft der Almwirtschaft und wie der Bagger zur Bodenalm hoch gekommen ist.

Nach gutem Abendessen fallen uns auf der Heimfahrt fast die Augen zu. Lange war die Nacht nicht, der Tag dafür umso länger. Aber auch das haben wir dann noch geschafft. Und nach der Dusche bin ich wie ein Stein ins Bett gefallen.
Fazit: 4h Zustieg, 7h Kletterei, 4h Abstieg. Man muss sie schon mögen, diese berstend vollen Tage!


Grundschartner, 04. Juli 2020

Tourengänger: Paco


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Kommentare (2)


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ADI hat gesagt:
Gesendet am 8. Juli 2020 um 09:15
Ich gratuliere herzlich zu Euerer Hammerharten Tour!
Wer ko....der ko!!!

VLG

ADI

Paco hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. Juli 2020 um 21:45
Vielen Dank, ADI! :) Und wenn du mal jemanden suchst für einen wilden zillertaler Gipfel, dann gib' doch einfach mal Bescheid. VG


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