Wandermemoiren Weissbrunnsee - Grünsee - Weissbrunnalmen


Publiziert von drdemmler , 25. Mai 2020 um 12:31.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum: 9 Juli 2006
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 800 m
Abstieg: 800 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Weissensee über St. Gertraud
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Weissensee
Kartennummer:Topograph. Wanderkarte Blatt 042

Wandermemoiren Weissbrunnsee – Grünsee – Weissbrunnalmen vom 9. Juli 2006
 
Die heutige Tour gehe ich solo an. Christine wird dafür geruhsam ein Stück des Ultner Höfewegs erkunden. Ich fahre mit dem Auto von unserem Quartier in St. Nikolaus über St. Gertraud zum Lago Fontana Bianco, dem Weißbrunnsee, der auf 1872 m liegt. Dort beginnt mein Aufstieg zur Höchster Hütte am Grünsee. Das werden fast 800 Höhenmeter sein, strapaziös für nur mäßig Geübte wie mich und jedenfalls zu deftig für Christines lädierten Fuß. Der markierte Steig 140 geht das erste Stück ohne nennenswerten Anstieg im Tal des Falschauerbachs durch schönen Hochwald. Nach etwa einem Kilometer zweigt links der Steig 103 ab, auf dem ich am Ende meiner Wanderung wieder herunterkommen werde. Auf einer Wegetafel lese ich, dass es bis zum Grünsee 50 Minuten sind. Das werde ich wohl kaum schaffen. Allmählich wird der Weg steiler. Rechts geht Steig 12 zur Äußeren Pilsbergalm ab. Die Landschaft wird nun schroffer und das Steigen anstrengender. Aber ich habe wider Erwarten keine Schwierigkeiten und komme zügig voran. Hinter mir ziehen vom Tal her dichte Regenwolken herauf, die alles einhüllen. Ich bleibe trocken, aber nur ein paar Meter hinter mir regnet es immer mal wieder. Es sind noch kaum Leute auf dem Weg. Ein ganzes Stück vor mir geht ein Paar, zu dem ich langsam aufschließe.  Als ich stehenbleibe, um zwei Gebirgsziegen zu fotografieren, die mich neugierig beäugen, überholen mich ein paar junge Männer, die ein ordentliches Tempo vorlegen. Ein junger Bursche mit Hund kommt in flottem Tempo von oben. Nach einer Stunde und zwanzig Minuten erreiche ich die Höchster Hütte, ein großes steinernes Haus.  An der linken Hauswand ist ein Bild des Grünsees mit den umgebenden Bergen. Darunter steht
 
Rifugio Canziani al lago verde
Höchsterhütte am Grünsee
2560 m
CLUB ALPINO ITALANO
Sezione de Milano / Sektion Mailand
 
Ich setzte mich in den Gastraum und bestelle ein Käsbrettl und einen Radler. Der Radler kommt bald, aber das Brettl habe ich nach einer halben Stunde noch nicht, obwohl nur wenig Gäste da sind. Ich will keine Zeit mehr verplempern. Also zahle ich und gehe.
Von der Terrasse hinter dem Haus sieht man hinunter auf den von braunem Felsgeröll umrahmten Grünsee, der tatsächlich eine grüne Färbung hat. Die Wolken reichen ziemlich weit herunter, sodass die umgebenden Gipfel nicht zu sehen sind. In der Schlucht und einigen Schrunden auf der gegenüberliegenden Seite des Sees liegt teilweise noch Schnee. Von rechts, wo irgendwo die Weißbrunnspitz sein muss, kommt ein Bach in den See. Hinter dem Haus sind zwei Wäscheleinen gespannt, auf denen ein paar Arbeitssachen um Trocknen hängen.
Ich gehe hinunter zur Staumauer und über diese auf die andere Seite des Sees, etwa 400 Meter.
Von dort führt mich der Steig 12 etwa nach Süden. Er verläuft fast ohne Steigungen und vor allem im ersten Abschnitt durch wüst auf- und durcheinandergeworfenes schweres Felsgeröll, zwischen dem ich nur wenig Vegetation entdecke. Mit angemessenem Schuhwerk und genügende Aufmerksamkeit kann man aber auch da problemlos laufen, weil kritische Stellen mit großen Platten aus Felsbrocken begehbar gemacht wurden. Ich fühle tiefe Dankbarkeit gegenüber den Leuten, die diese schwere und aufwendige Arbeit vollbracht haben.  Das Wetter hält aus, auch wenn immer wieder Wolken durchziehen, die die Aussicht versperren. Aber es ist ein beeindruckend uriges Naturerlebnis. Außer mir scheint niemand unterwegs zu sein. Nach etwa zwei Kilometern komme ich an eine Wegkreuzung in der Nähe des Langsees. Rechts geht es über das Schwärzenjoch zum 2957 Meter hohen Gleck, geradeaus über das Kirchbergjoch zur Haselgruberhütte am Lago Corvo. Ich mache eine kurze Picknickpause und laufe dann auf der 107 talabwärts nach links. Der Weg führt in leichtem Abstieg durch ein großes Hochplateau mit Almwiesen nach Nordosten. Zur Rechten rinnt überall aus den Hängen Wasser, das den Falschauerbach speist, der in der Nähe des Weges fließt. Nach Kurzem komme ich an die Hintere Weissbrunnalm. Dort sehe ich links ein größeres Areal mit Mauerresten aus Naturstein, Überreste der früheren Almhütten. In deren Nähe grasen zwei Rinder mit großen gebogenen Hörnern, die ich für Schottische Hochlandrinder halte. Ich laufe hinüber, und sie lassen mich für zwei Fotos ganz nahe an sich heran. (Als wir nach dem Urlaub die Bilder aus dem Labor bekamen, stellten wir fest, dass es Yaks sind, vielleicht welchen von denen, die Reinhold Messner jedes Jahr auf die Sommerweide bringt.)
Nach etwa 1 ½ Kilometern komme ich an einen kleinen See. Sein Name ist in meiner Karte nicht angegeben. Ich sehe, dass sein Abfluss über eine Abbruchkante geht. Deshalb, wie ich später herausfinde, sein Name „Wasserfallsee“. Gegen 14 Uhr 30 bin ich an der Oberen Weißbrunnalm und treffe den ersten Menschen meiner heutigen Tour. Eine zünftige Wanderin macht dort ihre Jause. Sie ist bestimmt hoch in den Siebzigern, aber außerordentlich agil und sportlich. Wir kommen ins Gespräch. Sie ist von der Fiechtalm über den Berg gekommen. Sie erzählt, dass sie jedes Jahr in den Alpen Urlaub macht, immer unterwegs, immer irgendwo anders.
Wir verabschieden uns, und ich mache mich auf den Abstieg über die Mittlere Weißbrunnalm. Nach gut sechs Stunden bin ich wieder am Auto.

Peter F. Müller, Berlin-Lichtenberg
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Tourengänger: drdemmler



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